Das Schlimme ist passiert

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Der Regen tropfte auf das Dach der Garage, und Alex Finger froren durch die kalte Luft und das Wasser des Gartenschlauches. Die Gummihandschuhe waren kein guter Schutz.

Isaac hatte ein Handtuch und trocknete den Kofferraum damit so gut es ging.

Sie hatten noch vier Stunden.

Er konnte Max, seinen kleinen Bruder, wie in Trance die Waschmaschine anstellen sehen.

Lilli durchsuchte das Haus nach desinfizierenden Mitteln, einem Rasierer, einer Nagelschere und Feile und einem Fön, Selina entzündete in ihrem Garten ein Feuer in einer alten Tonne.

Alex merkte, dass seine Hände zitterten, und er versuchte es zu vermeiden, den Körper auf dem Tisch vor sich anzusehen.

Noch vier Stunden.

Vor zwei Stunden...

Vor zwei Stunden hatten sie angefangen den Mord zu vertuschen.

"Wir müssen die Polizei rufen," sagte Lilli leise. Ihre Stimme hörte sich seltsam heiser an, nicht mehr so laut und fröhlich wie sonst.

Aus ihrem BH zog sie ihr Handy und wollte die Nummern eingeben, doch Alex kam ihr zuvor. Mit einer Hand umschloss er ihre Hand mit dem Handy vollkommen.

"Nein, die werden ihn einsperren," antwortete er panisch.

Alex hatte schon Erfahrungen mit der Polizei vor Ort gemacht, und die waren nicht nett.

"Es war Selbstverteidigung," entgegnete das zierliche Mädchen aufgebracht. Aus ihren Augen quollen Tränen, doch sie schien es nicht zu bemerken.

"Ein Schlag wäre Selbstverteidigung. Das da... Sein Gesicht ist Brei, das ist Mord. Max ist...er hatte nichts getrunken glaube ich, darauf kann man es nicht schieben. Er ist minderjährig, aber trotzdem...etwa zehn Jahre. Zehn Jahre im Gefängnis und seine Zukunft ist zerstört," meldete sich Isaac träumerisch.

"Er hat recht. Lilli, sieh es dir an. Max hat Selina und mich beschützt, er ist ausgerastet, ja, aber er hat es nicht verdient, dass man ihm einfach so seine ganzen Chancen wegnimmt. Und der Typ...er hat es verdient. Und wenn die Bullen kommen, dann werden sie auch merken, dass Isaac high ist. Isaac, dein Zwillingsbruder. Sie werden ihn auch ins Gefängnis stecken, und ich... Ich habe mich auch mit ihm geprügelt. Bitte, leg das Handy weg," versuchte er verzweifelt sie zu überzeugen.

Lilli sah ihm in die Augen.

"Was wirst du tun, wenn ich sie rufe?" fragte sie . Das'Was wirst du mir antun' hing zwischen ihnen in der Luft.

Isaacs Körper spannte sich an und er kam etwas näher.

Beide Jungen hatten ein Geschwisterkind zu beschützen. 

"Ich weiß es nicht. Lilli, Max ist... er ist mein Bruder. Bitte. Er ist...Er ist so schlau, er hat eine Zukunft. Eine schöne. Bitte," flehte er, und zum ersten Mal meldete sich Max zu Wort.

"R-Ruf Sie bit-te nich-cht. I-Ich weiß, e-e-egois-ti-sch, a-aber bitte, bitte. E-Es tu-ut m-mir le-eid," und er weinte. Er saß auf dem Boden, sein Gesicht, seine Kleidung, seine Hände.

Alles war voller Blut, und er weinte.

Lilli sah ihn an, und Alex konnte in ihrem Blick sehen, wie sie brach.

Nicht nur ihr Herz, sondern ihr Verstand. Zwei Widersprüche in ihrem Kopf. Tun, was richtig wäre, und die Polizei rufen, oder tun, was sich richtig anfühlen würde, die Polizei nicht rufen und so tun, als wäre all dies nie passiert?

"Okay," antwortete sie, wischte sich die Tränen weg, und sah ihn an. "Aber glaub ja nicht, dass ich das tue, weil ich Angst vor die habe oder wegen deinen bescheuerten Argumenten. Ich tue das, weil mir schon so viel weggenommen wurde, und ich das nicht mehr zulassen werden. Wenn ich je wieder etwas oder jemanden loslasse, wird man die Spuren meiner Fingernägel daran sehen."

Den letzten Teil faucht sie in sein Ohr, so leise, dass niemand anderes sie beide hören konnte.

Alex nickte. Er verstand sie. In diesem Teil waren sie gleich, beide würden verteidigen was sie hatten mit allen Mitteln.

"Wie geht's Selina?", fragte er und sah das Mädchen an, das sich langsam wieder regte.

Isaac beugte sich und nahm sie auf den Arm wie ein kleines Kind.

Dann untersuchte er ihren Kopf.

"Nur eine Platzwunde, denke ich. Nichts allzu schlimmes, aber sie sollte bald mal zum Arzt. Was ist mit Max?"

Alex sah seinen Bruder an, der zitternd und weinend auf dem Boden lag.

"Nur sein Kopf. Aber wichtiger, was machen wir mit der Leiche?"

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