~starting change~*

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Es hatte irgendwann begonnen häufiger an der Tür zu klingeln und als es mir so langsam aber sicher auf die Nerven ging, lief ich in den Flur und öffnete eher wiederwillig.
Vor mir stand Jin und verschaffte sich unerlaubten Eintritt.

Ich beklagte mich nicht, noch immer war ich viel zu aufgewühlt und es hatte ja sowieso keinen Sinn.
"Eine kleine Angelegenheit, dann bin ich wieder weg.", sagte der Riese schnell und lief durch die Wohnung, direkt auf das offene Schlafzimmer zu.

Er öffnete den Schrank und machte sich an der Kleidung zu schaffen.
"Was soll das denn werden? Willst du mir jetzt einen Koffer packen und mich in den nächsten Flieger setzen, damit ich in einem anderen Land in diesem Spiel feststecke? Oder in diesem Spiel in einem anderen Land? Ach, was weiß ich ... Was soll das?"

Jin schnaubte kurz, ein angedeutetes Lachen, dann war er wieder ernst. Dabei sah mich keine Sekunde lang an.
"Wir müssen was ändern. So kann man dich nicht länger rumrennen lassen."
Der Ältere deutete auf mein schlabberiges T-Shirt und die, an den Knöcheln immer noch leicht nasse Jogginghose. Ich sah nichts schlimmes daran, so lief ich ja normalerweise nicht in der Öffentlichkeit rum.

"Auch, wenn es scheinbar nur Kleidung für Zuhause ist, solltest du dir Gedanken über deinen Style machen. So wirst du niemals jemanden kennenlernen.", gab er von sich, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Dann kramte er weiter.

"Für euch scheint das ja nicht zu gelten, ihr habt es ja beinahe nötig."
"Weißt du, dieses Spiel gibt es schon sehr lange. Es war bis vor kurzem ein sehr gut durchdachtes System."
"Mit überromantischen Teenager Lovestories.", warf ich ein.
Ich ließ mich auf das weiche Bett fallen und beobachtete Jin, wie er verschiedene Kleidungsstücke aneinanderhielt.

Manchmal fragte ich mich, ob es überhaupt zusammen passte, diese Farben und die Schnitte, dann stellte er aber auch Outfits zusammen, die wirklich gut aussahen. Und vor allem auch meinem Stil in bestimmter Weise entsprachen.

"Das Spiel wurde jahrelang entwickelt. Uns gab es zuerst, dann das ganze Drumherum, dann die erste Story, die folgende und schließlich entstand ein System aus mehr als Hundert Geschichten. Durch die Erstellung deines Avatars, durch den Persönlichkeitstest und die Wahl des Members, entsteht deine individuelle Geschichte. Normalerweise.", erklärte Jin. Ich war ein bisschen baff, denn eine Frage kam mir auf.
"Woher weißt du das, wenn du doch nur ein Charakter bist?
Das hört sich ja so an, als wärt ihr an der Programmierung beteilligt gewesen."

Jin blieb still, kramte weiter Kleidung heraus und legte sie zusammen auf den Boden. Es entstanden mindestens zehn verschiedene Outfits. Eines davon drückte der junge Mann mir direkt in die Hand.
"Zieh das an. Es ist nicht zu aufdringlich, aber trotzdem schick. Außerdem wird es gemütlich sein, vertrau mir.", sagte er und zwinkerte mir irgendwie verschwörerisch zu.

Skeptisch ging ich ins Bad.
Sich dagegen zu sträuben brachte nichts, Jin war der letzte, der heute mit mir reden wollte. Die Angelegenheiten mit Yoongi und Namjoon hatte ich schon abgehakt. Vielleicht konnte ich ja wieder zurück, nachdem ich diese Kleidung angezogen hatte.

Als ich die Stücke trug, musste ich aber zugeben, dass Jin nicht gelogen hatte. Der Stoff der dunkelgrauen Hose war angenehm und weich, ein dickerer, massiverer Stoff, er fühlte sich aber trotzdem leicht an.
Das cremefarbene langarmshirt fühlte sich hingegen kalt an, wärmte sich aber langsam auf, während ich es trug. An den Schultern und am Brustbereich waren kleine, hellgraue Pon-Pons angebracht. Sie waren nicht zu auffällig und gaben dem, sonst so schlichten, Shirt trotzdem das gewisse Etwas.

Die rote Jacke und die Stiefletten, die mir Jin noch in die Hand gedrück hatte, zog ich nicht an, ich nahm sie bloß so mit raus.
Als ich dann ins Wohnzimmer trat, weil Jin nicht mehr vor dem Schrank und den sämtlichen Kleiderbergen stand, blickte mir ein weiteres Member entgegen, das es sich wieder auf der Couch bequem gemacht hatte.
Als würde ich ihn dann doch nicht interessieren, sah er einfach wieder nach vorne zum Fernseher, der allerdings ausgeschaltet war.

"Das sieht doch schon viel besser aus. Wo sind die Jacke und die Stiefel?", fragte Jin.
"Die brauche ich hier drin nicht.", gab ich nur zurück.
Jetzt wartete ich nur noch darauf, dass ich wieder verschwand.

"Steck das Shirt vorne in die Hose. Das sieht interessanter aus."
Ich sah Jin überrumpelt an. Ich dachte, das wäre es jetzt, aber mein Gegenüber schien noch längst nicht fertig zu sein.
Also folgte ich seinem Befehl, doch der Größere schnaubte nur unzufrieden und kam auf mich zu.
"So wird das nichts, darf ich?", fragte er und begann bereits an dem Oberteil Hand anzulegen, bevor ich überhaupt reagieren konnte.

Er zog es zurecht, holte wieder einige Teile des Stoffes hervor und zog die Hose ein kleines Stückchen nach unten.
Auch wenn ich mich unwohl fühlte, konnte ich beobachten, dass keinerlei Interesse an mir in Jins Augen war, sondern rein an der Kleidung, die ich trug. Er kam mir vor, wie ein Modedesigner, der gerade sein Model einkleidete.
"So, fertig. Das sieht schon viel besser aus, auch wenn es nichts aufregendes ist."

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Jimin zu uns hinüberspähte.
"Nimm dir ein paar der Outfits mit, die ich dir zusammengestellt habe. Du kannst die Teile auch untereinander kombinieren. Die meisten zumindest.", sagte Jin noch und verschwand wieder im Schlafzimmer.
Ich trottete ihm hinterher und sofort drückte er mir einen riesigen Kleiderberg in die Hand.

"Gut festhalten, nicht das etwas zwischen unseren Realitäten hängen bleibt.", sagte er.
Bevor ich fragen konnte, ob das überhaupt funktionierte, befand ich mich wieder in meinem Zimmer und eine aufgebrachte Akina sah mich mit weit geöffneten Augen an.

"Ich dachte schon, du kommst nie wieder! Ich war wie gelähmt, als du plötzlich weg warst. Wie machst du das?", fragte sie und nahm mir den Kleiderberg aus der Hand, ehe sie mich umarmte, als wäre ich jahrelang verschollen gewesen.
"Ich hab dir doch gesagt, du sollst gehen, weil ich nicht weiß, wann ich zurück komme. Ist meine Mom reingekommen, während ich weg war?"

"Ja, sie hat mir Süßigkeiten und Tee angeboten. Gefragt, wo du bist, hat sie nicht. Sie schien gar nicht zu bemerken, dass du weg warst."
Das war nicht verwunderlich, vielleicht war Mom mit dem Gedanken einfach gerade wo anders. Ich nahm es ihr nicht übel, eher im Gegenteil, dadurch wurden Akina einige Fragen erspart. Und mir ebenso.
"Du musst mir einige Fragen beantworten. Ich bin so verwirrt. Es ist, als befände ich mich gerade in einem Buch. Ich, die ahnungslose Protagonistin, die von der geheimen Persönlichkeit ihrer Freundin erfährt und dadurch die Liebe ihres Lebens kennenlernt, weil die Protagonistin und ihre Freundin ein geheimes Rätsel lösen müssen."

Belustigt schob ich Akina von mir weg, aber dann breitete sich wieder diese allgemeine Beklemmung aus, die sich durch dieses Spiel in mir festgelegt hatte.
"Ich erkläre dir alles, aber eins nach dem anderen okay?
Und wir sind ganz sicher nicht in einem Buch, in dem du als Protagonistin, von mir in dieses Spiel verschleppt wirst, damit wir ein behindertes Rätsel lösen und du deinen Traumtypen heiratest."






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