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Onkel Witos Restaurant war geschlossen. Aber das hielt mich nicht auf, laut gegen die lockere Ladentür zu schlagen und auf mich aufmerksam zu machen.
Ich hörte, wie sich über mir ein Fenster öffnete.

"Was?! Wir haben geschlossen, sehen Sie das nicht? Kommen sie morgen wieder ... oder nächste Woche.", meckerte der ältere Mann und war kurz davor das Fenster wieder zuzuschlagen.
"Onkel Wito!", rief ich schnell und sah nach oben.

Mein Onkel zog ein verwirrtes Gesicht, dann erkannte er mich.
"Ah, Hanayo, was machst du denn hier so früh?"
"Ich muss dich um was bitten. Es ist überlebenswichtig. Außerdem ist es bereits Mittags.", sagte ich.
Sein Gesicht war nun noch verwirrter, aber er nickte und bat mich, einen Moment zu warten.

Als er dann ein paar Minuten später die Ladentür öffnete, trug er eine Jogginghose und ein fleckiges T-Shirt. Echt ekelig.
Das Restaurant hatte sich nicht verbessert. Immer noch war alles runtergekommen und nicht wirklich sauber gehalten. Aber ich war ja nicht hier, um etwas zu essen.

"Du musst für mich eine App installieren."
Der rundliche Mann sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an, als er sich zu mir umdrehte.
"Eine App installieren? Können solche jungen Leute das nun etwa nicht mehr? Ihr seid doch richtige Profis darin, oder nicht?"

Ich schnaufte und holte Jimins Handy aus meiner Jackentasche.
"Normalerweise schon, aber irgendetwas stimmt nicht. Der Download bricht immer ab, als wäre da eine Sperre. Es handelt sich um eine wichtige App."
"Und die wäre? Ich hoffe es handelt sich nicht um etwas Verbotenes."

Mit dem Verdrehen meiner Augen antwortete ich ihm. Erwachsene waren manchmal wirklich schlimm. Besonders dann, wenn sie selbst illegale Sachen veranstalten, wie scheinbar andere zu Hacken oder Internetseiten zu verändern.
"Idol Boyfriend. Ein Otome Game."

Wito lachte auf, sah mich belustigt an. Je länger ich ihn mit meinem ernsten Blick anstarrte, desto mehr entgleitete ihm seine belustigte Mimik. Er realisierte langsam, dass ich das total ernst meinte und es sich nicht nur um einen dummen Witz handelte.
"Du meinst das wirklich ernst?", fragte er noch einmal unsicher nach.
"Ja.", antwortete ich daraufhin stumpf.
"Zockst du etwa keine Ego Shooter mehr mit Nao?"

Finster sah ich den Kerl an. Das war doch nicht sein Ernst gerade oder?
"Jetzt installier mir endlich dieses dämliche Spiel, es ist wichtig. Ich muss ... naja, halt jemanden damit retten?"
Wito lachte wieder.
"Und wen? Etwa deinen Idol Freund, den du in diesem Spiel kennengelernt hast? Tut mir leid, Hanayo, ich kann zwar einige Sachen anstellen, als Hacker, aber eine Spielfigur zum Leben erwecken liegt nicht in meinem Bereich des Möglichen."

Wenn Wito wüsste, dass er gerade genau den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Nur, dass er Jimin eben nicht mehr zum Leben erwecken müsste, da er ja nicht einmal ein Charakter des Games war.
"Jetzt mach einfach, ich weiß nicht, wie viel Zeit ich habe."


Wir stiegen hinab in den Keller des Gebäudes. Es war stockduster und als mein Onkel das Licht anschaltete, wäre es mir lieber gewesen im Dunkeln zu bleiben.
Hier unten war es kalt und nass und dreckig. Überall hingen Spinnennetze und ich fühlte mich beobachtet von kleinen Tierchen, die ich nicht einmal sehen konnte, weil sie sich sicherlich vor uns versteckten.

In einem der kahlen Betonräume war es dann ein winziges bisschen wärmer, dafür aber auch stickiger und lauter. Eine richtige Computerhöhle zeigte sich mir.
Mindestens zehn PCs verschiedener Jahrgänge waren hier unten. Alle gut erhalten und alle Einsatzbereit.

Einige schienen gerade irgendwelche Updates oder Suchen zu veranstalten. Ich kam mir vor wie in einem Agentengeheimversteck.
Wito setzte sich an einen neueren Computer und gab mit flinken Fingern ein Passwort ein. Sein Desktophintergrund zeigte eine halbnackte Frau in einem rosanen Bikini, wie sie ihre Brüste in die Kamera streckte und frech grinste.

Wirklich wiederlich.

Mein Onkel ignorierte, dass ich das gesehen hatte, öffnete eine seltsame Seite und hielt mir seine Hand hin. Ich reiche ihm das Handy und er steckte es mit einem USB-Kabel an das Gerät.
Dann zeigte sich sowas wie eine Statistik.
"Wow, wem auch immer dieses Telefon gehört, das ganze, eigentliche System wurde überschrieben und erneuert. Es wurden viele Funktionen deaktiviert, wenn du willst, kann ich das alles rückgängig machen."

Ich schüttelte den Kopf, auch wenn Wito es nicht sah.
"Nein, sorg nur dafür, dass man das Spiel installieren kann und es danach einwandfrei funktioniert. Der Rest kann so bleiben."
Wito drehte sich in seinem Bürostuhl zu mir um und sah mich nun ernst an.

"Was ist das für ein Telefon? Woher hast du das bitte? Es trägt ja nicht einmal eine Marke. Als wäre es selbstgebaut oder eher umgebaut, da vorher ja bereits ein System vorhanden war."
"Komplizierte Geschichte, die du mir sowieso nicht glauben würdest. Jetzt mach schon, Onkel Wito.", sagte ich quängelnd, da ich wirklich nicht wusste, wann ich zurücksprang.
Es konnte immer passieren und bis dahin musste alles fertig sein.

Gezwungenermaßen setzte sich Wito daran. Er sagte, dass es bis zu einer Stunde dauern konnte, da der benutzte Code etwas kompliziert war. Ich hatte davon sowieso keine Ahnung, als setzte ich mich in einen weiteren Bürostuhl und wartete geduldig.

Nach einer guten halben Stunde war Wito fertig mit dem Systemcode und lud dann das Spiel extern von dem PC auf das Smartphone.
Zögernd gab er mir das Handy.

"Bist du in irgendwelche Geheimagentensachen hineingeraten? Wenn ja, sag es mir bitte. Ich wäre sicherlich ein guter Informant."
Belustigt verdrehte ich die Augen und steckte das Telefon wieder ein.
"Manchmal fühlt sich das ganze wirklich so an, als wäre ich nun eine Agentin und müsste die Welt retten. Aber eigentlich dreht sich das alles wirklich nur um das Spiel. Vielleicht werde ich es dir erzählen, wenn alles vorbei ist."

"Sicher, dass du keinen Hacker brauchst?", fragte Wito mich, als wir auf dem Weg nach oben waren.
"Wenn du hinter einem Superschurken her bist, könnte ich bestimmt eine große Hilfe sein."

Ich schüttelte den Kopf und belächelte den Älteren. Er war älter als mein Dad und benahm sich wie ein neugieriges Kind, das ein Abenteuer erleben wollte.
"Aber, was noch wichtig sein könnte: Hast du schonmal was davon gehört, dass jemand sich an einer richtigen Teleportertionsmaschine versucht hat?"
"Das habe ich schon häufiger gehört. In versteckten Seiten des Internets kursiert seit ein paar Jahren das Gerücht, dass es sogar jemandem gelungen sei. Ein Wissenschaftler und Hobbybastler hat wohl eine Gerätschaft entwickelt, mit der er Gegenstände an einen Ort teleportieren konnte.
Vor knappt vier Jahren ist er verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht.
Er hat eine Tochter hinterlassen, über die es aber nicht viel zu finden gibt. Über sie wird seltsamerweise nicht viel berichtet. Was mit ihr danach passierte, weiß also auch keiner."

Das war ... interessant. Und seltsam. Der Zeitraum könnte knapp passen.
"Wo hat dieser Typ gelebt?", hakte ich nach.
"Ich glaube in Russland. Allerdings war er wohl koreanischer Abstammung. Er hatte zumindest einen koreanischen Namen. Wie er aber hieß, keine Ahnung."

"Weißt du noch irgendetwas über diese Tochter, eine Kleinigkeit vielleicht? Vielleicht, dass sie nach seinem Verschwinden zurück nach Korea gegangen war, um dort in ... ich weiß nicht, vielleicht in einem Entertainment zu arbeiten, in dem ungefähr ein Jahr später eine Boygroup verschwand oder so?"
Wito runzelte die Stirn über meine Fragen. Dann schüttelte er den Kopf.
"Du hast eine blühende Fantasie. Ich muss dich jetzt auch rausschmeißen, habe noch etwas zu erledigen. Ich hoffe, du kommst mal wieder mit deinen Freunden hier essen. Also, dann wenn ich geöffnet habe zumindest. Und lass dich nicht umbringen!"


Grübelnd war ich auf dem Weg zu Akina.
Ich wollte mit ihr alles, was ich gerade erfahren hatte ausdiskutieren. Vielleicht war sie meiner Meinung. Diese Geschichte konnte doch etwas mit Asha zutun haben. Möglicherweise war es sogar ihre Geschichte.

Ich hoffte sehr, dass ich am Ende der ganzen Sache eine Erklärung von Asha bekam.
Das war das, was mich am meisten neugierig machte.






otome game || btsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt