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Natürlich kaufte sie mir das nicht ab, sie war meine Schwester und beste Freundin.
Jetzt war ich es, die seufzte.
"Ich glaub es fing an, als ich anfing, mich mit Eric zu treffen, ich hatte meine Aufmerksamkeit nicht mehr so wirklich auf dem Tanzen und auf meiner Freundschaft zu Sebas, aber das ist doch nichts Schlimmes, oder? Ich war nun mal abgelenkt. Und dann haben wir uns auf meiner Party gestritten, ich war nicht besonders nett, das geb ich zu, aber ich glaube, es hat ihn mehr verletzt, dass ich seine Kette an dem Tag nicht getragen hatte, weil Eric mir eine neue geschenkt hatte. Das ist alles, was passiert ist. Genau genommen weiß ich selbst nicht, warum wir momentan nicht miteinander klar kommen, aber wir tun es einfach nicht."
Liv fasste mir an den Arm und drehte mich ein wenig zu ihr.
"Amy. Warum redest du nicht einfach mit Sebas? Ihr habt so eine tolle Freundschaft, warum lässt du das einfach so hängen?"
Weil ich nicht unbedingt zugeben will, dass er die ganze Zeit Recht hatte und ich eine totale Bitch war.
"Weil er derjenige war, der Streit gesucht hat."
"Mein Gott, wie alt bist du denn?Fünf? Spielst du hier wirklich die 'er hat angefangen' Nummer? Okay, hör zu. Ich hab es auf dem Freundschafts- und Schwestern-Weg versucht, aber du scheinst nicht darauf anzuspringen, deswegen sage ich es mal deutlicher. Ich will nicht nur, dass du mich zum Altar bringst, ich möchte, dass Sebas und Du ein Duett zu Wills und meinem Kennenlernlied tanzt. Es würde mir sehr viel bedeuten und es wäre eine Art Hochzeitsgeschenk von Schwester zu Schwester."
Ich wusste genau, was sie da tat.
Sie redete mir ins Gewissen.
"Das eine Tutu von einem deiner Auftritte passt perfekt zu meinem Farbschema und es wäre so unglaublich toll, wenn"
"Du kannst aufhören, ich durchschaue deine Taktik."
Dummerweise klappte es.
Ich würde alles in meiner Macht stehende für meine Schwester tun, auch wenn das bedeutete, dass ich bei Sebas zu Kreuze kriechen musste.
Allerdings musste ich das Liv jetzt noch nicht erzählen.
"Ich weiß nicht, ob ich das tun kann Liv. Ich habe seit meinem Unfall nicht mehr vor anderen Leuten, außer dir, getanzt. Außerdem muss Sebas da auch mit machen und wir müssen uns eine Choreo überlegen. Das wird nicht leicht. Vor allem nicht, wenn Sebas nebenbei zur Akademie geht."
Liv nahm meine Hand in ihre.
"Bitte Amy, tu es für mich, für dich, für eure Freundschaft. Bitte reiß dich zusammen und ruf ihn an."
Ich zögerte noch einen Moment, dann nickte ich langsam.
Plötzlich wurde ich in eine Umarmung gezogen.
"Danke, danke, danke. Jetzt kann ich endlich an dem Ablaufplan arbeiten. Super, ich fahr dann mal zu Will."
Damit ließ sie mich los, stürmte zurück ins Haus und ich blieb einfach nur sprachlos und geschlagen zurück.
Sie konnte einen wahnsinnig machen. Vor allem wenn man bedachte, dass sie noch zehn Monate Zeit hatte.
Kopfschüttelnd setzte ich mich wieder richtig in meinen Stuhl und überlegte, wie ich das jetzt machen sollte.
Ich gab mir einen Ruck und rief Sebas an.
Mit leicht zittrigen Fingern hob ich das Handy an mein Ohr und lauschte dem regelmäßigenTuten.
Ich weiß nicht genau, worauf ich mehr hoffte, dass er abhob, oder das er nicht abhob.
"Hallo?"
Sebas Stimme erklang und ich hätte fast das Handy fallen lassen.
"Hi."
Ein überraschtes Geräusch erklang vom anderen Ende der Leitung.
"Amy? Ich... Du... Warum rufst du an?"
Er schien tatsächlich überhaupt nicht damit gerechnet zu haben, dass ich ihn anrufen würde.
Allerdings klang er distanziert und nicht unbedingt in der Laune um zu quatschen.
"Können wir reden?"
"Ich hab nur wenig Zeit, meine Eltern sind da, worum geht es?
Zwar klang er nicht begeistert, aber immer hin hatte er noch nicht aufgelegt.
Ich konnte mir angenehmeres vorstellen, dennoch schob ich Livs Hochzeit als Vorwand voraus.
"Liv hat mich gefragt, ob wir auf ihrer Hochzeit ein Duett tanzen können und ich dachte, ich ruf dich mal an und frag, ob du Interesse hast?"
Oh mein Gott, ich klang grauenhaft. Ich ballte meine eine Hand zu einer Faust.
Ich hasste mich momentan selbst dafür.
"Kann ich gerade leider nicht sagen, ich hab ziemlich viele Projekte von der Akademie aus und die Jahresprüfungen stehen an. Ich ruf dich wann anders mal an, okay?"
Damit legte er auf und meine Laune sank mit einem Mal weit unter null.
Ich war nicht sauer auf ihn.
Er hatte jedes Recht darauf, nicht mit mir reden zu wollen, immer hin hatte ich ihn gestern erst noch fast vollständig ignoriert.
Ich war sauer auf mich, denn ich hatte mich in diese Situation gebracht, die mich vielleicht meine Freundschaft zu Sebas kosten könnte.
Da Liv unterwegs war, war es im Haus noch stiller als davor.
Ich beschloss, ein wenig nach draußen zu gehen. Vielleicht konnte ich in den Park gehen und mich einfach irgendwo auf eine Wiese setzen.
Es war immer hin kein allzu langer Weg und ich wusste ziemlich genau, wo ich hin musste.
Ich nahm widerstrebend meinen Stock, schnappte mir meine Schlüssel und ging aus dem Haus.

Im Park war es laut, Kinder spielten, Erwachsene lachten und redeten und Hunde bellten den Eichhörnchen hinterher. Dennoch war es zur Abwechslung mal schön, aus dem Haus zu sein, andere Leute zu hören und ein wenig Leben zu erleben.
Ich setzte mich irgendwo etwas abseits auf eine Bank und zog meine Kopfhörer aus meiner Hosentasche.
Das erste Lied, dass mein Handy in der Zufallswiedergabe abspielte war Not afraid von Eminem und mir stiegen die Tränen in die Augen.
Es war so ein unglaublich schmerzhafter Zufall, dass ausgerechnet dieses Lied kam, dass all die Dinge der letzten Monate auf mich einprasselten.
Mein Streit mit Sebas, die Sache mit Eric, das fehlende Tanzen, mein Vater, all das kam wieder hoch und irgendwie konnte ich die Tränen und die Verzweiflung über diese ganze Situation nicht wirklich zurück halten.
So saß ich also weinend auf einer Parkbank, abseits von all den anderen Leute und hörte einen Song nach dem anderen an, ohne zu bemerken, wie die Zeit verging. Tatsächlich schaffte ich es sogar, nach Stunden des Weinens, kurz einzuschlafen.

Jedenfalls glaubte ich, dass es kurz war.
Vielleicht aber auch nicht, denn es war verdammt ruhig um mich herum und es war kalt geworden.
Ich hatte wirklich auf einer Parkbank geschlafen?
Laut meinem Handy sogar bis kurz nach zwei in der Nacht.
Wann war mein Leben denn so außer Kontrolle geraten?
Mir war kalt, um mich herum raschelten die Büsche und Bäume auf unheimliche Weise und wenn ich ehrlich war, hatte ich nicht wirklich eine Ahnung, wo ich im Park war.
Ich hatte keine verpassten Anrufe, warum auch, meine Mutter arbeitete die Nachtschicht im Krankenhaus und meine Schwester war bei Will. Außerdem würde keine der beiden denken, dass ich mich einfach so aufmache, um in den Park zu gehen, vor allem nicht, nachdem ich die letzten Wochen das Haus nur verlassen habe, wenn es absolut notwendig war.
Verzweiflung war kurz davor, mich zu übermannen, aber ich versuchte die Fassung zu behalten. Was würde es denn bringen, wenn ich jetzt auch noch komplett den Kopf verlor.
Ich tat also das einzige, woran ich gerade denken konnte.
Ich griff nach meinem Handy und wählte eine so bekannte Nummer.
Das Tuten schien so unnatürlich laut zu sein und ich zitterte vor Kälte.
Mir fiel fast das Handy aus der Hand, als jemand am anderen Ende abhob.
Eine Träne lief mir über das Gesicht.
"Sebas, ich brauche dich."

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt