70

144 6 0
                                    

"Also Miss Garib."
Dr. Ziekenhuis seufzte auf.
"Was haben Sie sich denn bei dieser ganzen Aktion gedacht?"
Ich presste die Lippen zusammen.
"Ich hatte Sie doch ausdrücklich davor gewarnt, Akohol in größeren Mengen zu konsumieren. Und Ihre Medikamente sind auch keine bunten Smarties, die Sie einfach so nehmen können, wie und wann Sie wollen."
Als er die Medikamente erwähnte stockte mir kurz der Atem.
Ich hatte sie am Morgen der Hochzeit nicht genommen.
Wie konnte mir das denn passieren?
"Ich...tut mir Leid."
"Miss Garib, Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen. Sie müssen sich bewusst werden, dass Sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Ihre Leber und Ihr Magen haben wirklich einiges an Schaden abbekommen und wir werden Ihre Wirkstoff Dosis erhöhen müssen, um zu garantieren, dass Ihr Gehirn keine später eintretenden Schäden erleidet."
Ich bedeckte mein Gesicht mit meinen Händen.
Das konnte doch nicht wahr sein.
"Miss Garib. Ich versuche es jetzt nochmal. Bitte verzichten Sie in Zukunft auf jeglichen Alkohol. Ihr Körper ist wirklich nicht in der Lage, damit umzugehen. Wenn Sie sich nicht qualvoll und langsam umbringen wollen, dann trinken Sie von jetzt an nicht mehr. Und nehmen Sie Ihre Medikamente."
Ich nickte nur wortlos.
Was sollte ich denn auch groß darauf antworten?
Widersprechen werde ich ihm bestimmt nicht.
Mein Arzt seufzte wieder leise auf und sagte dann: "Wir werden Sie für die nächsten Tage hier im Krankenhaus zur Beobachtung da behalten, um zu sehen, wie Sie auf die neuen Medikamente ansprechen. Die Beatmungsmaschine werden Sie auch nicht mehr brauchen, Ihre Lungenleistung war über Nacht nur beunruhigend schwach, das hat sich allerdings wieder gebessert."
Wieder nickte ich nur.
"Ich weiß, dass es schwer für Sie sein muss, immer hin scheinen Sie sich mittlerweile wieder wirklich im Leben gefunden zu haben, aber versuchen Sie, auf sich aufzupassen."
Ich hörte das Rücken des Stuhls und wie der Arzt davon ging.
"Soll ich Ihre Schwester wieder reinrufen?"
"Ja bitte."
Ich musste Liv davon überzeugen, dass sie mit Will in die Karibik fliegen sollte, da ich sowieso noch ein paar Tage hier im Krankenhaus sein würde.
Und ich brauchte mein Handy.

Ein paar Stunden später, ich hatte in der Zwischenzeit ein wenig geschlafen, saß meine Mutter neben mir und redete auf mich ein.
Ich hatte ihr gesagt, dass ich nicht unbedingt über meine Gesundheit reden wollte, sondern lieber abgelenkt wurde.
Was sie wirklich gut schaffte.
Sie erzählte mir von ihrer Arbeit, davon, dass sie Liv endlich an den Flughafen gebracht hatte und schließlich brachte sie mich für einen Moment durcheinander.
"Ich muss dir noch etwas anderes erzählen."sie hielt kurz inne. "Ich habe bei der Arbeit einen Mann kennengelernt."
Ich riss überrascht die Augen auf.
"Ach ja?"
"Ja. Er ist Assistenzarzt aus Oxford, der jetzt hier in London für eine Weile aushilft. Wir waren ein paar Mal zusammen im OP und er ist so charmant und gutaussehend. Seine Frau ist vor drei Jahren gestorben."
Ich lächelte, meine Mutter klang verträumt.
"Schwärmst du etwa einem Witwer hinterher, Mutter?"
"Entschuldige mal. Er ist auf mich zugekommen und hat mich zum Essen eingeladen."
Ich hob interressiert eine Augenbraue.
"Wann habt ihr denn euer Date?"
"Samstag."
Ich nickte langsam.
"Dann hoffe ich doch mal das beste."
Meine Mutter lachte.
"Was ist denn das beste? Dass ich ihn vergraule und er nichts mehr mit mir zu tun haben will oder dass wir vielleicht etwas ernsthaftes miteinander anfangen können?"
Ich schnaubte auf.
"Natürlich zweiteres. Es würde mich freuen, wenn du nach Dad mal wirklich einen anständigen Mann kennenlernen würdest."
Plötzlich klopfte es an der Tür.
"Ja?"
Die Tür ging auf und Schritte erklangen durch das Zimmer.
"Sebastian. Geht es dir gut? Du siehst furchbar aus."
Meine Mutter ließ meine Hand los und stand auf.
"Mary."
Es war einen Moment still. Ich wusste nicht, was die beiden machten, aber ich konnte Sebas kurz aufseufzen hören.
"Ich lass euch mal kurz allein."
Meine Mutter sprach leise zu Sebas.
Wieder erklangen Schritte, die Tür fiel ins Schloss und es war still in dem Zimmer.
Ich streckte die Hand nach Sebastian aus.
"Sebas, was ist los?"
Er nahm meine Hand in seine kalte Hand und ich schauderte kurz.
Ich spürte seine Lippen auf meinem Handrücken und verstärkte den Griff um seine Finger.
Sebas räusperte sich.
"Ich konnte das einfach nicht mehr mit ansehen."
Seine Stimme klang belegt und müde.
"Es war wie ein Deja Vu. Wie du da lagst, wie sie dich in den Krankenwagen getragen haben, ich hab das nicht ausgehalten."
Es war, als wäre er ganz tief in seinen Gedanken vergraben.
"Sebas, es tut mir so Leid. Ich hab das nicht gewollt..."
"Es ist nicht deine Schuld. Aber das alles nochmal mit anzusehen, nach dem du mir gesagt hast, dass du meine Freundin sein willst... Ich dachte, ich hätte dich schon wieder verloren. Und als der Arzt dann auch noch gesagt hat, dass es verdammt knapp war, dass du fast..." er schluckte. "dass du fast gestorben wärst..."
Sebas sprach nicht weiter, doch ich konnte förmlich spüren, wie er das Gesicht verzog.
Ich hob die Hand und tastete nach seiner Wange. Er legte das Gesicht in meine Hand.
"So schnell wirst du mich nicht los. Versprochen."
"Das sah gestern noch ganz anders aus."
Seine Stimme war tief traurig.
Ich seufzte leise und setzte mich richtig auf.
So richtig wusste ich nicht, was ich ihm sagen sollte.
"Glaub mir, ich geb mein bestes, ich hab nämlich keine Lust hier auf Dauer einzuziehen."
Sebas lachte schwach auf.
"Wie fühlst du dich jetzt?"
Er küsste die Innenseite meiner Handflächen und bewegte den Kopf beim Sprechen hin und her.
Ich lächelte bei dem leichten Kitzeln auf meiner Haut und strich ihm gedankenverloren über die Wange.
"Eigentlich ganz gut. Ein wenig benebelt von den Medikamenten, aber ansonsten normal. Sie behalten mich aber noch ein paar Tage hier, um zu schauen, wie sich alles entwickelt."
Sebas nickte langsam an meiner Hand.
"Das klingt doch soweit ganz gut. Ich hab mir wirklich solche Sorgen um dich gemacht, Amy."
Er küsste mich flüchtig auf die Stirn, aber ich legte meine Hand in seinen Nacken und behielt ihn nah an meinem Gesicht.
Ich küsste ihn einmal sanft auf die Lippen und sagte dann leise: "Ich weiß, aber wie gesagt. Du wirst mich jetzt nicht mehr los Sebas."

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt