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"Amy?"
Ich schreckte aus meinen Erinnerungen zurück.
Es fühlte sich immer noch so an, als wäre es gestern gewesen.
"Hey, nicht weinen. Du weißt doch genau, dass ich damit nicht umgehen kann."
Ich strich mir über das Gesicht und lächelte in Sebas Richtung.
"Alles gut. Keine Sorge."
Zwar konnte ich mir sein besorgtes Gesicht nur allzu gut vorstellen, doch im Moment lies Sebas es auf sich beruhen.
"Wir sollten los."
Ich nickte nur.
Auf in die Hölle.

Wir saßen gerade nebeneinander in Sebas' Auto, als mein Telefon klingelte.
"Ja?"
"Amy? Oh mein Gott, ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht."
"Mum? Es ist alles gut, ich bin bei Sebas. Wie eigentlich immer, wenn wir zusammen trainiert haben."
Also das war jetzt wirklich nichts neues für meine Mutter. Selbst noch vor meinem Unfall hatte ich oft bei Sebas übernachtet, nachdem wir getanzt hatten.
Ganz zu Joels Missfallen.
"Ja ich weiß, aber was ist, wenn es mal nicht so ist. Was wenn..."
"Mum, ich unterbreche dich jetzt einfach mal an dieser Stelle und sage es noch einmal. Ich bin bei Sebas, wir fahren gerade in die Schule. Bis heute Mittag Mum."
Ich seufzte.
Meine Mutter tat mir manchmal schon Leid, doch gleichzeitig hatte ich größten Respekt vor ihr.
Sie war schon beinahe so lange alleinerziehend, wie ich denken konnte, doch bis vor meinem Unfall hatte ich wenigsten ab und an Kontakt zu meinem Vater.
Jetzt war er noch überforderter als ich mit der Situation und wollte gar keinen Kontakt mehr zu uns.
Doch Mum stemmte alles.
Sie war immer für Liv und mich da und arbeitete trotzdem so viel es ihr möglich war, hauptsächlich Nachtschichten, schließlich konnte sie mich schlecht alleine im Haus herumwandern lassen.
Meine Mutter war so eine starke Frau, ich fragte mich immer, wie mein Vater überhaupt eine bessere Frau finden konnte.
Für mich war sie die allerbeste.

Eine Hand auf meinem Knie lenkte mich von meinen Gedanken ab.
"Heute bist du aber ganz schön weit weg. Willst du darüber reden?"
Sebas klang amüsiert.
"Nein, alles gut. Nur meine Mutter. Sie macht sich immer Sorgen um mich."
Der Wagen kam zum Stehen und ich vermutete, dass wir an der Schule angekommen waren.
"Sind wir da?"
"Ja. Komm ich helf dir beim Aussteigen."
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
"Hat Liv dir erzählt, dass ich in letzter Zeit mit dem Kopf durch den Türrahmen wollte?"
Sebas lachte auf.
"Ja, hat sie. Und ich muss zugeben, ich hätte es schon ganz gerne gesehen."
Kopfschüttelnd ging ich neben Sebas auf das Schulgebäude zu und bereitete mich auf einen weiteren Tag in der Hölle vor.

"Miss Garib, ich soll Sie darüber informieren, dass Sie morgen früh vor der ersten Stunde im Büro des Direktors erwartet werden."
Ich war erstaunt über diese Nachricht, nickte meiner Lehrerin aber zu, als ich das Klassenzimmer verließ.
Es war endlich Unterrichtsschluss und ich freute mich auf die kommenden zwei Stunden Tanzunterricht.
Sebas holte mich wie immer am Klassenzimmer ab, doch dieses Mal ging ich ohne seinen Arm.
Ich wollte endlich selbstständig unterwegs sein.
Auch wenn es bedeutete, den Stock zu benutzen.
"Ich soll morgen früh zum Direktor."
Sebas neben mir lachte.
"Hast du etwa irgendwelchen Unsinn angestellt? Was ist es? Grafitis? Eingeschlagene Scheiben?"
Ich seufzte amüsiert, Sebas schaffte es tatsächlich, solch eine Nachricht noch lustig zu machen.
"Ich weiß es nicht, aber es war garantiert kein Grafiti."
Wir lachten beide, doch tief in meinen Gedanken machte ich mir Sorgen.
Was konnte nur der Grund dafür sein, dass ich zum Direktor sollte.

Die Zeit bis zum nächsten Morgen zog nur so an mir vorbei.
Ich war nervös, ich wollte wissen, warum ich zum Direktor musste.
Das war mir noch nie passiert.
Jedenfalls nicht so, dass mich ein Lehrer darauf hinweisen musste.
Ich lag im Bett, es war bereits Mitternacht, als mein Handy klingelte.
Glücklicherweise tat ich es zum Schlafengehen immer an die gleiche Stelle, so dass ich nur kurz danach tasten musste, anstatt es wirklich suchen zu müssen.
"Ja?"
Wer auch immer auf die schlaue Idee kam, mich jetzt anzurufen, hatte besser einen guten Grund.
"Hey."
Ich runzelte die Stirn.
"Sebas? Warum rufst du an?"
"Einfach nur so."
Ich konnte es nicht glauben, er rief ohne Grund um Mitternacht bei mir an. Hatte der Junge denn nichts besseres zu tun?
"Sebas, ernsthaft?"
Er seufzte.
"Okay, erwischt. Ich dachte, ich ruf dich mal an um sicher zu gehen, dass du dir wegen Morgen nicht allzu viele Sorgen machst."
Ach, er war einfach zu goldig.
"Alles ist gut. Ich muss mich einfach überraschen lassen. Mehr bleibt mir so wieso nicht übrig."
"Das ist gut." er machte eine kurze Pause. "Kannst du mich dann jetzt reinlassen? Ich komme mir vor der Tür so komisch vor."
"Ach wirklich? Du kommst dir komisch vor, wenn du um Mitternacht vor meinem Haus stehst?"
Ich konnte mein Lachen kaum unterdrücken.
"Ja. Komm schon Amy."
Er war einfach unglaublich. Ich hatte einen tollen besten Freund.
Leise kichernd stand ich vorsichtig aus dem Bett auf und tastete mir meinen Weg durch den Flur.
"Also gut, warte kurz. "
"Ich hatte eigentlich nicht viel anderes vor."
Leise schlich ich zur Haustür und machte sie so vorsichtig wie möglich auf. Ich wollte weder Liv noch meine Mutter wecken.
Sebas kam an mir vorbei in den Hausflur und umarmte mich dann kurz.
"Ich hatte eigentlich nicht gedacht, dass du wirklich hier bist."
Flüsternd schob ich ihn weiter ins Haus in Richtung meines Zimmers.
"Jetzt lüg doch nicht. Du hast doch bestimmt die ganze Zeit gedacht, was für ein toller Kumpel ich doch bin."
Ich spürte wie ich rot wurde und hoffte, dass das Licht immer noch aus war.
Er hatte natürlich Recht und als er das so sagte musste ich irgendwie wieder an Livs Worte denken.
"Kann ich eigentlich das Licht anmachen? Ich seh überhaupt nichts."
Ich lachte leise auf und tastete dann nach dem Schalter meiner Nachttischlampe.
"Besser?"
"Ja."
Wir flüsterten immer noch und irgendwie machte es die Atmosphäre noch angenehmer und ruhiger.
"Und was hast du jetzt vor?"
Ich setzte mich wieder auf mein Bett und zog die Knie ein die Brust. Sebas setzte sich neben mich, die Matratze senkte sich leicht ab und ich hörte ihn seufzen.
"So weit habe ich nicht gedacht, eigentlich wollte ich nur vorbei kommen und dir ausreden, dir wegen morgen Sorgen zu machen."
"Alles klar, ich mach mir keine Sorgen, du kannst wieder gehen."
Die Matratze bewegte sich wieder und ich hörte, wie die Tür auf- und zuging.
"Sebas?"
Ich flüsterte immernoch, doch ich bekam keine Antwort.
"Sebas!"

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt