13

238 14 0
                                    

Zwei Tage lang sprach ich nicht mit Sebas
Ich reagierte nicht auf seine Nachrichten, nicht auf seine Anrufe und wenn er an der Tür auftauchte, dann erzählten Liv oder meine Mum ihm, dass es mir nicht gut ging.
Und das tat es auch nicht.
Ich vermisste Sebas, ich vermisste meinen besten Freund.
Es fühlte sich an, als hätten wir Monate nicht miteinander geredet.
Aber ich musste mir zuerst über mein weiteres Handeln klar werden.
Sollte ich das Tanzen tatsächlich aufgeben?
Würde ich einknicken?
Irgendwann kam ich wieder ein wenig auf die Füße. Ich schrieb Sebas, dass es mir so langsam wieder besser ging und dass ich bald wieder mit ihm trainieren würde.
Sofort klingelte wieder mein Handy, seufzend nahm ich ab.
"Amy, verdammt, was ist mit dir los? Warum meldest du dich nicht? Warum warst du nicht in der Schule? Deine Mum hat mir gesagt, dass ich nicht zu dir kann, weil es dir schlecht ging. Muss ja wirklich übel gewesen sein, wenn ich dich nicht mal besuchen kann."
Ich lächelte trotz meiner schlechten Laune leicht.
Das war mein Sebas.
"Sebas, so schlimm war es nicht, ich..."
Ich wusste nicht, wie genau ich ihm das sagen sollte.
"Amy, deine Mutter hat mich nicht zu dir gelassen. Es muss was Schlimmes gewesen sein."
"Ich hatte ihr gesagt, dass ich nicht mit dir reden will."
Am anderen Ende der Leitung war es still.
"Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte und da fand ich es besser, gar nicht mit dir zu reden. Irgendwie musste ich zuerst meinen Kopf frei kriegen."
Es war noch einen Moment, dann sagte Sebas trocken: "Du bist schwanger."
Ich bekam solch einen Schreck, dass ich beinahe mein Handy fallen ließ.
"Was?! Nein! Überhaupt nicht."
Ich musste tatsächlich lachen.
Wenn ich so über das nachdachte, was ich so alles gesagt hatte, war diese Vermutung gar nicht mal so falsch, aber Sebas wusste, dass ich keinen Freund oder ähnliches in meinem Leben hatte, wie also sollte ich schwanger geworden sein?
"Achso. Hatte sich so angehört."
Sebas klang erleichtert und amüsiert, wurde aber schnell wieder ernst.
"Was ist es dann?"
Auch ich wurde wieder still.
Ein Schauer überzog mich, doch mir war klar, dass es keine "richtigen" Worte in dieser Situation gab.
"Sie haben mich von der Schule geworfen."
Von Sebas kam keine Antwort, ich wartete.
"WAS?"
Ich hielt mein Handy ein wenig von meinem Ohr weg und wartete, bis der Wutausbruch ein wenig abgeebt hatte.
"Wie zum Teufel kommen die darauf, dich von der Schule zu werfen? Deine Noten sind doch super und deine Technik verbessert sich von Tag zu Tag."
Ich schnaubte kurz auf.
"Ich habe seit meinem Unfall nur am Barré in der letzten Reihe getanzt, ich denke nicht, das irgendjemand an dieser Schule weiß, dass ich tanzen kann. Deswegen bekomme ich kein Stipendium mehr und deswegen kann ich die Schule nicht mehr weiter besuchen."
"Das können die nicht machen."
Sebas begann erneut, sich aufzuregen.
"Sie können dich doch nicht wegen dem Unfall rauswerfen."
"Das tun sie auch nicht. Direktor Palmer hat das ziemlich schlau angestellt. Sie werfen mich von der Schule, weil ich nicht mehr an den Vortanzen teilnehme, das ist was anderes."
"Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass du wieder teilnehmen kannst."
Sebas klang verdammt euphorisch.
"Beim nächsten wichtingen Vortanzen vor Publikum schreibe ich mich für ein Duett ein. Es haben schon häufiger mal Leute von außerhalb bei den Wettbewerben teilgenommen, da sollte es für mich kein Problem sein, jemanden von "außerhalb" mitzubringen. Wenn sie sehen, dass ich dich eingetragen habe, was wollen sie da dann machen? Du gehst ja nicht mehr auf die Schule. Wir haben sogar schon eine fast fertige Choreografie, die müssen wir halt eben perfektionieren."
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das klappte.
"Sebas, bitte. Vielleicht ist das einfach das Zeichen, dass ich das Tanzen lassen sollte. Anstatt mich die ganze Zeit mitzuschleppen solltest du vielleicht nach einer anderen Partnerin suchen."
Er schnaubte entsetzt auf.
"Ok, das reicht. Ich komme vorbei und wir klären die Sache. Sowas beredet man nicht über das Telefon."
Bevor ich auch nur widersprechen konnte hatte er aufgelegt.
Na das würde ja was werden.
Wie versprochen stand Sebas wenig später vor meiner Haustür.
Ich hatte gerade die Tür geöffnet, um ihn zu begrüßen, da brach der Sturm nur so über mir zusammen.
"Was denkst du dir eigentlich? Das Tanzen aufgeben? Geht's noch? Amy, verdammt nochmal, jetzt reiß dich endlich mal zusammen. Ja, du hattest den Unfall und ja es ist beschissen, was daraus geworden ist, doch das ist jetzt schon über ein Jahr her. Wann bekommst du dein Leben endlich wieder in den Griff und hörst auf, dich selbst zu bemittleiden? Du musst für dich selbst einstehen, du musst an dich glauben. Was andere von dir denken ist doch völlig egal, aber du musst dir selbst wieder vertrauen. Du kannst nicht ewig so weitermachen."
Ich schluckte bei Sebas deutlichen Worten und machte einen Schritt zurück. Er war nicht laut geworden, er klang noch nicht einmal wirklich wütend, sondern einfach nur frustriert und enttäuscht. Was wahrscheinlich noch schlimmer war, als ein Wutausbruch.
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Das schlimme war, das er Recht hatte. Ich badete zu oft in Selbstmittleid, ich vergrub mich in meinen Zweifeln und akzeptierte jede Art der Abweisung von anderen, weil ich sie als selbstverständlich ansah.
Doch momentan wusste ich einfach nicht, was ich dagegen machen sollte.
Sebas griff nach meiner Hand.
"Ich weiß, es ist schwer für dich, aber es ist auch schwer für die Leute um dich herum." er machte eine kurze Pause. "Du hast ja keine Ahnung, was ich mir für Vorwürfe mache. Ich wollte auf diese Party gehen, ich hab kein Auge auf dich gehalten, ich habe dich am nächsten Morgen zum Training geschleppt und mit dir gestritten. Es ist meine Schuld, dass du blind bist. Damit muss ich jetzt leben. Aber ich muss nicht damit leben, dass du dich Tag für Tag tiefer in deinem Loch vergräbst und nach und nach deinen tollen Charakter verlierst. Denn das würde sich noch viel schlimmer anfühlen. Zu wissen, dass ich mit meinem Verhalten auch noch dein Leben zerstört habe."
Eine Träne lief mir über das Gesicht. Wie konnte Sebas nur so etwas von sich denken? Er durfte sich keine Schuld zuschreiben.
"Ich, ich wusste nicht, dass du so darüber denkst. Das ist nicht deine Schuld. Nichts davon. Ich war zu blöd um auf mich aufzupassen, ich hätte wissen müssen, dass es keine gute Idee ist eine Flasche Selbstgebrannten zu trinken. Bitte denk' nie wieder, dass du dich deswegen in irgendeiner Art verantwortlich fühlen musst. Bitte Sebas."



AN: Ich weiß, es ist schon eine Weile her, dass etwas neues kam, aber ich schreibe momentan Abitur und da ist mein Kopf definitiv bei anderen Dingen. Dennoch habe ich jeden Tag ein wenig weiter geschrieben und jetzt auch ein weiteres Kapitel hochgeladen. Ich hoffe, es gefällt euch.

Xo Lena

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt