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"Amy, was ist los?"
Er klang ein wenig verschlafen, doch wärmer und besorgter, als das letzte Mal.
"Sebas, bitte. Ich sitze hier im Park, es ist unheimlich und ich weiß nicht wohin, bitte, kannst du mich abholen kommen."
Plötzlich fing ich doch wieder an zu weinen. Er hatte den Anruf entgegen genommen, noch nicht aufgelegt und klang nicht so kalt wie zuvor und irgendwie brachte das das Fass zumüberlaufen.
"Was? Wieso bist du denn im Park?"
Ich hörte Rascheln und jemand bewegte sich.
"Ich musste einfach ein wenig raus und alle sind unterwegs, deswegen bin ich alleine gegangen, nur zu dem Park in der Nachbarschaft, aber ich bin eingeschlafen und."
Ein Piepsen erklang, dann das typische Geräusch meines Handys, wenn es sich ausschaltete.
"Verdammt, nein, nein, nein!"
Ich versuchte, es wieder anzuschalten, doch der Akku war leer.
Was war das nur für ein Tag?
Ich konnte ein Schluchzen nicht mehr zurück halten.
Wie kam ich immer nur in solche Situationen?

Ich weiß nicht, wie lange ich genau hier saß, doch irgendwann hörte ich Schritte.
Schnelle Schritte.
Wer war um diese Uhrzeit noch im Park unterwegs?
Ich versteifte mich, als die Schritte näher kamen.
Was sollte ich denn jetzt machen?
Weglaufen war ja wohl kaum eine Option. Ich würde wahrscheinlich schneller gegen einen Baum laufen, als ich auf drei zählen konnte.
Gerade dachte ich darüber nach, die Person um Hilfe zu bitten, als eine mir bekannte Stimme erklang.
"Amy? Bist du das?"
Es war Sebastian.
Ich stand von der Bank auf und wenig später hatte er mich in den Arm genommen.
"Danke."
Mehr sagte ich nicht, ich ließ mich einfach nur von ihm umarmen und aufwärmen und schluchzte beinahe hemmungslos an seine Brust.
Ich vermisste ihn. Ich vermisste meinen besten Freund so sehr und es tat fast weh, jetzt von ihm umarmt zu werden.
Aber mir war gerade so egal, ob ich eigentlich sauer auf ihn sein sollte, oder ob er sauer auf mich sein sollte, denn er war hier. Er war losgegangen, um mich zu suchen und das um zwei Uhr morgens.
"Komm. Ich bring dich heim."
Ich nickte nur, tastete nach meinem Stock auf der Bank und nahm dann Sebas' Arm.
Er brachte mich zu seinem Auto und ich ließ mich erleichtert in den Sitz fallen.
Obwohl es mitten im Sommer war, waren die Nächte ziemlich kalt, weshalb Sebas die Heizung hochdrehte und ich mir zitternd die Hände rieb.
Es war ein unsicheres Schweigen zwischen uns, wir wussten beide offensichtlich nicht so genau, was wir sagen sollten.
Ich war nicht weit von zuhause weg gewesen, weshalb die Fahrt mit dem Auto nur wenige Minuten dauerte.
Sebas hielt an und stieg aus. Er hatte die ganze Zeit nichts gesagt und ich machte mir ein wenig Gedanken deswegen. Ich stieg ebenfalls aus und ging mit ihm zusammen zur Eingangstür.
"Kommst du noch mit rein?"
Ich kaute nervös auf meiner Lippe herum und hielt den Kopf gesenkt, während ich den Schlüssel ins Schloss steckte.
"Nein, sorry. Ich muss morgen früh raus."
Morgen war Montag, was bedeutete, dass er Unterricht hatte, aber das hatte ihn früher nicht unbedingt abgehalten, wenn wir eine Filmnacht gemacht hatten.
"Okay. Danke, dass du mich heim gebracht hast."
Es war mir plötzlich peinlich, dass er mich mitten in der Nacht aus dem Park abholen musste, nur weil ich ihn angerufen hatte.
"Amy."
Ich drehte mich zu ihm um.
"Ich bin froh, dass es dir gut geht. Ich hab mir Sorgen gemacht."
Oh, wenn du wüsstest.
Dennoch nickte ich.
"Danke nochmal. Und tut mir wirklich Leid, dass ich dir solche Umstände gemacht habe. Ich hätte dich nicht anrufen sollen."
Damit ging ich ins Haus. Langsam ließ ich mich gegen die Tür sinken.
Was war nur los mit meinem Leben?

In den letzten Tagen hatte sich mein mentaler Zustand wieder verschlechtert.
Ich kam kaum aus meinem Zimmer heraus, verbrachte die meiste Zeit damit, auf dem Bett zuliegen und Musik zu hören.
Meine Mutter und meine Schwester machten sich unglaublich Sorgen, doch ich konnte momentan einfach nicht anders, als mich einzuigeln und niemanden an mich ranzulassen.
Nach einer Woche reichte es meiner Schwester allerdings.
"Amy, komm raus aus deinem Zimmer. Du hast dich lang genug da drinne aufgehalten."
Ich reagierte nicht sofort.
Ich wollte nicht mit ihr reden, ich wollte nicht, dass sie sieht, wie mitgenommen ich tatsächlich war.
"Amy!"
Liv öffnete die Tür und stürmte förmlich in mein Zimmer, bevor sie sich neben mich auf mein Bett warf. Wobei sie sich eher auf mich warf.
Ich war völlig überrumpelt und stieß einen kleinen Schrei aus, als meine Schwester halb auf mir landete.
"Tja, das hast du wohl nicht kommen sehen."
Liv lachte über ihren eigenen Schwerz, aber ich konnte der Situation nichts witziges abgewinnen.
"Liv, was willst du?"
"Ich hab Sebas angerufen. Du gehst jetzt duschen, ziehst dich an und dann gehen wir eure Pläne für die Hochzeit durch."
Mir fehlten die Worte und ich rang ein wenig nach Luft.
"Erstens ist deine Hochzeit immer noch in zehn Monaten und nicht in zehn Tagen und zweitens, weiß ich nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber Sebas und ich sind immer noch nicht wirklich auf einen Nenner gekommen."
"Doch, das ist mir aufgefallen. Deshalb hab ich die Sache ja auch selbst in die Hand genommen. Wie gesagt. Mach dich fertig, in einer Stunde fängt die Probe an."
Ohne ein weiteres Wort ging meine Schwester davon und als ich nach ihr rief bekam ich keine Reaktion.
Olivia Garib gab mir einfach keine andere Wahl, denn sie wusste, dass ich es nicht riskieren würde, sie zum Feind zu haben.
Also schälte ich mich gezwungenermaßen aus dem Bett und machte mich langsam auf den Weg ins Badezimmer.
Wenn ich ehrlich war, tat mir die Dusche sehr gut. Seit meinem Ausflug in den Park hatte ich weder geduscht, noch vernünftig gegessen, was mich allerdings nicht wirklich gestört hat.
Mir war allerdings schon klar, dass Sebas mein Gewicht sofort auffallen würde und ich mir, wenn wir denn wieder miteinander redeten, erstmal eine Standpauke anhören konnte.
Seufzend stellte ich das Wasser ab.

Dieser Tag konnte nur interessant werden.

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt