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Olivia stoppte und schaltete den Motor ab.
Ich hörte das vertraute Klicken der Autotür und tastete ebenfalls nach dem Griff der Tür.
Wie schon eben auf dem Schulhof half Olivia mir aus dem Auto, doch ich lies es ohne Kommentar geschehen.
„Also, soll ich dich nachher zu Sebastian fahren? Oder willst du das Mum das macht?"
Ich grinste.
„Wenn du schon mal frei hast, muss ich das ja ausnutzen."
Mir kam ein Gedanke, als sie kichernd, mit mir am Arm, in Richtung Haustür ging.
„Bleibst du, um meine Choreo anzuschauen?"
Das Klimpern ihrer Schlüssel erklang.
„Ein bisschen kann ich bleiben, ja. Aber ich muss noch einkaufen gehen und ein paar Sachen erledigen."
Ich nickte nur und spürte, wie ich von Olivia nach drinnen geführt wurde.
Im Haus roch es herrlich nach Keksen und ich folgte dem Geruch in die Küche.
Glücklicherweise kannte ich den Weg blind und konnte deshalb ohne Stock und ohne Hilfe zu meiner Mutter gehen.
Vorsichtig tastete ich nach der Ecke der Küchentheke und hielt mich daran fest.
Ich wollte nicht riskieren in meine Mutter rein zulaufen und Chaos, in welcher Art auch immer, zu verursachen.
Ein leises Scheppern erklang von der Richtung, in der ich das Spülbecken vermutete und ich wusste, dass meine Mutter im Haus war.
„Hey Mum."
Sie schnappte nach Luft.
„Gott, Amy."
Ich konnte mir vorstellen, wie sie am Spülbecken stand, die Hände voll Schaum und mit einem erschrockenen Ausdruck im Gesicht.
Kichernd lehnte ich mich an die Theke und wandte mich in ihre Richtung.
„Sorry."
Sie lachte ebenfalls leise.
„Hier probier mal."
Ich streckte die Hand nach dem aus, was meine Mum mir geben wollte.
Als sie mir etwas warmes in die Hand legte wusste ich sofort, dass sie mich von ihren frischgebackenen Keksen probieren lassen wollte.
Die Kekse schmeckten toll, genau wie früher und ich musste mich zurückhalten, nicht noch mehr zu essen.
Wenn ich allen beweisen wollte, dass ich noch genauso gut tanzen konnte wie vor dieser ganzen Sache, durfte ich jetzt nicht auch noch fett werden.
Olivia kam ebenfalls in die Küche und lies sich von Mum Kekse geben, die sie lautstark knuspernd neben mir aß.
Manchmal war es wirklich anstrengend, dass ich vieles lauter hörte als andere Menschen.
Ein Phänomen, dass mit meiner Blindheit zusammenhängt.
Verliert man einen Sinn, verstärken sich die anderen.
Ich seufzte kurz, zog mein Handy aus der Hosentasche und lies mir die Uhrzeit sagen.
Es war noch genug Zeit, bis ich zu Sebastian gehen wollte, weshalb ich beschloss, mich an meine Hausaufgaben zu setzen.
Und wenn Olivia schon mal da war, könnte ich Mum etwas entlasten und Olivia fragen, ob sie mir hilft.
„Liv, hilfst du mir mit den Hausaufgaben?"
Falls ihr euch jetzt fragt, wie und wieso ein blindes Mädchen Hausaufgaben machen sollte, dann kann ich nur sagen, dass Blindheit kein Bonus, sondern eine Erschwerung ist.
Immerhin hatte ich mich mit meinen Lehrern darauf einigen können, dass ich schon um ein Uhr mittags heim konnte und nicht bis Abends in den Clubs bleiben musste, zu mal ich da sowieso nicht viel machen konnte.
An den normalen Unterrichtsstunden nahm ich genauso teil, allerdings hatte ich sowohl die Erlaubnis, mir das Gerede der Lehrer entweder aufzunehmen als auch die Möglichkeit, mir von ihnen allenden Stoff per Email zuschicken zu lassen.
Das arbeitete ich dann zuhause nach, lies es mir vom Computer oder von irgendwem, der gerade zuhause war, vorlesen.
Ich hörte Olivia auf mich zukommen und ging ihr voran in mein Zimmer.
Liv und ich hatten mittlerweile eine richtige Routine, was das Lernen anging. Sie nahm mein Handy und las die Emails vor, während ich am Computer Texte dazu verfasste und die Aufgaben bearbeitete. Was ich mir am Ende natürlich kontrollieren lies, schließlich wollte ich keine Fehler in den Aufgaben haben.
Dieses System funktionierte mittlerweile einwandfrei und ich war froh, dass die Lehrer meine Hausaufgaben per Mail akzeptierten, alles andere wäre definitiv in die Hose gegangen. Denn auf Papier zu schreiben war immer noch eine große Herausforderung für mich. Oder für den, der es nachher lesen sollte.
Klassenarbeiten durfte ich in Form von mündlichen Abfragen absolvieren, aus oben genannten Gründen und es erwies sich als gute Methode, trotz meiner Blindheit noch gute Noten zu „schreiben".
Ich saß jetzt also hier auf meinem Bett, den Laptop auf dem Schoß und schrieb an einem Aufsatz über diebritische Monarchie seit dem 18. Jahrhundert.
Liv half mir hin und wieder, stellte mir die Fragen des Lehrers erneut und korrigierte Rechtschreibfehler.
Nach gut eineinhalb Stunden war ich fertig mit den Aufgaben des heutigen Tages und Liv ging in die Küche um Mum zu helfen.
Seufzend stellte ich mir einen Wecker und schaltete dann meine Musikanlage ein.
Mit geschlossenen Augen lag ich auf dem Bett, genoss die Musik und stellte mir die Schrittfolgen vor, die ich auf die Lieder tanzen würde.
Schließlich schlief ich ein.

Ein Summen neben meinem Ohr und ein Klingeln ließen mich aus dem Schlaf hochfahren.
Ich erhob mich langsam aus meinem Bett und machte mich auf den Weg zu meinem Kleiderschrank.
Gähnend zog ich meine Trainigskleidung, bestehend aus Leggings und Trikot aus dem Schrank und rief Liv kurz zu mir.
„Ja?"
„Passen die zwei zusammen?"
Ich hielt ihr die zwei Teile hin.
„Aquamarinfarbenes Trikot zu pinker Leggings?"
Sie schien sich ein Lachen zu verkneifen. „Gewagte Mischung."
Ich verdrehte die Augen.
„Kannst du mir bitte eine weiße Leggings aus dem Schrank holen?"
Sie kicherte.
„Klar. Und ich nehme an, dass du dann jetzt demnächst gehen willst?"
Nickend schlüpfte ich in die Klamotten und wühlte in einer Schublade nach Schläppchen und einem Paar Spitzenschuhen.
Meine Mutter hatte mir die Paare freundlicherweise immer zusammengebunden, sodass ich nicht so lange nach zwei gleichen suchen musste.
Ich tastete das Paar Schuhe kurz ab, die Sohle war angeritzt, die Spitze weich und der Schuhfühlte sich eingetanzt an.
Meine Sporttasche stand neben meinem Schrank und ich warf die Schuhe zusammen mit einer Flasche Wasser, meinem Handy und einem Handtuch hinein.
Olivia wartete bereits an der Tür und hielt mir meinen Stock hin.
Ich schlüpfte schnell in ein Paar Schuhe und nahm den Stock dann murrend entgegen.
Wie ich dieses Ding hasste.

AN: ein bisschen spät, aber immerhin noch heute :)
Ich hoffe, es gefällt euch.
Lasst mir gerne Kommentare oder Votes da 🌟☆
Xo Lena

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt