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Warum schreibt mir nicht einfach jemand fett BLIND auf die Stirn?
Aber ohne ihn war ich, zumindest außerhalb unseres Hauses und ohne Begleitung, ziemlich hilflos, von daher musste ich mich wohl damit rumschlagen.
Die Fahrt zu Sebastians Tanzstudio verlief stiller als eben und ich hing meinen Gedanken ein wenig nach, als leise Musik aus dem Radio kam.
Das Auto hielt und ich hörte, wie Olivia sich abschnallte.
„Also ich kann auf jeden Fall ein bisschen bleiben und die neue Choreo anschauen. Ich muss ja schließlich sehen, was du vortanzen willst."
Ich überging einfach die Tatsache, dass sie so tat, als wäre es schon sicher, dass ich vortanzen wieder und grinste sie an.
„Ok. Danke."
Sie lachte.
„Das ist doch selbstverständlich, ich will dich doch unterstützen."
Ich zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, ob es das ist."
Ich konnte mir vorstellen, wie Liv mich gerade ansah.
„Wieso denkst du das denn jetzt schon wieder?"
„Naja, wenn es selbstverständlich wäre, würden es vielleicht mehr Leute machen. Mich unterstützen meine ich. Aber es gibt nicht viele."
Sie seufzte. „Ach Amy. Mum steht doch total hinter dir, Sebastian sowieso und ich doch auch."
Eine einzelne Träne lief langsam mein Gesicht hinunter.
„Was ist mit Dad? Oder meinen Freunden?"
Ich schluchzte einmal kurz auf, es tat so weh, es zerriss mich immer wieder innerlich, immer und immer wieder wurde mir vor Augen geführt, wie wenig Leute an mich glauben.
„Ach Amy, jetzt wein nicht schon wieder, bitte."
Sie holte zittrig Luft, offensichtlich war sie auch kurz davor zu weinen.
Aber ich konnte nicht aufhören zu weinen.
Einerseits war ich so zerrissen und enttäuscht von all den Leuten, von denen ich dachte, ich würde ihnen etwas bedeuten und auf der anderen Seite war ich Liv so dankbar, dass sie sich nicht abgewendet hatte und immer noch an mich glaubt.
Sie war einfach die beste Schwester, die man haben konnte.
Und das sagte ich ihr auch genau so.
Sie lachte leise, unter Tränen.
„Für dich doch immer, kleine Schwester."
Dann bekam ich plötzlich einen Schlag auf den Oberschenkel.
„Jetzt reißen wir beide uns zusammen und gehen rein. Okay? Ich bleibe einfach länger und gehe danach erst einkaufen. Wiliam kann auch mal ein bisschen ohne mich auskommen."
Ich musste jetzt tatsächlich grinsen.
„Wirklich? Kommt er das?"
Olivia kicherte ebenfalls, wenn auch noch mit belegter Stimme.
„Wahrscheinlich nicht, aber da muss er jetzt durch."
Meine Schwester stieg aus dem Auto aus und kam auf meine Seite.
Wir stiegen aus und gingen durch die Türen in Sebastians Studio.
Der vertraute Geruch von Bodenputzmitteln und Gummimatten schlug mir entgegen und zog meine Tasche mehr über die Schulter.
Auch wenn es jetzt vielleicht den Anschein hatte, als wäre unsere kleine Emotionalität wieder vergessen, quälten mich die Gedanken weiterhin, wie auch schon davor.
Doch das musste Olivia nicht wissen.
Zwei Arme schlangen sich stürmisch um mich und ich lachte, als ich Sebastians vertrauten Geruch einatmete.
„Hey."
Ich drückte ihn fest an mich.
Es dauerte einige Augenblicke, bis wir uns wieder von einander lösten.
Sebas, wie ich ihn nannte, seit wir uns kannten, was schon eine ganz schön lange Zeit ist, ging einige Schritte von mir weg und begrüßte meine große Schwester.
„Amy hat mir gesagt, ich solle heute mal zuschauen. Geht das auch für dich in Ordnung?"
Mein bester Freund lachte.
„Klar. Wenn wir es aufführen, werden sowieso alle zuschauen."
Ich grinste und ging ein paar Schritte vorwärts in Richtung der Wand, an der ich immer meine Tasche abstellte.
„Warte, ich helf' dir."
Seufzend tastete ich nach einem Stuhl und setzte mich hin.
Die Schritte kamen näher und ich wusste sofort, wem sie gehörten.
„Sebas. Ich bekomm' das schon alleine hin."
Ich wusste, er zog gerade die Augenbraue hoch und musterte mich skeptisch.
Das machte er immer, wenn er anderer Meinung war, aber erst einmal abwarten wollte, was passierte.
Doch er sollte mittlerweile wissen, dass ich nicht mehr so unbeholfen war, wie es am Anfang der Fall gewesen war.
Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken an die ersten Wochen der Dunkelheit zu verscheuchen.
Langsam begann ich mich aufzuwärmen, lockerte jeden Muskel und hörte, wie Sebas und Liv sich leise unterhielten.
Ich widerstand dem Drang zu lauschen und machte stattdessen ein paar einfache Grundschritte, um reinzukommen.
Vor allem mein Rücken und meine Schultern waren sehr verspannt und ich machte mich daran, auch diese Teile meines Körpers bereit zu machen.
„Sebas? Bist du soweit?"
Liv lachte.
„Entschuldige, ich wollte niemanden abhalten."
Ich lachte ebenfalls.
„Kein Problem, jetzt brauche ich ihn aber wieder."
Sebas nahm meine Hand und führte mich auf meinen Startpunkt, den wir auf den Boden geklebt hatten um mir das Tanzen zu erleichtern. Denn sobald ich wusste, wo ich war, konnte ich meine Schritte einfach machen, aber wenn ich jedes Mal von wo anders starten würde, dann gäbe das ein reinstes Chaos.
„Ich fange jetzt erst einmal mit meinem Solo an und dann steigt Sebas ein. Es ist noch nicht perfekt, aber wir haben ja noch einen Monat."
Die klassische Musik erklang und ich begann mit meinen ersten Schritten.
Ich folgte der Choreografie, die klar in meinem Kopf verankert war und hoffte bei jedem Schritt, dass er auf die Musik passte.
Es war schön zu tanzen, doch ich spürte es in meinem Herzen, dass es nicht das selbe war wie früher.
Sebas stieg mit ein und ich spürte, dass ich mich ein wenig mehr löste, er half mir, mich fallen zu lassen und führte mich, so dass ich den Kopf ein wenig mehr ausschalten konnte.
Nach dem letzten Grand jeté blieb ich einfach auf der Stelle stehen, bis Sebas die Musik ausschaltete und ich wandte mich erwartungsvoll an Liv.
„Technisch wirklich super, große Klasse, du hast dich sehr verbessert, seit ich das letzte Mal dabei war. Aber was den Ausdruck angeht, fehlt mir ein bisschen was."
Sie seufzte.
„Amy, du hast einfach nicht mehr das selbe Feuer wie früher und das sieht man. Du kannst tanzen, keine Frage, aber du siehst nicht so aus, als hättest du Spaß dabei? "
Und wieder einmal sprach sie mir direkt von der Seele.

AN: Ich hoffe, es hat euch gefallen, lasst doch ein Vote da.
Xo Lena
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Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt