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Ich wusste nicht genau, was mich so aus der Fassung brachte. Vielleicht war es die Tatsache, dass mein Vater so ein rücksichtsloser Mensch war, vielleicht war es wegen der Dinge, die Sylvia gesagt hatte oder einfach nur mal wieder meine Gesamtsituation, die mir in solchen Moment nur zu deutlich klar wurde.
Zittrig versuchte ich, mich zu beruhigen und wieder halbwegs meine Fassung zurück zu gewinnen. Ich wollte nicht, dass irgendwer bemerkte, dass mich das so mitnahm. Vor allem aber wollte ich nicht, dass Liv sich Sorgen machte oder sich wegen mir auch nur im geringsten schlecht fühlte. Sie hatte wegen dem Auftritt meines Vaters schon genug um die Ohren und dass, obwohl dieser Nachmittag einzig und allein dafür da war, dass sich alles um sie drehte.
Um ihren Ring, um ihre Pläne für die Hochzeit, um ihre Beziehung und Liebe zu Will.
Aber was wäre meine Familie ohne ein wenig Drama.
Langsam bekam ich meinen Atem wieder unter Kontrolle, das Zittern in meinen Fingern ließ ein wenig nach und ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Glücklicherweise trug ich wasserfeste Maskara, weshalb ich niemanden fragen musste, ob ich Pandaaugen hatte.
"Amy?"
Sebas' Stimme erklang aus Richtung der Tür und ich richtete mich automatisch ein wenig auf.
"Ich hab nur einen Moment Ruhe gebraucht, alles gut."
Ich stand auf und wollte wieder zurück zu meiner Mutter und meiner Schwester. Mir fehlte momentan definitiv die Energie, um mich wieder mit Sebas zu streiten.
"Warum meidest du mich so sehr?"
Ich war ein paar Schritte auf ihnzu gegangen, da ich an ihm vorbei musste, um zu den anderen zurück zu kommen.
Da ich nicht wieder schnippisch oder provozierend antworten wollte, zuckte ich einfach nur mit den Schultern und ging zurück zu der Party.
"Amy."
Ich drehte mich nicht um, jetzt war definitiv nicht der richtige Moment, um mich darum zu kümmern.

Die Stimmung war zwar allgemein wieder gut geworden, es war bereits spät in die Nacht hinein, doch vor allem Liv und meine Mutter waren immernoch mehr als nur sauer auf meinen Vater.
"Woher wusste er überhaupt, dass die Verlobungsfeier hier und heute ist?"
Das schien die große, unbeantwortbare Frage zu sein.
Ich versuchte, so gut es ging, meine Schwester aufzuheitern, wollte ihr zeigen, dass ich ebenso für sie da war, wie sie es immer für mich war.
"Irgendwie scheint diese Hochzeit unter keinem guten Stern zu stehen."
Meine Schwester lehnte an mir, definitiv betrunken und ich legte meinen Arm noch enger um sie.
"Ach was. Sieh es doch positiv. Wenn ihr all das übersteht, wird die Ehe ein Kinderspiel."
Ich konnte mir ihr müdes Lächeln gutvorstellen, als sie leise seufzte.
"Ich weiß nicht. Das Geld, diese Leute, irgendwie scheint es nicht so ganz klappen zu wollen."
Bevor ich etwas erwidern konnte, erklangs Wills Stimme.
"Liv, lass mal das Glas da stehen. Amy, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mich um deine Schwester kümmere?"
"Natürlich nicht. Ich denke, es war ein bisschen zu viel Aufregung für einen Nachmittag."
Ich spürte, wie Will Liv in den Arm nahm und ihren Griff um mich löste.
Vermutlich war es auch für mich und meine Mutter so langsam Zeit zu gehen, denn wir waren die einzigen, die immer noch auf der Terasse standen.
"Geht es dir gut?"
Meine Mutter nahm wie so oft meine Hände in ihre.
"Ja, wieso fragst du?"
"Du bist in letzter Zeit sehr still und zurückgezogen. Du hast das Haus außer für diese Feier kein einziges Mal verlaßen, ich hab Liv gefragt, wenn ich nicht da war. Ich mache mir Sorgen Amy, ich will nicht, dass du dich wieder von allem entfernst.
"Keine Sorge Mum, alles ist gut. Von mir aus können wir übrigens jetzt dann auch gehen."
Ich wollte das Thema nicht vertiefen und war zu dem ziemlich müde.
Meine Mutter seufzte.
"Ich weiß, dass da mehr ist, aber ich lass dich fürs Erste in Ruhe und vertraue darauf, dass du zu mir kommst, wenn dich etwas bedrückt."
Lächelnd drückte ich ihre Handund nickte zustimmend.
"Das werde ich."
Obwohl ich mir sehr sicher war, dass ich nicht auf ihr Angebot zurückgreifen würde.
"Okay, gut. Und du hast Recht, lass uns nach Hause gehen."

Am nächsten Morgen war die Stimmung eher weniger gut.
Liv kam irgendwann mit einem Kater von Will zurück und verzog sich die meiste Zeit in ihrem Schlafzimmer. Nur ab und an konnte ich hören, wie ihre Tür auf und zu ging, allerdings sprach ich den ganzen Vormittag nicht mit ihr.
Mittags kam Mum irgendwann ins Wohnzimmer, um mir mitzuteilen, dass sie ins Krankenhaus gerufen wurde, da es ein besonders stressiger Sonntag zu sein schien.
Ich verbrachte den Großteil des Nachmittags mit Dehnübungen und Tanzschritten, aber wirklich zufrieden war ich nicht mit mir selbst. Mir fiel so langsam die Decke auf den Kopf. Ich wollte etwas unternehmen, wollte nach draußen gehen und den Sommer genießen. Da ich aber kaum Orte kannte, an die ich alleine gehen konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich auf den Balkon zu setzen und ein Hörbuch zu hören.
Ich weiß nicht, wie spät es war, aber irgendwann tippte mir jemand auf die Schulter und ich zog die Stöpsel aus meinen Ohren.
"Ja?"
"Amy, ich will mit dir reden."
Es war Liv.
Das Kratzen eines Stuhls auf dem Balkonboden erklang und ich setze mich auf.
"Oh je, das klingt nicht gut. Was hab ich angestellt?"
Ich lachte über meinen eigenen kleinen Scherz, aber sie schien nicht so ganz auf Witze aus zu sein.
"Es geht um Sebas und dich. Und um Eric."
Ich zuckte leicht zusammen.
"Ich hab doch gesagt, das ist kompliziert, aber wir müssen nicht darüber reden. So wichtig ist es dann auch wieder nicht."
Liv seufzte.
"Amy. Die längste Zeit, in der du nicht mit Sebas geredet hast, ist eine Woche. Jetzt sind es fast ein einhalb Monate. Was ist los mit euch?"
Wenn ich das so genau beantworten könnte.
"Wir haben momentan einfach unsere Differenzen. Irgendwie kommen wir nicht mehr so gut miteinander klar."
"Ihr seid seit so vielen Jahren befreundet, ihr kennt euch in und auswendig und du warst sogar schon so weit, dass du dich gefragt hast, ob da nicht mehr zwischen euch ist. Und jetzt willst du mir sagen, dass ihr einfach so eure Differenzen habt? Das kauf ich dir nicht ab."

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt