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Er murmelte abwesend vor sich hin: "Ich werde nie vergessen, wie du beim Training zusammengebrochen bist. Diese Bilder haben sich für immer mein Gedächtnis gebrannt. Ich kann nicht mal mehr Sinatra anhören ohne an diesen grauenvollen Morgen zu denken. Wie du da lagst, ich dachte, du wärst tot. Ich dachte wirklich, ich hätte dich verloren."
Seine Stimme brach weg und ich war für einen Moment froh, dass ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.
Ich nahm ihn fest in den Arm. Wie waren wir von einem relativ simplen Telefongespräch zu so etwas gekommen?
"Bitte Sebas, versprich mir, dass du dir meinetwegen keine Vorwürfe machst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du dich wegen mir schlecht fühlst. Es war ein Unfall, das müssen wir wohl beide akzeptieren."
Mein Körper wurde von einem Schauder überzogen. Es tat weh zu wissen, dass mein Verhalten Sebas so zusetzte.
"Ich versprech dir, dass ich mich bemühen werde."
Mehr konnte ich ihm nicht versprechen. Ich wusste, dass ich innerlich schwach war und ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis ich wieder unten ankommen würde, oder ob ich es noch schaffte, aus meinem Loch rauszukommen, bevor es zu spät war.
Sebas seufzte und sein Atem strich über mein Haar.
"Ich denke, das muss ich zählen lassen."
Es war eine ganze Weile still zwischen uns, keiner wollte etwas sagen.
Irgendwann löste Sebas sich wieder von mir und ging ein Stück von mir weg.
Ich wollte ihn eigentlich fragen, ob er über Nacht bleiben wollte, doch er war schneller.
"Es ist wohl das beste, wenn ich gehe. Sehen wir uns morgen zum Training?"
Meine Antwort bestand nur aus einem Nicken.
"Gut, bis morgen dann."
Ich hörte, wie die Tür auf und zu ging, dann stand ich allein im Hausflur.
Eine enorme Last war von mir abgefallen, als ich Sebas von meinem Rauswurf berichtet hatte, doch jetzt fühlte ich mich nicht unbedingt besser.
Ich war so unglaublich egoistisch gewesen, in dem ich mich immer so runtergezogen hatte. Sebas war immer für mich da, versuchte immer alles, damit ich glücklich war und ich gab ihm das Gefühl, an meinem Unfall Schuld zu sein.
Auf einmal hörte ich jemanden kommen.
"Amy? Wer war denn an der Tür?"
Meine Schwester kam näher und ich drehte mich zu ihr um.
"Ja, Sebas ist kurz vorbei gekommen, er wollte wissen, wie es mir ging."
Ich atmete einmal tief durch und wollte an ihr vorbei zurück in mein Zimmer, als ihre Hand mich zurück hielt.
"Ist alles in Ordnung bei euch beiden?"
"Ja Liv, alles gut. Es ist nur eine blöde Situation, immerhin hat er jetzt wirklich keine Tanzpartnerin an der Schule, nicht das wir davor in der Schule zusammen getanzt hatten, aber es ist alles ein wenig kompliziert. Auch jetzt, da er sich von Lucy getrennt hat."
Wir gingen in die Küche, wo ich mir eine Flasche Wasser holte.
"Er hat sich von Lucy getrennt? Ich dachte, die beiden hätten nur ein wenig Schwierigkeiten miteinander. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich wirklich trennen."
Ich trank einen Schluck Wasser und überlegte, was ich Liv erzählen sollte.
"Es hat einfach nicht mehr gepasst bei den beiden. Außerdem war Lucy irgendwann zu klammernd und zu eifersüchtig, wenn Sebas es richtig erzählt hat."
"Zu eifersüchtig? Auf wen denn? Hat Sebas denn schon wieder eine neue an der Angel?"
Kopfschüttelnd setzte ich mich an den Küchentisch.
"Nein, es hat sie gestört, dass Sebas so viel Zeit mit mir verbringt. Was ich irgendwo auch verstehen kann. Immerhin ist sie seine feste Freundin und ich bin mit Sebas seit ich denken kann befreundet. Ich verstehe, dass sie sich deshalb Sorgen gemacht hat. Aber deswegen so ein Theater zu veranstalten, das verstehe ich nicht."
Meine Schwester seufzte.
"Amy, es scheint mir, als würdest du vieles nicht verstehen. Oder nicht verstehen wollen."
Damit ging sie aus der Küche und ließ mich allein zurück.

Als ich am nächsten Tag aus Livs Auto stieg und das kurze Stück zu unserem Tanzstudio machte, war ich nervös. Ich wusste noch nicht genau, warum ich überhaupt hier war, immerhin tanzte ich jetzt nicht einmal mehr für die Schule. Wofür also tanzte ich?
Liv setze mich heute einfach nur ab und verabschiedete sich schnell mir einer Umarmung und ich trat mit meiner Tasche über der Schulter in das Tanzstudio. Der vertraute Geruch schlug mir entgegen und ich atmete einmal tief durch.
"Amy, hey."
Sebastian begrüßte mich mit einer flüchtigen Umarmung.
"Hi Sebas. Also wegen gestern..."
Ich wusste nicht genau, wozu ich überhaupt ansetzte, aber Sebastian unterbrach mich sowieso.
"Kein Ding. Du weißt ja, ich bin immer für dich da."
Lächelnd stellte ich meine Tasche ab und drehte mich in die Richtung seiner Stimme.
"Und, was machen wir heute?"
Eigentlich war es eine unnötige Frage, Sebas und ich trainierten seit einer halben Ewigkeit an einem Duett, warum jetzt etwas anderes machen.
Aber irgendwie war ich mir nicht mehr sicher, ob wir nach gestern noch auf dem selben Weg waren.
"Ich habe nachgedacht. Wie wäre es, wenn wir unser Duett ein wenig abändern und zwar so, dass wir es auf der Bühne wirklich aufführen können. Bei einem Wettbewerb, um diesen auch wirklich zu gewinnen. Eigentlich hatten wir das ja nur einstudiert um es Madame Saint-Gelais zu zeigen, jetzt will ich damit auf die Bühne."
Sebas klang so aufgeregt, als er mir offenbarte, dass er über neue Schritte nachgedacht hatte und begann diese aufzuzählen. Ich setzte mich solange hin und begann schon mal mit dem Aufwärmen und Dehnen.
"Und, was hältst du davon?"
Ich streckte meine Zehen, dehnte meinen Fuß und arbeitete mich dann zum Bein hoch.
"Es scheint, als ob du dir eine Menge Gedanken gemacht hast. Ich finde die Ideen super, bin mir aber nicht sicher, wie das was mit den Sprüngen allein werden soll. Alles andere halte ich für umsetzbar."
Für einen Moment war es still, ich vermutete, dass Sebas nachdachte.
"Ich denke, wenn du wirklich daran arbeitest schaffst du Sprünge allein. Wenn du oft genug gleich springst, kannst du dir den exakten Ablauf vielleicht wirklich einprägen. Ich helf dir natürlich."
Ich zweifelte an der Idee, war mir nicht sicher, ob ich in der Lage war, alleine Sprünge zu machen und dann auch noch weiterzutanzen. Wenn ich falsch landete und in die falsche Richtung ging, konnte ich gegen die Spiegelwand oder schlimmer, später von der Bühne tanzen.
Anscheinend bemerkte Sebas mein Zögern.
"Wir können die Stelle ja erstmal weglassen." er hielt kurz inne. "Ich hab außerdem noch gedacht, dass wir vielleicht mal über einen anderen Song nachdenken sollten, bevor wir zu tief ins Üben gehen. Irgendwie gefällt mir The Greatest nicht mehr so. Ist ein wenig ausgelutscht."
Ich dachte nach.
Vielleicht hatte er Recht.
"An was hattest du gedacht?"

AN: Ich muss mich mal wieder dafür entschuldigen, dass so lange nichts kam. Irgendwie habe ich mir die Zeit nach den Abiturprüfungen ein weniger entspannt vorgestellt... aber egal. Jetzt ist ja was da. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Lasst doch ein Vote da :)
Xo Lena

Night changes everything (Deutsch) *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt