zwölf

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Die Mails sind versendet und ich bin nervös. Mir ist schon klar, dass ich nicht so schnell Antworten erhalten werde. Ich weiss nicht mal, ob ich überhaupt welche erwarte.

Okay, von Damian hoffe ich schon, etwas zu hören. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, an meinen Bruder zu schreiben und noch krasser wird es wohl sein, falls ich eine Antwort von ihm erhalte.

Zu wissen, dass er mir schreibt, ohne eine Ahnung zu haben, dass ich, seine verstorbene Schwester, die Empfängerin seines Mails ist, ist schwer zu ertragen. Wie gerne würde ich mich zu erkennen geben. Wie gerne würde ich ihn an mich drücken und ihm ins Ohr flüstern: „Ich bin es! Ich bin hier. Für immer deine Nina!" Bei diesem Gedanken hab ich schwer damit zu kämpfen, meine Tränen, die mir über die Wangen laufen möchten, zurückzuhalten. In solchen Momenten kommt mir das Ganze so sinnlos vor. Was tue ich hier überhaupt? Wozu muss ich, muss meine Familie und meine Freunde das alles durchmachen? Wäre es nicht besser, wenn alles vorbei wäre?

Leider weiss ich selber, dass das auch nicht die Lösung wäre. Auch wenn es für mich vielleicht vorbei sein könnte, meine Hinterbliebenen hätten trotzdem damit zu kämpfen.

Damian könnte mir niemals glauben, wenn ich versuchen würde, mich zu erkennen zu geben, das weiss ich. Diese Gewissheit fühlt sich so traurig an. Ich schnappe kurz nach Luft und versuche meinen Herzschlag zu beruhigen. Ich nehme mir vor zu versuchen, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich tun kann. Oder wenigstens versuchen kann. Wer weiss, vielleicht kann ich ja doch etwas bewegen. Egal wie traurig und hilflos ich mich fühle, ich muss versuchen, etwas zu tun.

Ich möchte wissen, ob Damian auf meine Bitte eingeht. Wenn nicht, muss ich mir einen Plan B überlegen. Morgen wird sich zeigen, ob es geklappt hat. Morgen werde Ich Lukas besuchen.

Und Felicitas... ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt eine Antwort von ihr erhalten möchte, geschweige denn erwarte. Ich versuche den Gedanken zurzeit zu verdrängen.

Ich hänge meinen Gedanken nach und wieder mal werde ich aufgeschreckt, aus meinen Gedanken gerissen.

„Hey Nina", hör ich Rivers Stimme unweit von mir.

Ich dreh mich zu ihm um und sehe in sein strahlendes warmes Gesicht. Ich steh auf, um ihn in eine kurze Umarmung zu ziehen.

„Hey River. Schön dich zu sehen!" Es tut gut, Rivers Körperwärme zu spüren. Es fühlt sich an, als gehe etwas von seiner Ruhe auf mich über.

River schaut mich prüfend an und meint dann mit einem leichten Lächeln: „Geht es dir besser Nina?"

„Ja..." auf meinem Gesicht bildet sich ein ebenfalls Lächeln. „Ja, es geht mir besser. Hauptsächlich dank euch beiden, das weisst du."

Ich erzähle ihm von den Mails, die ich geschrieben habe. Natürlich wusste er schon, dass ich vorhatte, welche zu schreiben, er ist ja schliesslich Rains Bruder und sie hat ihm logischerweise von meinem gestrigen Besuch bei ihnen erzählt.

„Na dann warten wir mal ab, was weiter passiert", meint er. „In dem Fall wirst du morgen zu Lukas gehen?"

Ich nicke und schweige. Wie immer machen mir Besuche bei Lukas irgendwie Angst. Nicht, dass ich ihn nicht lieben würde, aber mich absichtlich seinem Schmerz auszusetzen, ist nicht einfach, schliesslich ist meine masochistische Ader nicht besonders stark ausgeprägt. Als hätte ich nicht schon mit mir selber genug zu tun. Aber da muss ich wohl durch. Immerhin hab ich im Bezug auf Lukas einen Plan. Was ich jedoch mit Nick anfangen soll, ist mir noch immer ein Rätsel.

„Wie wär's, wenn wir heute deine Bude etwas herrichten?"

„Ich weiss nicht... irgendwie beschäftigt sich mein Kopf zurzeit ausschliesslich mit Mails, Anhängern und Frauen, die mich umgenietet haben, wie deine Schwester so schön sagt. Ich weiss nicht, ob ich den Kopf dazu habe, mich mit Einrichtungen rum zu plagen."

Mails hinter die Nebelgrenze #IceSplinters18 #teaaward2018 #GoldenAward_2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt