zwanzig

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Von: dam.freitag@gmail.com

An: unsichtbar@nebelgrenze.com

Betreff: Hab ich was falsches gesagt?

Liebe Anina

Ich habe beschlossen, dich Anina zu nennen, damit ich dich mit einem Namen ansprechen kann (wenn er dir nicht gefällt, kannst du's sagen, oder mir deinen richtigen nennen). Anina ist der Name, den ich meine Schwester manchmal neckend gerufen habe, als wir Kinder waren. Sie hat es gehasst. Es ist vielleicht auch ein wenig strange, dich so zu nennen, aber aus irgendeinem Grund scheint's zu passen.

Es ist nun schon ein paar Tage her, da ich das letzte Mal von dir gelesen habe und irgendwie vermisse ich es. Ja, ich weiss, wir kennen uns nicht, aber für mich scheint es, als wärst du sowas wie eine Verbindung zu meiner Schwester.

Auf irgendeine mysteriöse Art, scheinen deine Worte mir ein klein wenig Seelenfrieden zu geben.

Ich hoffe, ich habe im letzten Mail nichts Falsches gesagt. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.

Alles Liebe

Damian



Von: unsichtbar@nebelgrenze.com

An: dam.freitag@gmail.com

Betreff: Re: Hab ich was falsches gesagt?

Lieber Damian

Es hat mich sehr gerührt, dass du mich Anina nennst! Ich konnte meine Tränen nur mit Mühe zurückhalten.

Ich bin sehr froh, dass du unseren Kontakt schätzt, denn auch mir scheint er Nina wieder etwas lebendig werden zu lassen. Es tut gut, mit Jemandem zu sprechen, dem sie so viel wert war.

Nein, du hast nichts Falsches gesagt, Damian. Ich war nur etwas beschäftigt in den letzten Tagen.

Ich war gestern bei einem alten Freund zu Besuch und es war ein sehr emotionales Wiedersehen, da wir uns lange nicht mehr gesehen haben. Danach war ich ziemlich erledigt und musste mich erst wieder etwas fangen.

Est tut mir leid, dass ich letzten Mail die Gegenwartsform benutzt habe. Es ist mir einfach so rausgerutscht. Irgendwie ist Nina in meinem Kopf noch immer so lebendig, dass mir das manchmal einfach passiert.

Ich freue mich auf dein nächstes Mail Damian.

Alles Liebe

Anina



Ich habe Damian zwar geschrieben, dass ich die Tränen nur mit Mühe habe zurückhalten können, aber tatsächlich sind sie mir übers Gesicht gelaufen und ich hatte keine Chance, was dagegen zu tun. Es schien, als hätte ich ein Leck, das ich nicht mehr stopfen konnte.

Anina! Er nennt mich beim Namen, mit dem er mich immer geärgert hat! Ich sitze noch immer vor dem Computer und blicke auf den tränenverschleierten Bildschirm. Nur mit Mühe habe ich die richtigen Buchstaben gefunden, um ihm zu antworten.

Ich höre, wie sich hinter mir Jemand räuspert. Es ist River. Ich muss mich nicht mal umdrehen, um das zu erkennen. Inzwischen genügt der kleinste Laut von ihm und ich weiss, dass er es ist.

„Alles in Ordnung, Nina?"

Ich dreh mich nicht um, sondern nicke nur. Ich möchte nicht wirklich, dass er meine Tränen sieht und trotzdem kenn ich ihn schon genug gut, dass es mir gut tut, wenn er in meiner Nähe ist.

In zwei Schritten ist er bei mir und umarmt mich von hinten. Steht nur da und hält mich fest. Ich lehne mich gegen ihn, geniesse seine Wärme. Die körperliche und emotionale. Irgendwie ist alles etwas viel und es tut richtig gut, Jemanden in der Nähe zu spüren. Jemanden wie River. Ich schmiege meinen Kopf an seinen Oberarm und er legt seine Wange an meine.

Wie habe ich nur einen Freund wie ihn verdient?

River sagt nichts, wartet nur, bis ich mich beruhigt habe. Ich weiss nicht mal wirklich, warum ich überhaupt geweint habe. Eigentlich ist der Mailkontakt mit Damian ja schön. Ich hätte mir ja kaum zu erhoffen gewagt, dass ihm etwas an dem Kontakt liegt und nun nennt er mich beim Kosenamen, den er für seine Schwester, also eigentlich mich, gebraucht hatte. Aber das Ganze ist halt doch auch ziemlich emotional.

Rivers Umarmung und seine Nähe beruhigt mich und ich geniesse es, seine Arme um mich zu spüren. Ich spüre seinen Atem an meiner Wange. Er riecht gut. Nicht nach einer Seife oder Parfum, sondern einfach nach... River.

Er drückt mich leicht und flüstert: „Alles wieder ok?"

Ich nicke leicht und flüstere: „Danke, River! Es tut gut." Was genau gut tut, unterschlage ich. Manchmal ist es besser, gewisse Dinge unausgesprochen zu lassen.

Ich spüre, wie River seine Wange leicht an meine drückt und etwas tiefer ein- und ausatmet. Ich habe das Gefühl, sein Herz etwas schneller schlagen zu fühlen, aber das bilde ich mir wahrscheinlich nur ein.

Mails hinter die Nebelgrenze #IceSplinters18 #teaaward2018 #GoldenAward_2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt