Es ist mal wieder Zeit für ein Essen unter Freunden. Rain ist schon etwas früher gekommen. Na ja, man kann ja nicht behaupten, dass sie beim Kochen helfen muss, da das Ganze hier ja etwas anders vonstattengeht. Ich vermute, sie wollte mal wieder mit mir unter vier Augen sprechen. Über River, über Felicitas, über Nick und was auch immer.
Ich schaue über die Lichtung, die heute besonders friedlich aussieht. Warum ist es so, dass alles gleich viel friedlicher und schöner aussieht, wenn es einem gut geht? Der blaue Lavendel duftet und sieht unglaublich aus zwischen dem wilden Salbei.
Von weitem seh ich Rain kommen. Ihre blauen Haare leuchten in der Sonne. Stürmisch zieht sie mich in ihre Arme, als sie bei mir angelangt ist.
„Schön dich zu sehen, Liebe!" meint sie mit ihrem typisch, fröhlichen Grinsen auf dem Gesicht. „Oder soll ich Schwägerin sagen?" zwinkert sie mir zu.
„Nein, das ist nicht nötig. So weit sind wir noch nicht, wenn überhaupt jemals. Aber ja, ich freu mich auch, dich zu sehen!"
Wir gehen in die Küche, holen uns was zu trinken und setzen uns auf die Veranda.
„Na dann erzähl mal... wie ist es gekommen, dass du meinem Bruder nun doch ne Chance gibst?" Verschmitzt lächelt sie mich an.
„Na ja... du kennst deinen Bruder. Seine liebenswürdige Art und seine entwaffnenden Argumente. Man kann ihm nicht widerstehen, vor allem, wenn er einem in die Augen sieht und seine Argumente vor dir ausbreitet."
Ich fühle, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Weshalb bloss, werde ich verlegen? Es ist ja nur Rain. Und River. Aber ich kann nicht anders, als vor mich hin zu grinsen.
„Ja, mein Bruder ist schon ne Nummer für sich. Das kann ich absolut verstehen!"
Ich werde wieder etwas nachdenklich. „Trotzdem will ich's etwas langsam angehen lassen. Muss mich erst an den Gedanken gewöhnen und hoffen, dass wirklich nichts Schreckliches passieren wird!"
„Es wird nichts passieren, Nina! Ansonsten tret ich dem Schrecken in den Arsch, darauf kannst du Gift nehmen." Nachdem Rain einen kurzen Moment geschwiegen hat, fährt sie fort: „Weisst du, ich habe meinen Bruder noch nie so gesehen. So glücklich und verliebt. Es tut mir wirklich gut zu wissen, dass er die Chance hat, sowas zu erleben, wenn auch nicht zu Lebzeiten, dann immerhin jetzt."
Rains Worte machen mich noch verlegener. „Ich bin auch glücklich... wenn auch noch immer etwas ängstlich."
Ich stehe auf und gehe kurz ins Haus. Mit einem gefalteten Papier komme ich zurück und übergebe es mit einem Grinsen an Rain. „Lies."
Von: felicitas.707@bluewin.com
An: unsichtbar@nebelgrenze.com
Betreff: Was soll ich sagen...
Liebste Nina
Ich weiss grad nicht wirklich was ich sagen soll...Vielleicht nur so viel: Danke dir!
Danke dir, dass du mich dazu gebracht hast, Nick zu besuchen. Und mich darin bestärkt hast, nicht gleich nach dem ersten, absolut schrecklichen Besuch, aufzugeben.
Ich war in der letzten Zeit mindest 2-3 Mal in der Woche im Spital, um Nick zu besuchen. Mit der Zeit hat er sich beruhigt und sich scheinbar sogar über meine Besuche gefreut, so wie ich mich angefangen habe zu freuen, wenn ich ihn sah.
Wenn man ihn einmal etwas kennt, ist er wirklich ein überaus grossherziger, fröhlicher und gutmütiger Mensch!
Irgendwie haben wir es geschafft, einander zu verzeihen und dadurch habe ich scheinbar einen Teil meiner Schuldgefühle und Nick seine Bitterkeit ablegen können. Ich denke, für uns beide war das die beste Therapie, die es hat geben können!
Und weisst du was? Ich mag ihn. Ich mag ihn vielleicht mehr, als es moralisch (wenn man unsere Geschichte so betrachtet) angebracht ist. Aber SCHEISS AUF DIE KONVENTIONEN, denn ich denke, er mag mich auch!
Ich bin schon ganz hibbelig, wenn ich dran denke, dass ich Morgen wieder zu ihm fahre!
Liebe Nina, ich hoffe, der Wind in deinem Kopf hat sich wieder etwas gelegt. Wenn du diese Person magst, ich meine WIRKLICH magst, dann riskier es! Schräger als meine Situation mit Nick wird es wohl nicht sein, oder?
Wenn du es nicht wagst, kannst du nur verlieren!
Alles Liebe
Felicitas
Rains Mund verzieht sich von einem Ohr zum andern! So hab ich sogar Rain selten lachen sehen!
„Ich hab's gewusst!! Ich hab's gewusst. Das war DIE Lösung für die Beiden!"
„Ach Rain! Wenn du doch nur immer die Leute verkuppeln kannst!" Ich gebe ihr einen Knuff in den Oberarm.
Rain zuckt ungerührt die Schultern. „Ich liebe es, die Menschen um mich glücklich zu sehen!"
Ich kann nicht anders, als Rain zu umarmen.
Als ich meinen Blick in Richtung Waldrand hebe, seh ich River und Marlon auf uns zukommen.
Meine Mundwinkel verziehen nach oben, ohne dass ich etwas dagegen tun kann. Wenn dies noch lange anhält, werde ich morgen Muskelkater haben im Gesicht!
Marlon und River erreichen die Veranda: Rain umarmt Marlon, welcher darauf auf mich zukommt, um mich zu begrüssen. Und dann steht River vor mir. Die Hitze steigt mir ins Gesicht.
Er nimmt mein Gesicht sanft in seine Hände und legt seine Lippen vorsichtig und gefühlvoll auf meine. Ich vermute, ich wäre in die Knie gesunken, wenn River mich nicht gehalten hätte!
„Hey Liebste!" Flüstert Rivers rauhe Stimme in mein Ohr.
Ich beginne zu kichern, als wär ich sechzehn. „Hey, River!"
Wenig später sitzen wir alle auf meiner Veranda und lassen uns das Abendessen schmecken. Es ist lange her, wenn überhaupt jemals, habe ich mich so wohl gefühlt, in der Gesellschaft meiner Freunde und zum wiederholten Male, frage ich mich, wie ich das alles verdient habe...
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A/N: Das war das letzte reguläre Kapitel, aber es erwartet euch immerhin noch ein Epilog!
Danke euch so viel Mal, dass ihr mit mir bis hierher durchgehalten habt und die Geschichte in dieser Weise mitgelebt habt!!
Ich liebe euch!! <3 <3 <3
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Mails hinter die Nebelgrenze #IceSplinters18 #teaaward2018 #GoldenAward_2018
General FictionEine Sekunde. Eine klitzekleine Sekunde, die alles beendet. Die alles auf den Kopf stellt. Nina war eigentlich recht zufrieden mit ihrem Leben. Bis zu diesem Moment, der alles verändert, dem Moment, der sie aus dem Leben reisst. Wie soll sie dami...