S o n n e n b l u m e n f e l d

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Um uns sind lauter Felder. Felder mit Raps, Kartoffeln, Getreide, Sonnenblumen und vieles mehr. Es ist eine wunderschöne, sanfte, hügelige Landschaft, eingesäumt von Wäldern. Wenn ich Wälder sehe, fühle ich mich gleich zuhause. Am liebsten würd ich River fragen, ob wir nicht in den Wald gehen können. Aber er hat mir eine Überraschung versprochen, also werde ich ihm da nicht reinfunken. Er wird wohl schon etwas geplant haben, aber was kann es hier auf den Feldern an Überraschungen geben?

Wir gehen nebeneinander her und unterhalten uns. Unterhalten uns über die Geschehnisse der letzten Tage. Bei River fühle ich mich wohl, fühle ich mich aufgehoben, wie ich mich früher allenfalls bei Lukas gefühlt habe. Aber irgendwie ist es doch anders. River ist nicht Lukas und Lukas ist nicht River. Die mentale Verbindung, die ich mit Lukas habe, werde ich wohl bei keiner anderen Person finden. Dafür ist zwischen River und mir etwas Anderes. Etwas, das ich nicht genau benennen kann.

Ich weiss, dass er mich mag und ich mag ihn. Wie weit dieses Mögen geht, weiss ich noch nicht, jedoch liegt immer eine gewisse Spannung in der Luft wenn wir beisammen sind. Nichts ist bedeutungslos. Kein Blick, keine Berührung, kein Wort.

Allerdings frage ich mich noch immer, was letztens mit ihm los war, als er wie von einer Tarantel gestochen aufgesprungen ist und für Tage nicht mehr auf der Bildfläche erschienen ist. Zwar hat er sich dafür entschuldigt, aber erklärt hat er nicht wirklich etwas. Ich möchte ihn nicht drängen, aber ich hoffe, dass er mir irgendwann genug vertraut, dass er es mir erzählt, denn ich befürchte, dass es irgendetwas mit mir zu tun hat.

River versucht mich durch Scherze abzulenken und aufzuheitern. Trotzdem kreisen diese Gedanken immerzu um mich, wie lästige Fliegen im Hochsommer, die man nicht loswird.

Auf einmal bleibt River stehen und lächelt mich an. „Bereit für die Überraschung?"

„Hmmm... ja... aber wo soll es hier eine Überraschung geben?"

Ich schaue mich um und kann weiterhin nichts als Felder erkennen. River lacht verschmitzt, nimmt meine Hand und meint: „Ein wenig Geduld noch. Folge mir..."

Er geht zielstrebig auf ein Sonnenblumenfeld zu und schiebt mit seiner freien Hand die Sonnenblumen etwas zur Seite, damit wir passieren können. Einen Weg gibt es nicht. Wir versuchen uns durch die Sonnenblumen zu mogeln, ohne allzu viele davon in Mitleidenschaft zu ziehen. Mir erscheint das Ganze immer rätselhafter. Was zum Henker hat er vor??

Nachdem wir uns einige Zeit den Weg durch die Sonnenblumen gebahnt haben, scheinen wir am andern Ende des Feldes angekommen zu sein. Wir treten aus dem Feld und mir verschlägt es die Sprache. Vor uns liegt eine Sonnenblumen-Feld-Lichtung. Ein runder Kreis inmitten des Feldes, der von einer Wildwiese bewachsen ist. Mittendrin liegt eine Decke auf dem Boden, auf welcher ein Korb steht. Ein Picknick-Platz mitten im Sonnenblumenfeld!

Lachend drehe ich mich zu River um. „Wie um alles in der Welt, hast du das gemacht?"

River schaut etwas verlegen drein und lacht leise. „Das bleibt mein Geheimnis. Aber das ist noch nicht alles." Er schaut mir tief in die Augen und lächelt. „Aber lass uns erstmal setzen."

Wir setzen uns hin und ich lasse einen Moment meine Augen umherwandern. Es ist so traumhaft von Sonnenblumen umringt zu sein! Ein Gefühl des Friedens und des Glücks durchströmt mich. Nie hätte ich gedacht, dass ich nach meinem Tod noch einmal so etwas fühlen könnte, geschweige denn würde.

„Ich liebe Sonnenblumen, River!"

Als ich in sein Gesicht schaue, lacht er und ich weiss, dass das Sonnenblumenfeld kein Zufall war. „Woher wusstest du, dass ich sie liebe?"

River schüttelt bloss leise lachend den Kopf und ich weiss genau, dass auch dies zum Geheimnis gehört.

„Gefällt es dir?" Sein lächeln, könnte wärmer nicht sein und durchflutet meinen ganzen Körper.

„Gefallen ist kein Ausdruck. ICH LIEBE ES!"

Ich lasse mich nach hinten fallen und schaue, auf dem Rücken liegend, in den Himmel. Sehe die Wolken vorbei ziehen und beobachte, wie die Vögel Fangen zu spielen scheinen. Alles wirkt so friedlich!

River legt sich auch auf den Rücken und flüstert: „Dann bin auch ich glücklich!"

Ich spüre, wie er nach meiner Hand tastet und sie sanft in der seinen hält. Sein Daumen streicht über meinen Handrücken, was ein leises Kribbeln in meinem Bauch auslöst.

Wir liegen eine ganze Weile so da, wie lange, kann ich nicht sagen. Nach einiger Zeit spüre ich, dass River etwas unruhig wird.

Plötzlich höre ich ein Rascheln. River setzt sich auf und schaut in die Richtung, aus der das Rascheln kommt. Kaum habe auch ich mich aufgesetzt, schiesst etwas aus dem Sonnenblumenfeld hervor. Ein mittelgrosser Wollknäuel.

Mir verschlägt es einen Moment den Atem!

„Lola!" Lola, mein Hund, den ich zu Lebzeiten hatte, stürmt auf mich zu und wirft mich gleich wieder nach hinten in die Liegeposition.

Lola kriegt sich fast nicht mehr ein und springt auf mir rum, leckt mir über das Gesicht und ich versuche sie irgendwie zu fassen kriegen. Ohne Erfolg! Ich fühle mich so unbeschwert und glücklich wie schon lange nicht mehr.

Als sich Lola endlich etwas beruhigt hat, schaue ich zu River. Er strahlt über das ganze Gesicht und ich habe das Gefühl, auch ihn selten so glücklich gesehen zu haben.

„Wie um alles in der Welt hast du..." ich breche ab, da ich schon weiss, dass es keinen Zweck hat zu fragen. „Ja ja, ich weiss schon... ein Geheimnis."

Wir spielen beide mit Lola. Ich kann gar nicht ausdrücken was ich fühle, mit Lola zu spielen. Es ist einfach unglaublich! Ich bin nur schon hin und weg von der Tatsache, dass sie mich erkannt hat, dass sie mich sehen kann.

„Warum kann Lola mich sehen?"

„Tiere sind um einiges feinfühliger als Menschen. Und wenn ein Tier eine enge Bindung zu einem Menschen hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es den Menschen spürt oder sogar sieht, ziemlich gross. Sicher war ich mir allerdings nicht, ob es klappt", gibt River zu. „Aber ich bin grad ziemlich happy, dass es funktioniert hat!"

River lehnt sich zu mir rüber und gibt mir eine lange, innige Umarmung. Wieder spüre ich seine Wärme auf mich überschwappen.

Plötzlich hör ich eine Stimme nach Lola rufen. Es ist Damians Stimme. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Aber als ich aufstehen will, legt River seine Hand auf meinen Arm und hält mich zurück. Mit einer fast unmerklichen Bewegung schüttelt er den Kopf.

Lola hat Damians Stimme auch erkannt und schaut mich leise winselnd an. Sie scheint zu wissen, dass sie Abschied nehmen muss.

Ich knuddle sie noch einmal, verpasse ihr einen Kuss auf ihre Schnauze und lasse sie laufen. Kurz bevor sie im Sonnenblumenfeld verschwindet, schaut sie noch einmal zurück. Mir bricht das Herz ein wenig und zur gleichen Zeit bin ich grad unglaublich glücklich. Wie geht das?

Ich schaue zu River und ich fühle, wie sich die eine oder andere Träne ihren Weg über meine Wange sucht. River sagt nichts, kommt nur etwas näher, nimmt mich in den Arm und wiegt mich sanft.

Ich gebe einen tiefen Seufzer von mir und sehe in Rivers lächelndes Gesicht.

„Na, hast du Hunger, nach der ganzen Aufregung? Oder lieber nur ein Glas Wein?"

„Ein Glas Wein nach der Aufregung wär mal nicht schlecht... wie du mich doch kennst", zwinkere ich ihm zu.

Wir packen alle Köstlichkeiten aus und beginnen zu schlemmen. Die Stimmung ist einfach wundervoll. Die Sonne steht schon etwas tiefer und taucht alles in ein goldenes Licht.

Ich kann nicht anders, als River in eine Umarmung zu ziehen und ihn zu drücken.

Mails hinter die Nebelgrenze #IceSplinters18 #teaaward2018 #GoldenAward_2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt