Coming Home / 2 [JiHope]

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Hoseok

Ich begann rastlos auf meiner Unterlippe rumzukaufen, vielleicht würde das die Durchblutung etwas anregen und diese unerträgliche Kälte verschwinden lassen.

Ich fühlte mich insgesamt gerade so rastlos. Nicht nur, dass das Verspäten von Jimins Zug mich nervös machte, ihn bald wiederzusehen verursachte schon ein intensives Kribbeln auf meiner Haut. Ich fühlte mich überflutet von diesen Empfindungen.

Meine Füße begannen kleine Zeichnungen in den Schnee zu malen. Nichts, was irgendeinen Sinn ergeben könnte, einfach irgendwelche Muster, die mein Unterbewusstsein heraufbeschwor.

Die Eifersucht, sie hatte an mir genagt. Es war zum Problem geworden, denn irgendwann war der Moment gekommen, an dem ich sie rauslassen musste. Und so hatte ich Jimin eines schönen Tages in einem von unzähligen Gesprächen irgendeinen dummen Spruch reingedrückt. Ich konnte mich schon gar nicht mehr genau daran erinnern, was ich zu ihm gesagt hatte. Das einzige, was ich noch wusste war, dass es irgendein gemeiner Unfug gewesen war, der ihn für wenige Sekunden still werden ließ. Es hatte mir in der Seele wehgetan, ihn so zu sehen. Sein sonst allzeit strahlender, fröhlicher Ausdruck war einem überraschten, traurigen Ausdruck gewichen, der mir eine unangenehme Gänsehaut bereitet hatte. Er hatte sich für das Gesagte entschuldigt und ohne ein weiteres Wort aufgelegt.

Der Rest des Tages war schrecklich gewesen, die Zeit schien letzten Endes komplett stillzustehen. Es war kaum auszuhalten gewesen, es verursachte ein unerträgliches Ziehen in meiner Magengegend.

Nach einer schlaflosen Nacht hatte ich mich umgehend bei ihm entschuldigt, ihm gesagt, dass es mir leid tut, dass ich Unsinn geredet habe. Dass er nichts falsch gemacht hat. Er hatte zwar gelächelt, doch in dem Lächeln war eine halbverdeckte Traurigkeit gewesen, die dort keinen Platz haben sollte. Er schaffte es mit jedem weiteren Tag besser, diese vor mir zu verbergen, doch ich wusste, dass sein Lächeln ein anderes war, als das, was ich gewohnt war.

Ich war unruhig, ich war nervös. Die Unruhe zwang mich dazu den Bahnsteig auf und ab zu gehen und immerzu neue Spuren im unberührten Schnee zu hinterlassen. Für einen kurzen Moment dachte ich, wie grausam dieser schneebedeckte Boden doch war, wie er mir nur allzu deutlich vor Augen hielt, wie lange ich hier schon wartete.

17.50 Uhr. Der Zug hatte mittlerweile eine gute halbe Stunde Verspätung gesammelt. Ich spürte, wie in mir langsam eine Welle der Panik heranwuchs, nur um über mir zusammenzubrechen sobald sie groß genug war.

Erneut überprüfte ich mein Handy nach neuen Nachrichten, doch es gab keine neuen Nachrichten.

Genervt ließ ich das Handy zurück in meine Manteltasche gleiten und begab mich zum Infoschalter des Bahnhofes. Irgendwas stimmte hier doch nicht.

Ich sprach den gelangweilten Beamten hinter dem Schalter in zunächst höflichen, respektvollen Ton an und fragte, warum der Zug von Seoul nach Busan noch nicht eingetroffen war. Der Beamte zuckte darauf nur desinteressiert seine Schultern und deutete Richtung Himmel.

„Sehen Sie das? Da haben Sie die Antwort auf ihre Frage. Bei dem Wetter braucht man sich wohl kaum über Verspätungen wundern", entgegnete der untersetzte Mann nur mit genervtem Unterton.

Ich spürte, wie in mir eine brennende Wut ihren Weg nach draußen suchte.

„Ja, das ist mir schon klar. Wissen Sie denn nicht, wann der Zug nun voraussichtlich eintreffen wird? Können Sie keine Auskunft zu der Verspätung geben? Dem derzeitigen Aufenthaltsort des Zuges?", erwiderte ich auf seine flapsige Antwort mit einem leicht bissigen Ton.

Er zog seine buschigen Augenbrauen zusammen und bedachte mich mit einem Blick, der mir bedeutete endlich den Mund zu halten.

„Hören Sie mal, ich kann auch nicht beeinflussen, wie gut der Zug durch diesen verdammten Schneesturm kommt. Wenn jemand erst an Heiligabend nachhause fährt, ist es wohl sein eigenes Pech, wenn er zu spät zur Bescherung kommt", gab er mit einem falschen Lächeln zurück.

Er machte mich wütend, ich war über alle Maßen angepisst und wusste, dass dieses Gespräch an dieser Stelle keinen Sinn mehr hatte und machte deshalb auf dem Absatz kehrt, nachdem ich eine schnippische Bemerkung in meinen Schal gemurmelt hatte.

Mit wütenden Schritten stapfte ich zurück zum Gleis und suchte mir einen möglichst windgeschützten Platz hinter einer Steinsäule.

Von meinen Wangen spürte ich bereits jetzt nichts mehr, es war, als hätte die Kälte das gesamte Blut in mir gefroren.

Erneut versuchte ich meine tiefgefrorenen Hände zu wärmen, indem ich meine Handflächen in schnellen Bewegungen aneinander rieb. Wie erwartet blieb der erwünschte Effekt aus, weshalb ich diese unsinnige Tat beendete.

Ich fischte mit halbtauben Fingern mein Handy aus der Manteltasche und entsperrte es.

18.10 Uhr. Noch immer keine Nachricht von Jimin.

Ich begann mir Sorgen zu machen. Die Sorgen krochen wie heißes Wachs meinen Rücken herab und hinterließen unangenehm heiße Spuren.

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden wählte ich Jimins Nummer, lauschte dem monotonen Freizeichen und wartete ungeduldig darauf, Jimins angenehme Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören. Doch vergebens, er ging nicht ans Telefon.

Aufgebracht stopfte ich das Handy wieder in die Manteltasche und stieß dabei gegen das von mir so sorgfältig verpackte Päckchen, was von dem Geräusch von reißendem Papier begleitet wurde.

„Scheiße", fluchte ich in die mittlerweile unangenehm wirkende Stille hinein.

Vorsichtig fischte ich das nun zerrissene Paket aus der Tasche und hielt es in den Händen.

Durch den kleinen Riss in der Verpackung konnte ich einen Teil des filigranen Schmuckstückes sehen.

Würde es Jimin überhaupt gefallen?

Schnell verwarf ich den Gedanken, er brachte mir nichts als noch mehr Sorgen. In einer fließenden Bewegung ließ ich das Päckchen wieder in meine Tasche gleiten.

Ich begann wieder das Gleis auf und ab zu latschen, wobei mir die Kälte mit jedem weiteren Moment tiefer in den Körper schlich. Mit jeder Sekunde wickelte sich die Kälte fester um meine Knochen, wie eine Kette aus Metall um die Handgelenke eines Gefangenen.

War ihm was zugestoßen?

Ich wollte den Gedanken nicht weiterverfolgen, doch die Vorstellung, dass der Zug in diesem Schneesturm einen Unfall gebaut hatte, drängte sich unweigerlich in den Vordergrund meines Bewusstseins.

Ich biss mir so feste auf die Unterlippe, dass der widerliche Metallgeschmack des Blutes sich in meiner Mundhöhle ausbreitete.

Das konnte nicht passiert sein, durfte es nicht.

Zu der Angst und Hilflosigkeit gesellte sich nun auch die Verzweiflung. Sie verursachte das Bedürfnis, alle negativen Gefühle, die sich seit Jimins Fortgehen in mir breitgemacht hatten in die Dunkelheit hinauszuschreien.

Doch meiner Kehle wollte kein Ton entweichen, stattdessen begannen heiße, salzige Tränen meine unterkühlten Wangen zu benetzen.

Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich konnte das Schluchzen nicht herunterschlucken, denn in mir war eine Blockade, wie ein riesiger Felsen.

Chemicat13

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BTS Christmas OS feat. precious Dongsaengs :D // now sorted & closedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt