🌟Hoodie 1/4 [Vkook]

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Jeongguk

Wieso war mir nur so kalt? Fröstelnd zog ich die Schultern hoch und meine Beine nah an meinen Oberkörper, während ich hastig meine Hände zusammenpresste und die Handflächen gegeneinander rieb, um etwas Wärme zu erzeugen. Ich verstand es nicht, die Heizung war auf der dritthöchsten Stufe, ich hatte eine Kanne heissen Tees neben mir auf dem Tisch stehen und war in eine kuschelige Decke gewickelt und dennoch war mir so kalt, dass ich glaubte, bei jedem nächsten Atemzug würde eine kleine, weisse Atemwolke meinen Mund verlassen. 

Draussen vor meinen Fenstern fiel sanft der Schnee, der allerdings sowieso nicht lange am Boden liegen bleiben würde und um die Stille in der Wohnung etwas zu durchbrechen, lief sogar meine Alexa und spielte meine gesamte Spotify-Playlist ab, die ungefähr fünfhundert Songs umfasste. Mit einem Seufzen zog ich meine Beine nur noch etwas näher an mich heran, und liess meinen Blick erst stumpf durch das Wohnzimmer wandern, bevor er Halt machte bei dem Buch, welches neben mir auf dem cremefarbenen Sofa lag. Es war Poesie und ich mochte allein schon die Ästhetik des Buches; der Einband war komplett schwarz, die Schrift schlicht und in weiss gehalten und die verschiedenen Titelblätter der Themenbereiche der Gedichte im Buch waren ebenfalls schwarze Seiten. Dick war die Lektüre nicht, sicherlich nicht etwas, wofür man Stunden brauchte und dennoch las ich es gerne, hatte es bereits mehrmals durchgelesen, und das mittlerweile etwas abgegriffen aussehende Buch auch mit Post-its versehen, an Seiten, wo ein Gedicht stand, welches mir besonders gut gefiel und das ich mir merken wollte oder das ich schnellstmöglich wiederfinden wollte. 

Ich hatte es eigentlich überhaupt erst mit der Intention, mich hier auf mein Sofa zu setzen, mit Tee, einer Decke und dem Buch, aus dem Bett geschafft - ich hatte mich wirklich sehr dazu aufraffen müssen - doch jetzt, wo ich hier sass, mit der Teekanne, der Decke und dem Buch, hatte ich keine Lust mehr. Ich fühlte mich antriebslos und am liebsten wollte ich wieder zurück in mein Bett und unter dessen weiche Decke kriechen. Wer wollte mich denn auch aufhalten? Es gab niemand, den ich erwartete, keinen Termin, den ich berücksichtigen musste und zu dem ich rechtzeitig und herausgeputzt erscheinen musste, ich hatte Urlaub und es war Weihnachten.

Ich hatte niemanden, der gerade Zeit hätte und selbst wenn, wollte ich niemanden von seiner Familie wegreissen, bloss weil ich  nicht zu meiner kam. Weihnachten feierten alle meine Freunde bei ihren Familien, ich konnte mich also nicht einfach einbringen und das wollte ich auch gar nicht. Es war nicht das Problem meiner Freunde, dass meine Eltern mich nicht mehr ins Haus liessen und mit mir nichts mehr zutun haben wollen.

"Du bist eine Schande für unsere Familie."

Nichts hatte mir je so wehgetan, wie dieser eine letzte Satz, den meine Mutter mir voller Verachtung, voller Ekel an den Kopf geworfen hatte. Bloss weil ich nicht dem Standard  entsprach, den sie haben wollte, bloss weil ich keine hübsche Schwiegertochter mit nach Hause gebracht hatte, die aus gutem Hause stammte, sondern ihnen gesagt hatte, dass ich schwul war. Ich verstand es heute noch nicht, selbst wenn es inzwischen mehrere Jahre her war. War es denn ihr Problem, wen ich liebte? Das ging doch nur mich etwas an, also wieso mischten sie sich da überhaupt ein, es konnte ihnen doch vollkommen egal sein. War es ihnen aber nicht und darum wollten sie auch nichts mehr mit mir zutun haben. 

Ich hatte es einfach akzeptiert, denn was wollte ich dagegen auch tun? Stattdessen hatte ich mir ein Leben ohne sie aufgebaut und war auch so glücklich geworden. Ich hatte eine schöne Wohnung, tolle Freunde, ich brauchte meine Eltern nicht, wenn sie mich nicht wollten - doch selbst wenn all das stimmte, so konnte ich die kleine Stimme in meinem Hinterkopf nicht ignorieren, die mir beinahe schon höhnisch zuflüsterte, dass dennoch etwas fehlte. Oder besser jemand

Taehyung.

Mein Blick huschte wieder zu dem Gedichtband, kaum schoss mir sein Name durch den Kopf,  und instinktiv schlang ich meine Arme um meine Beine, ehe ich meinen Kopf auf meinen Knien ablegte und den schwarzen Einband, mit den beiden in weiss gezeichneten Wespen und den ebenso weissen Titel betrachtete. Taehyung hatte es mir vor einiger Zeit einmal geschenkt, es war sicherlich schon zwei oder drei Jahre her und wo es mich sonst immer mit einer riesigen Freude erfüllt hatte, wenn ich daran dachte, dass das ästhetische Buch von ihm kam, so sorgte die Tatsache nun dafür, dass mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog und mir Tränen in die Augen stiegen. 

Ich vermisste ihn. Gott, ich vermisste ihn mehr als gut für mich war. 

Ich war wirklich erbärmlich tief gesunken, dass ich jemanden haben wollte, den ich nicht haben konnte. Dass ich jemandem hinterher trauerte, der nicht mehr in meinem Leben sein wollte und gegangen war. Ich erinnerte mich gut an den Tag. Wir hatten so laut gestritten und ich erinnerte mich schon kaum mehr daran, welche verletzenden Dinge wir uns gegenseitig an den Kopf geworfen hatten, als er letztendlich einfach eine Sporttasche voller Klamotten gepackt hatte und dann die Wohnung verlassen hatte. Ich hatte gehört, wie laut er die Tür zugeschlagen hatte, es hatte so einen Knall gegeben, dass ich harsch zusammengefahren war und er dabei sogar ein Bild von der Wand gerissen hatte. Danach war es still gewesen, für schier unendlich lange Zeit. Stundenlang war nur das Ticken der Uhr im Wohnzimmer zu hören gewesen, gemeinsam mit meinem verzweifelten Schluchzen, denn selbst wenn ich mit ihm gestritten hatte, ihn auch angeschrien hatte, ihn verletzt hatte, so hatte ich das ganz bestimmt nicht gewollt. 

Wir hatten uns doch geliebt, also wo war diese Liebe hin? Wann war sie uns abhanden gekommen, wann war sie abgeflaut und wann waren wir für den jeweils anderen so zu einer Last geworden? Ich verstand es nicht, ich bezweifelte aber, dass man es mir erklären konnte, denn selbst wenn er nun schon Wochen weg war, so vermisste ich ihn immer noch schmerzlich und wünschte mir nichts mehr, als dass er wieder zurück kam. Einfach klingelte, reinkam, sich zu mir setzte und mich in den Arm nahm, damit ich endlich wieder seine Arme um meinen Körper spüren konnte, die Wärme fühlen konnte, die von seinem ausging, seinen Geruch riechen und mich an ihn schmiegen durfte. Er fehlte mir. Er fehlte mir, seitdem ich aus der Wohnung ausgezogen war, weil er mir gesagt hatte, dass er das nicht länger wollte. Dass er uns so nicht länger wollte.

Er hatte mir zwar angeboten, auszuziehen, damit ich dort bleiben konnte, doch das hatte ich nicht gewollt. Dort zu bleiben, in den vier Wänden, wo wir einst so glücklich gewesen waren, hätte mich wohl wahnsinnig gemacht. Ständig von den Erinnerungen umgeben zu sein, die wir dort erschaffen hatten, in den Räumen allein zu sein, wo wir sonst zu zweit unsere Zeit verbracht hatten und glücklich gewesen waren. Ich war freiwillig gegangen, denn dort zu bleiben hätte mir das Herz noch mehr zerrissen. 

Doch hier in dieser Wohnung, selbst wenn sie nicht mit Erinnerungen von Taehyung und mir gefüllt war, ging es mir nicht besser. Es war so leise, so fremd und emotionslos und inzwischen wusste ich nicht, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, an dem Ort zu bleiben, der mir vielleicht immer wieder aufzeigen würde, was ich nicht mehr hatte, aber dass jener dafür auch lebte und nicht einfach eine traurige, kleine Wohnung war, die sich nicht einmal wie ein Zuhause anfühlte. 

Ich zog die Beine näher an meinen Körper und biss mir auf die Unterlippe, denn die Tränen brannten bereits in meinen Augen, beim blossen Gedanken an den Älteren. Wie es ihm jetzt wohl ging? Er hatte dasselbe Problem wie ich mit seiner Familie, auch sie wollten nichts mehr mit ihm zutun haben, also was machte er wohl gerade? Wie würde er Heiligabend und die restlichen Feiertage verbringen? Auch so allein wie ich? 

Taeoxic

BTS Christmas OS feat. precious Dongsaengs :D // now sorted & closedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt