❄Sparkle 1/4[SooJun]

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Yeonjun

"Du bist der Grinch, Yeonjun, nur in hübsch und ohne das zottelige, grüne Fell!", sagte sie und ich zog nur die Augenbraue hoch. Mochte sein, ich konnte nicht mal wirklich was dagegen sagen. Doch ich hatte gute Gründe dafür. Ich hasste Weihnachten. Ich hasste den Kommerz, die vielen Menschen in den Läden, ich hasste, dass sie Menschen durchdrehten, als würde eine Apokalypse ausbrechen, nur weil die Läden zwei Tage am Stück geschlossen sein würden. Ich hasste Weihnachtsmusik. Singen hasste ich generell.

Jedes Jahr dieselbe Scheiße.

Ich wischte den Tisch ab und beschloss meine Kollegin zu ignorieren, doch sie ließ nicht locker. "Warum hasst du Weihnachten so?", hakte sie nach und ich ging zum nächsten Tisch. "Es ist sinnlos", meinte ich und sie schloss zu mir auf. "In Wahrheit bist du doch nur einsam", stellte sie eine Vermutung an und ich verdrehte die Augen. Leider war das ein Treffer ins Schwarze, aber aus anderen Gründen, als sie das vielleicht meinte. Ich war nicht allein, weil ich ach so grummelig war und keine Freunde hatte. Ich war einsam, weil mir niemand mehr geblieben war.

"Ich könnte da Abhilfe schaffen", schlug sie weiterhin vor und ich warf den Lappen in den kleinen Eimer neben mir. Genau damit hatte ich gerechnet. Klar, sie würde mein einsames Herz bestimmt mit Liebe füllen können, sicher. Sie wollte mir an die Wäsche schon seit ich hier angefangen hatte und langsam wurde es lästig. "Ich denke nicht. Ich habe dir schon mal gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst", stellte ich klar und sie schmollte.

"Ich mache doch nur Spaß, Yeonjun", behauptete sie und ich wandte mich dem nächsten Tisch zu. Nur noch die Stühle hoch und wir konnten gehen. Endlich. Es wurde auch Zeit, denn ich musste, ob ich wollte oder nicht, noch mal einkaufen gehen. Nicht, dass ich das geplant hätte, im Gegenteil, ich hatte vorgehabt das schon am Anfang der Woche zu machen, aber da war ich dann doch nicht dazu gekommen.

Ich ignorierte sie und fing an die Stühle hochzustellen und sie schien auch endlich genug von mir zu haben, denn sie sagte auch nichts mehr, außer ein gemurmeltes "Frohe Weihnachten", als sie einfach schon vor mir abhaute. Doch das war okay, ich hatte eh die Schlüssel. Gerade als ich die Tür zuzog, fing es an zu schneien. Ich saß zum Himmel und lächelte leicht. Ich hasste Weihnachten zwar, aber ich liebte den Winter. Frischer Schnee gab mir ein nostalgisches Gefühl und wenn ich ehrlich war, würde es mich nicht stören, wenn es einfach das ganze Jahr lang scheißkalt wäre und Schnee läge. Vielleicht wanderte ich irgendwann aus nach Alaska und ließ die ganze Scheiße hinter mir. Ich hatte nichts hier, umso reizvoller wäre es irgendwo hinzugehen, wo es immer Winter war und einfach neu anzufangen.

Ich quälte mich durch den überfüllten Supermarkt und machte mich dann auf den Weg nach Hause. Eigentlich war mir noch nicht danach nach Hause zu gehen, denn da wartete auch nichts und niemand auf mich, also ging ich ein wenig durch den Schnee. Ich beschloss, doch schon heute meine Oma besuchen zu gehen, denn so hatte wenigstens jetzt ein bestimmtes Ziel. Meine Tasche schulternd, schlug ich den Weg in mein Wohnviertel ein. Doch bevor ich in meine Straße einbog, ging ich auf die andere Seite und verschwand in einer Nebengasse.

Tatsächlich war ich nicht immer so allein gewesen. Es gab eine Zeit, da hatte ich ein Zuhause gehabt, einen Ort an den ich zurückkehren konnte. Ein Ort, wo Weihnachten nicht so schlimm gewesen war. Klar hatte es mich damals auch genervt, aber meine Oma liebte es und entsprechend war das schon okay. Zumal wir auch nicht in diese Kommerz-Kerbe gehauen hatten. Oma kocht, Yeonjun isst und zieht sich halt rein, was Oma gern gucken will. Doch Oma war leider jetzt schon das dritte Weihnachten nicht mehr da.

Sie war mir einfach innerhalb weniger Wochen unter den Händen weggestorben, ohne dass ich ihr hatte helfen können. Ohne sie machte eigentlich gar nichts Sinn. Schon gar nicht Weihnachten. Auch nicht meine Ausbildung zum Krankenpfleger. Ich hatte alles hingeworfen. Wem wollte ich schon helfen? Ich konnte nicht mal mehr mir selbst helfen.

Mit einem leisen Quietschen schwang das eiserne Tor auf und ich schlüpfte auf den Friedhof. Der frische Schnee knirschte unter meinen Schuhen und begrub die Gräber zu meiner Linken und meiner Rechten unter einer weißen Decke. Alles war friedlich. Still. Der Schnee fiel inzwischen in dicken Flocken und außer meinen Fußspuren war er unberührt. Eigentlich war immer jemand hier, doch jetzt war ich völlig allein. Es war Heiligabend, es war dunkel... wer seine Lieben Weihnachten besuchte, machte das wohl eher am Tage, wenn es noch hell war. Das war ja auch mein Plan gewesen für morgen. Doch jetzt war ich hier und ich hatte das Gefühl, dass das auch genau so sein sollte. Ich ging weiter nach hinten und kam vor dem Grab meiner Großmutter zum Stehen.

"Hey Oma", sagte ich leise und hockte mich an das Grab. Ich atmete tief durch und betrachtete den Grabstein stumm. Was sie wohl denken würde, wenn sie mich sah? Sie wäre sicher enttäuscht, dass ich die Ausbildung nicht fertig gemacht hatte, aber sie würde mich auch verstehen. Niemand verstand mich so wie sie. Groß bist du geworden, würde sie sagen, auch wenn ich gar nicht mehr gewachsen war in den drei Jahren. Sie würde wohl mein Inneres meinen. Ich war mir aber auch da nicht mehr wirklich sicher, ob sich was getan hatte in der Zeit, in der sie weg war. "Ich vermisse dich", flüsterte ich und eine Träne rollte meine Wangen hinunter. Man sagte, Zeit heilte alle Wunden, doch wie viel Zeit brauchte es denn?

Ich kramte in meiner Tasche und förderte eine frische Grabkerze zutage. Ich öffnete den Deckel und stellte sie Kerze auf das Grab. Dann kramte ich mit klammen Fingern nach meinem Feuerzeug und versuchte die Kerze zu entzünden, doch meine Finger waren zu kalt und funktionieren wollte es irgendwie auch nicht. "Ach Scheiße...", fluchte ich und sah dann zum Grabstein. So hatte sie mich nicht erzogen. "Sorry, Oma." Was machte ich mir vor, sie würde das nicht mehr hören, aber dennoch. Nach einigem Gefummel bekam ich die Kerze doch an und bliebt noch eine Weile hocken, die Arme um meine Beine geschlungen und meinem Blick auf dem Flackern der Kerze ruhend.

Einige Zeit passierte nichts. Was sollte auch passieren? Ich saß einfach nur da und hing meinen Gedanken nach. Wenn sie noch da wäre, dann würden wir wohl jetzt was essen. Einen ihrer Salate. Sicherlich hätte sie wieder irgendwas Kleines besorgt, von dem sie dachte, dass ich es gut gebrauchen kann. Ich hatte ihr auch immer was geschenkt und es war völlig egal gewesen, was, sie hätte sich über alles gefreut. Singen. Sie war mein größter Fan gewesen. Sie hatte meine Stimme geliebt, doch ich hatte nicht mehr gesungen seit sie weg war.

Ein tiefes Seufzen verließ meine Lippen. Ich hätte sie einfach so gern wieder, doch ich wusste, dass das unmöglich war. Ich versank weiter in meinen Gedanken, als ich plötzlich ein Platschen hörte. Irritiert sah ich auf. Was...

Ich stand auf und sah nach rechts, denn ich wusste, dass sich auf dem Friedhof ein Brunnen befand. War jemand da reingefallen? Bei den Temperaturen?! Ich rannte rüber und schaute, ob ich helfen konnte. Es war zu dunkel, um was zu sehen, also schaltete ich mein Handylicht an, was zur Folge hatte, dass wer auch immer da im Brunnen stand, sich erschreckte und zurück in den Brunnen kippte und mit einem weiteren Platschen auf dem Hintern landete.

"Spinnst du?!", fuhr ich den jungen Mann an. "Komm da raus!" Ich leuchtete um den Brunnen, aber keine Spuren führten zu dem Brunnen hin. Ich konnte gar nicht begreifen, wie das sein konnte. Er musste doch von irgendwo gekommen sein?! Ich drehte mich zu dem jungen Mann, der inzwischen wieder aufgestanden war. "Hallo, Freund!", rief er aus und watete an den Rand des Brunnens, um herauszuklettern. Ich sah ihn an wie ein Auto. Hallo, Freund?!

"Wie bist du in den Brunnen gekommen?", fragte ich ihn irritiert und er grinste mich breit an. "Na, von der anderen Seite natürlich." Was zum... "Kannst du mir helfen? Ich habe eine Mission! Ich will wissen, was Weihnachten bedeutet."

Ach leck mich doch am Sack.

ErinTempel

BTS Christmas OS feat. precious Dongsaengs :D // now sorted & closedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt