Lateinisch für Anfänger

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Lucifer
"Wo waren Sie eigentlich das ganze letzte Jahr?"
Ich schlenderte neben Agent Blondi her. Um uns herum leuchteten Reklametafeln, Leute drängten sich zusammen um, meiner Meinung nach untalentierten, Straßenkünstlern zuzusehen und auch noch Geld zu geben. Hallo? Verschwendet euer Geld nicht, kommt lieber in mein Casino!
"Mr. Tenebris?"
Ich wand mich von der Menschenmenge ab und sah zu Fiona.
"Warum noch immer so förmlich? Nenn mich Lucifer!"
"Einverstanden, Lucifer. Wo waren Sie das letzte Jahr über?"
"Ich denke wir sind langsam beim du angekommen, findest du nicht auch? Ich hasse Formalitäten! Ich weiß, man  sieht es mir nicht an!"
Agent Blondi lächelte leicht. Na also, sie hat ja doch Emotionen. Langsam hab ich bereits daran gezweifelt.
"Mr. Ten...Lucifer, lenkst du etwa von meiner Frage ab?"
"Das würde mir nie einfallen!"
Sie blieb stehen und verschränkte die Arme.
"Also, wo warst du das letzte Jahr? Es ist schon verdächtig das du kurz nachdem mein Bruder vermisst wurde von der Bildfläche verschwunden bist."
"Ich hatte...familiäre Probleme, in...Frankreich."
Sie zog die Augenbrauen hoch.
"Comme ça se trouve!"
Ich sah sie überrascht an.
"Du sprichst Französisch?"
"Je pense bien! Außerdem spreche ich Spanisch, Italienisch und Russisch. Außerdem kann ich noch ein wenig Latein, aus Schulzeiten."
"Respekt!"
"Nun ja, ich weiß noch genug das ich mir sicher bin, das Lucifer Tenebris nicht dein echter Name sein kann!"
"Bitte was?"
Ich blieb ruckartig stehen. Sie zog eine Augenbraue hoch.
"Bitte! Für wie blöd haltest du mich? Du nennst dich Lucifer. Dein Nachname ist Lateinisch für Dunkelheit. Dein Casino heißt Hölle, dein Bruder heißt wie ein Erzengel und deinen Sicherheitschef hast du als Dolor angesprochen, das so viel wie Schmerz heißt. Das geht alles in eine gewisse Richtung."
Ich war sprachlos, und das kam noch nie vor. Ich hatte bis jetzt keinen einzigen Menschen getroffen der Latein redete, und erst Recht niemanden der meine Namen hinterfragt hätte. Fiona nickte und ging langsam weiter.
"Ich habe also Recht! Du heißt gar nicht Lucifer."
Ich beeilte mich ihr hinterherzukommen. Als wir wieder gleichauf waren setzte ich mein charmantestes Lächeln auf, das bis jetzt immer Wirkung gezeigt hat, nur bei ihr nicht. Warum bei ihr nicht? Ich war mir sicher irgendwie steckte Vater dahinter.
"Doch! Lucifer ist wirklich mein Name. Mein Vater...naja, sagen wir mal so, er hatte ein Faible für ausgefallene Namen. Und Tenebris, naja ich fand der passt zu meinen Namen, und ich wollte mich so weit von meiner Familie entfernen wie möglich, weshalb ich meinen Nachnamen ersetzt habe."
"Was ist zwischen dir und deiner Familie passiert?"
"Vater und ich hatten eine kleinere Meinungsverschiedenheit und meine Brüder haben sich auf seine Seite gestellt und mir den Rücken zugekehrt!"
Fiona schwieg. Ich betrachtete sie aus dem Augenwinkel. War das Mitleid in Blondis Augen. Na also, sie besaß doch sowas wie eine Seele.
"Wenigstens hast du noch Uriel."
Ich musste lachen.
"Glaub mir, das war nicht immer so! Uriel war derjenige meiner Brüder, der mich von Anfang an am meisten gehasst hat. Schließlich habe ich ihm den Platz des jüngsten Sohnes streitig gemacht."
"Wenn ich mir das so anhöre, könnte man annehmen, euer Familiendrama ist beinahe genauso groß wie unseres."
Ich blieb interessiert stehen und drehte mich zu ihr.
"Familiendrama? Ich würde zu gerne mehr von Johns Familie erfahren. Er hat nie über seine Familie geredet. Ich wusste nicht einmal das er eine Schwester hat, geschweige denn eine die beim FBI arbeitet."
Fionas Lächeln wurde traurig.
"Naja, anfangs war alles gut. Wir waren eine glückliche, stinknormale Familie. Doch als unsere Mutter starb, brach alles zusammen. Dad wurde verbittert und ertränkte seine Trauer in Alkohol. John brach die Schule ab, und suchte sich einen Job, um uns über Wasser zu halten. Unser Vater war ja nicht mehr dazu fähig. Doch mit 16 einen ordentlichen Job zu finden, ohne richtige Ausbildung ist schwer. Deswegen fing er mit kleineren Diebstählen an, Kleidung und Essen, eben was wir brauchten um zu überleben. Ich wollte helfen aber er ließ nicht zu das ich die Schule abbrach. Das war dann wohl die Zeit, wo er langsam vom Weg abkam. Er ging von kleinen Läden auf größere über. Dann kamen Banken. Ich wollte ihn zur Rede stellen, wollte das er aufhörte, aber er weigerte sich. Ihm fing es an Spaß zu machen. Ich hatte Angst er würde erwischt werden. Das war der Grund, warum ich zum FBI gegangen war."
Ich sah sie überrascht an.
"Du hast ihn gedeckt!"
"Ich habe dafür gesorgt das er nicht geschnappt wird! Er ist mein Bruder! Er hat sich all die Jahre um mich gekümmert, ich wollte mich revanchieren."
Sie senkte den Blick. Das war eine völlig neue Seite von John. Fiona sah auf.
"Warum erzähl ich dir das alles? Ich habe noch nie jemanden davon erzählt."
Ich lächelte leicht.
"Ich bin halt ein guter Zuhörer!"
Fiona sah mich noch kurz an bevor sie sich aufrichtet, ihre Jacke glattstrich und sich räusperte. Dann wanderte wieder das bekannte kalte Funkeln in ihre Augen und ihre Miene wurde emotionslos.
"Genug geredet, wir sollten weiter, sonst kommen wir zu spät!"

Highway to Hell - the Devil is backWo Geschichten leben. Entdecke jetzt