47. Kapitel

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Die Siegerehrung verläuft in gedrückter Stimmung. Meist verhaltener Applaus für die Mannschaft von Ilvermorny - von Beauxbatons' Seite. Bei den Schülern der amerikanischen Schule sieht das wesentlich anders aus. Der Lärm will gar nicht enden, als Maya den riesigen Pokal mit einem Jubelschrei in die Luft hebt. Felix versucht unterdessen verzweifelt, Nathan am Rücktritt zu hindern. Mit verweinten Augen setzt der Kleine aber schließlich ein Lächeln auf und gratuliert der gegnerischen Mannschaft zum Sieg - allen, nur dem Hüter nicht. Hat wohl persönliche Gründe, denn warum Nathan Mike Chase ignoriert, verstehe ich nicht ganz.

Professor Hamilton strahlt, als er Madame Maxime die Hand schüttelt. Sie selbst hat ein Lächeln aufgesetzt und versucht tapfer, nicht allzu grimmig dreinzublicken. Einzig Felix kann seine Enttäuschung gut verbergen, schüttelt Hazel und Will Grace die Hände und gratuliert ihnen.

◇◇◇◇◇◇

"Felix, bist du sicher, dass es dir gut geht?", hake ich noch einmal nach.
"Ja, mir geht es super. Ich bin nur erschöpft vom Spiel", versichert mir Felix genervt. "Bitte, lass mich jetzt allein, okay? Beauxbatons hat dieses Finale jetzt schon zum dritten Mal in Folge gegen Ilvermorny verloren." Damit zieht er sich die Kapuze seines Pullis übers Gesicht und wendet sich von mir ab. Ich seufze und erhebe mich, um mich zu Maya zu gehen, die mit ihrer Mannschaft den Sieg feiert. Der Pokal wird herumgereicht und bestaunt, wieder und wieder in die Luft gereckt und bejubelt. Als ich mich neben Maya setze, sieht sie mich an und reicht den Pokal an die schwarzhaarige Hazel Grace, die sich sofort mit ihrem Bruder darum kabbelt.
"Was ist los?", fragt Maya und wischt sich eine braune Strähne ihres kurzen Haares aus den Augen.
"Felix will nicht einsehen, dass er sich etwas eingefangen hat. Ich mache mir Sorgen; er hat Fieber", antworte ich. "Aber er wird sich wieder einkriegen."
Maya nickt. "Mach dir keinen Kopf drum. Jungs sind doch immer gleich gestrickt: Sobald die Schmerzen zu stark für sie sind, verlangen sie automatisch nach Linderung. Spätestens morgen abend wird er fragen, wo der Krankenflügel ist, pass auf." Sie zwinkert und ich lache. Sie hat recht. Ich sollte mir nicht zu große Sorgen machen.
Ein Weile lang amüsieren wir uns über Jungs und ihre Macken, bis Maya kieferknackend gähnt und verkündet, dass sie schon viel zu lange wach ist. Und tatsächlich zeigt die riesige, silberne Uhr mit den altrömischen Ziffern, die an der Wand hängt, an, dass es bereits wenige Minuten vor eins ist. Als sie aufsteht und ich es ihr gleichtue, packt mich jemand am Arm und wirbelt mich herum.
"Wo willst du denn hin, Schätzchen?", schnurrt Felix. Seine Wangen glühen in dunklem Rot und seine Augen sind glasig, er scheint durch mich hindurch zu schauen. "Es geht doch gerade erst richtig los", lallt er und beugt sich vor, um mich zu küssen. Ich winde mich aus seinem Griff.
"Nichts da", sage ich streng. "Du gehst sofort zur Krankenstation."
"Krankenstation? So ein U-unsinn!" Felix will mich wieder an sich ziehen, aber ich weiche aus und gebe ihm eine kräftige Ohrfeige.
"Autsch!" Plötzlich ist er wieder da und hält sich die Wange. "Was ... was ist los? Warum knallst du mir eine?"
"Du hast hohes Fieber", sage ich nüchtern und drehe mich zu Will Grace um, der mir am nächsten steht. "Hilf mir mal, ihn in die Krankenstation zu bringen." Sofort wollen alle helfen. Die Tür wird geöffnet, mindestens fünf andere Schüler folgen uns und ein Zweitklässler wird angeschnauzt, er solle aus dem Weg gehen.
Auf dem Weg in den Krankenflügel fällt Felix noch einmal in seine seltsame Trance. Will packt ihn an beiden Armen, um ihn an .... was auch immer zu hindern. Ich will es gar nicht wissen.
Will pocht kräftig an der weißen Tür der Krankenschwester. Schimpfend öffnet eine dicke, wirklich sehr alte Frau im Nachthemd die Tür.
"Was wollt ihr? Ist er betrunken? Dann soll er seinen Rausch gefälligst ausschlafen, bevor er zu mir gerannt kommt." Sie will die Tür schon wieder zuknallen, aber Will hält die Klinke fest.
"Er hat hohes Fieber", sage ich schnell, denn die Krankenschwester hat ihm die Klinke bereits entrissen. Plötzlich verwandelt sie sich völlig und blickt Felix prüfend ins Gesicht.
"Stimmt", sagt sie. "Kommt rein." Im Nu hat sie die Tür geöffnet, sich eine Schürze umgebunden, mit einem Wink ihres Zauberstabs einige Laternen angezündet und uns zu einem der zahllosen weißen Betten gelotst.
"Was hat er angestellt?", fragt sie mich, während sie Felix' Puls fühlt, seine Temperatur misst und sich Notizen macht.
"Eigentlich gar nichts, aber er wollte sich nicht davon abbringen lassen, heute zu spielen", erwidere ich. Sie grunzt und schüttelt den Kopf.
"Das reicht schon. Hast du versucht, ihn abzuhalten?"
Ich nicke. "Ohne Erfolg allerdings. Er hatte schon vor dem Spiel Fieber und schwankte ziemlich."
"Nicht gut, gar nicht gut", murmelt sie. Dann verschwindet sie in ihrem Büro. Felix sitzt auf dem Bett und starrt vor sich hin. Will steht daneben und guckt unbeteiligt durch die Luft.
"Du kannst gern gehen, wenn du willst", sage ich zu ihm. "Ich finde den Weg schon."
Will sieht mich zweifelnd an. "Sicher? Ich kann auch warten."
Ich schüttele den Kopf. "Ich seh doch, dass du gleich einschläfst. Geh schon. Und danke für die Hilfe."
Das "Gern geschehen" erstickt in einem Gähnen. Die Krankenschwester kommt wieder aus ihrem Büro, mit einer Tasse voller dampfender Flüssigkeit in der Hand. Ich halte mir die Nase zu. "Bupleurustrank?", frage ich. Die Schwester nickt und sieht mich erstaunt an.
"Woher weißt du das?"
"Ich will nach meinem Abschluss eine Ausbildung zur Medimagierin machen. Mir wurde geraten, schon vorher dafür zu lernen, die Anforderungen im St. Mungo Hospital in England sollen hoch sein", antworte ich. Erfreut lächelt die Schwester, während sie Felix das widerlich riechende Getränk einflößt.
"Es gibt ja so wenige, die die Medizin als Beruf wählen", sagt sie seufzend und stellt die Tasse auf das Nachtschränkchen.  Dann streckt sie mir die Hand hin. "Hella Morgan", sagt sie freundlich.
Ich ergreife ihre Hand. "Clara Dumbledore." Sie zuckt zusammen und starrt mich an.
"Ähm ... Miss Morgan? Alles in Ordnung?", frage ich zögernd. Sofort fängt sie sich wieder und lässt meine Hand los. Ohne auf meine Frage einzugehen, macht sie sich an Felix zu schaffen, schubst ihn in eine liegende Position und stopft die Decke um ihn herum fest. Er ist inzwischen eingeschlafen und schnarcht leise.
"Ich behalte ihn für drei Tage hier. Am besten gehst du jetzt schlafen, auch die Schüler aus Beauxbatons haben morgen Unterricht." Ohne einen Gruß schiebt sie mich zur Seite und verschwindet in ihrem Büro. Ich betrachte Felix' friedliches Gesicht. Dann drücke ich sanft meine Lippen auf seine schon viel weniger heiße Stirn und verlasse das Krankenzimmer.
Warum hat Miss Morgan mich so angestarrt?
Warum wirkte sie so schockiert, als ich meinen Namen nannte?
Ich bleibe stehen und betrachte durch ein Fenster den Sternenhimmel über Ilvermorny.

Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon so stehe, als die Morgenröte heraufzudämmern beginnt. Mit einem Schlag merke ich, wie müde ich bin. Meine Armbanduhr zeigt halb sechs an. Langsam nur kann ich meinen Blick von dem sich rot färbenden Himmel losreißen. In Frankreich sieht der Morgenhimmel so anders aus. So viel langweiliger. Da gibt es kein Farbenspiel wie hier, nur blau.
Als ich mich umdrehe, um zum Gemeinschaftsraum der Pukwudgies zu gehen, scheinen die Gänge anders zu sein als vorhin. Ich bin mir sicher, aus dem hellgrün gestrichenen Gang gekommen zu sein, aber dort, wo er sein sollte, ist jetzt ein blauer. Von grün ist weit und breit nichts zu sehen. Auch das Fenster ist verschwunden, an seiner Stelle ist nun eine blaue Tür mit bronzener Klinke. Verwundert starre ich sie an. Wie kommt die da hin? Als ich mich wieder zurückdrehe, umringt mich ein Kreis aus beängstigend aussehenden Kreaturen.
Pukwudgies, einen intelligenteren Gedanken bringt mein Gehirn nicht auf die Reihe.
"Schüler, die sich nachts auf den Gängen befinden, werden bestraft", sagt eins der Tiere mit monotoner Stimme. Auf der Stelle packen mich zwei Pukwudgies an je einem Arm und schleifen mich in den blauen Gang, der sich jetzt blutrot färbt...

 Mein magisches Leben und ich (Harry Potter FF) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt