Kapitel 8 - E-Mail

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„Sky?" - „K-Kannst du bitte zu mir kommen?" schluchzte ich und hielt mir die Hand gegen den Mund. „Wo bist du denn?" fragte Jace besorgt. „Ich... kann ich dir die Adresse schicken?" erneut schluchzte ich.

Er sagte sofort zu, also legte ich auf und schickte ihm meinen Standort. Ich atmete tief durch und wischte die Tränen von meinen Wangen.

Nach ca. zehn Minuten sah ich Jace schon aus einem Taxi steigen und auf mich zurennen. Er hatte einen besorgten Blick aufgesetzt, kam so schnell es ging auf mich zu.

„Oh Gott, was ist los?" fragte er gehetzt. Ich stand auf, legte meine Arme einfach um seinen Hals und versteckte meinen Kopf in seinem Shirt. Sofort strich er mir beruhigend über den Rücken. „Alles wird gut, Prinzessin" flüsterte er und drückte mich noch enger an sich.

Wir standen so lange so da, bis ich mich beruhigt hatte und mein Schluchzen verebbt war. Er ließ mich langsam los und sah mir in die Augen.

„Was ist passiert?" er strich mir sanft über die Wange. „Nichts, ich... ich will nicht darüber reden." Er nickte und zog mich nochmal an sich. „Willst du was essen?" versuchte er, mich abzulenken. Ein wenig musste ich lächeln, nickte dann aber.

Mit seinem Arm um meine Schultern spazierten wir durch den kleinen Park zu einem Hot-Dog-Stand. „Sehr luxuriös." Lachte ich, weshalb er mich gespielt in die Seite boxte.

Er kaufte mir einen Hot-Dog, den ich sogleich verspeiste. Danach meinte er, er wolle noch ein wenig spazieren gehen, um sicherzugehen, dass es mir gut ging.

Mit einem leichten Lächeln hörte ich also seinen verzweifelten Versuchen, mich aufzuheitern, zu. Er erzählte mir ein paar betrunkene Geschichten von ihm, die Story, wie seine Ex ihm eine ganze Flasche Ketchup ins Gesicht gekippt hatte und noch einige andere lustige Geschichten. Ich lachte immer gefälscht, was er aber nicht bemerkte.

„Aber jetzt ehrlich, was war vorher los?" fragte er und sah mir wieder in die Augen. „Nichts, Jace, es ist nur was von früher wieder hochgekommen." Murmelte ich und zog meine Parker Ärmel bis über meine Hände.

„Wenn du drüber reden willst, ruf mich an, okay?" er zog die Augenbrauen kaum merklich zusammen. Ich nickte und strich mir eine Strähne, die aus meinem Zopf herausgerutscht war, aus dem Gesicht.

Wir fuhren mit der U-Bahn zu mir nach Hause, wo ich mich bei Jace bedankte und versprach, mich zu melden.

Ich lief das Treppenhaus bis zu unserem Appartement hoch, sperrte die Tür auf und legte meine Schlüssel ab. Ich schmiss meinen Parker in eine Ecke und rief „Jemand zu Hause?" in die Wohnung. Gleich darauf steckten Liz und Jordan die Köpfe aus dem Wohnzimmer.

Wir setzten uns auf die Couch, Liz hatte uns allen heiße Schokolade gemacht, und ich erzählte ihnen von dem Gespräch mit Kailyn. Liz nahm mich sofort in den Arm, während Jordan mir einredete, dass ich sowieso besser ohne ihn dran wäre und ich es schaffen könnte, ohne ihn glücklich zu sein.

Ich jedoch fühlte mich wie ein Häufchen Elend, alle meine Knochen schmerzten. Mein Herz bekam immer wieder unangenehme Stiche versetzt, die meine Tränen fließen ließen.

Jordan versuchte, einen Comedy-Film einzulegen, was mich aber nicht richtig ablenkte. Doch da fiel mir etwas ein. „Ich werde den Artikel über Mace schreiben."

Liz meinte, es wäre eine gute Idee, also machte ich mich auf den Weg ins Bad, wo ich mich abschminkte und mir bequeme Sachen anzog. Wie immer sah ich ihn im Spiegel, wie er seine Arme um mich legte. Wie es damals gewesen war.

Ich setzte mich in mein Bett, stellte den Laptop auf meinen Schoß. Ich hatte eine neue E-Mail. Als ich den Absender sah, wäre mein Herz fast stehen geblieben.

Stoßartig atmete ich aus, schloss meine Augen und öffnete sie dann wieder, um sicherzugehen, mich nicht verlesen zu haben. k.oneill@gmail.com

Mit zittrigen Fingern öffnete ich das E-Mail ohne Betreff. Im Flüsterton las ich es mir durch.

Am Abend des Abschlussballs, nach unserem Gespräch. Ich bin nach Hause gefahren, Elle hat schon geschlafen. Ich hab das Nötigste zusammengepackt und bin dann losgefahren. Ich bin zuerst zu der Hütte, in der ich auch geschlafen hatte, als das mit Ryder war.

Ich hab alle meine Kontakte spielen lassen und schließlich nach drei Tagen eine Adresse meines Vaters bekommen. Ich bin sofort dort hingefahren. Bin vor einer riesen Villa gestanden, in New Jersey. Ich bin einen Tag einfach nur am Straßenrand gegenüber im Auto gesessen und hab das Haus angestarrt.

Dann hab ich geklingelt. Mein Dad hat aufgemacht, mich sofort erkannt. Er wusste nicht, was er sagen sollte, also hat er mich einfach umarmt. Es war das, was ich gebraucht hab. Ich brauchte meinen Dad, auch, wenn er schreckliche Dinge getan hatte.

Wir haben über alles geredet, über Mum vor allem. Er hat mir erzählt, dass er, kurz nachdem Mum ihn damals rausgeworfen hat, einen Brief gekriegt hat, von seiner ersten Freundin. Die beiden hatten ein paar Wochen was gehabt, als er 17 war. Sie teilte ihm in dem Brief mit, dass er einen Sohn hat und der bald an Harvard studieren würde. Sie wollte, dass er ihn endlich kennenlernte.

Dad hat mir alles über Mace erzählt, ich hab vier Monate bei ihm gewohnt. Dann hab ich mal mit Mace telefoniert, wir haben uns langsam kennengelernt. Nach zwei weiteren Monaten hat er mich gefragt, ob ich nicht zu ihm nach New York kommen will.

Natürlich bin ich sofort hingefahren. Er hat mir seine Firma gezeigt, vieles über ihn erzählt und sich auch meine Sorgen angehört. Ich hab ihm tagelang von dir erzählt, aber deinen Namen nie erwähnt. Dann, nach ein paar Wochen, in denen ich bei ihm gewohnt hatte, meinte er, ich soll doch als sein Assistent anfangen. Ich hab den Job angenommen und nehme ihm seitdem die meiste Arbeit ab, außerdem bin ich Teilhaber seines Unternehmens, mir gehören 17%.

Ich denke, das ist alles, was du womöglich wissen wolltest. Außer vielleicht noch, dass ich in diesen insgesamt 32 Monaten kein einziges Mal mit einer anderen was hatte. Ich hab dich nicht verlassen, weil ich dich nicht mehr geliebt hab, Sky. Aber wenn ich dir von meinen Plänen erzählt hätte, wärst du mit mir gekommen, wärst nicht ans College gegangen. Du wärst nie deinem Traum, Journalistin zu werden, nachgegangen. Und ich wusste das. Es war besser, dass du ohne mich warst.

Ich wollte nicht, dass du mich findest. Ich wollte, dass du dein Leben ohne mich lebst, was auch toll geklappt hat. Sieh dir nur an, wo du jetzt bist. Du würdest jetzt nicht so ein gutes Studium haben und bei einem erfolgreichen Magazin arbeiten, wenn ich dich damals mitgenommen hätte. Manchmal muss man die Liebe, die man für jemanden empfindet, zurückstecken, damit diese Person glücklich werden kann.

Ende. Tränen kullerten unaufhörlich über meine Wangen. Ich verstand es. Er wollte nur das Beste für mich. Natürlich war das keine Rechtfertigung, war es nie gewesen. Doch ich verstand, was er getrieben hatte.

Ich musste ihn sehen. Jetzt sofort.

Ich schniefte auf, schluckte hart und wischte mir die Tränen aus den Augen. Ich öffnete ein neues E‑Mail, gab seine Adresse ein und schrieb:

Downingstreet 9. 20:00 Uhr.

Es war eine Adresse in der Nähe meiner Wohnung. Ein kleiner Park, der nachts meist leer war. Ich musste mit ihm reden, ihn anfassen, seine Nähe spüren. Auch, wenn ich es so weit geschafft hatte ohne ihn, wenn ich mir vorstellte, glücklich zu sein, war es immer noch nur mit ihm. Und ich würde es auch niemandem erlauben, mich glücklich zu machen, solang es nicht er war.

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Na? Könnt ihr Kailyns Entscheidung verstehen? Und denkt ihr, er wird sich mit ihr treffen?

Bis bald! xx

Ich verlass dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt