Kapitel 43 - Wahrheit

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- Kailyn -

Es hatte wieder zu regnen begonnen, das Wetter passte gut zu meiner Laune. Ohne zu wissen, wohin ich überhaupt wollte, lehnte ich mich gegen unsere Hausmauer.

Meine Klamotten wurden schon nach kurzer Zeit total durchnässt, doch das war mir egal. Ich weinte nur selten und ungern, weil ich dann das Gefühl hatte, ich wäre schwach. Doch da ich nicht anders konnte, hielt ich es auch nicht mehr auf.

Ich war ja gar nicht traurig. Ich war enttäuscht, wütend und frustriert. Wie konnte Sky mich so anlügen? Ich kannte sie. Sie hatte sich nicht großartig verändert in diesen beiden Jahren, ich konnte immer noch in ihr lesen.

Und ich wusste, dass sie gelogen hatte. Ich wusste es von dem Tag an, wo sie bei Liz übernachtet hatte. Ich wusste, sie wollte mir so nah wie möglich sein, so oft wie möglich. Also war mir klar gewesen, dass etwas nicht stimmte, als sie plötzlich ganz freiwillig Abstand genommen hatte.

Immer, wenn ich ihr näherkam, zuckte sie zurück. Und gestern, als wir im Auto Sex gehabt hatten, war sie verkrampft gewesen. Sie hatte sich nicht ganz entspannen können, und das machte mich fertig.

Ich wusste nicht, ob das, was sie beschäftigte, mit mir zu tun hatte, aber anders konnte ich es mir nicht vorstellen. Warum sonst würde sie mir nichts erzählen? Ich hatte ihr die Chance gegeben, ehrlich zu sein, hatte ihr gezeigt, wie ernst ich es meinte, und sie konnte nicht. Noch nicht.

Was noch mehr wehtat, war, dass Mace es wusste. Ihre Lüge von wegen sie hatten gestern nur über Sofia gesprochen, konnten sie sich beide sparen.

Ich wollte sie ja zusammen bringen, seit sie sich kennengelernt hatten. Ich hatte es bei ihrem ersten Treffen gesehen. Wie begeistert er von ihr gewesen war - weil sie trotz ihrer Nervosität wegen mir ganz andere Fragen für das Interview gewählt hatte, als andere.

Er war beeindruckt von ihr gewesen, hatte ihr sofort von seiner bisher einzigen Freundin erzählt. Himmel, er hätte ihr von diesem Tag an die Welt zu Füßen gelegt, wenn sie ihn gelassen hätte.

Und ich war ihnen im Weg gestanden, weil sie mich zu sehr geliebt hatte, um ihn überhaupt richtig anzusehen. Ich wusste, dass sie ein Date gehabt hatten, und er sie eigentlich küssen wollte, aber sie es nicht zugelassen hatte.

Und jetzt - wo irgendwas zwischen uns nicht stimmte - lief sie zu ihm, um es ihm anzuvertrauen.

Ich konnte es nicht aushalten, auch wenn ich wusste, dass es für sie vielleicht sogar besser wäre. Ich musste wissen, was sie verheimlichte, und ich wusste genau, wie ich es rausfinden konnte.

-

Mein Taxi blieb vor Mace' Haus stehen. Ich hatte versucht, mich zu beruhigen, um ein zivilisiertes Gespräch mit ihm zu führen und ihn wie ein ganz normaler Mensch zu bitten, mir die Wahrheit zu erzählen.

Doch als ich so darüber nachgedacht hatte, hatte ich beschlossen, darauf zu scheißen. Wen interessierte es, wenn ich in so einer Situation nicht ganz erwachsen handelte?

Ich war gerade dabei, den einzigen Mensch, den ich je geliebt hatte, zu verlieren. Also musste ich wohl dagegen kämpfen. Und keine zivilisierten Scheiß-Gespräche führen.

Ich hielt dem Fahrer einen Hundert-Dollar-Schein hin, stürzte aus dem Wagen und gab den Code an der Haustür meines Halbbruders ein. Die Glastür öffnete sich, ich rannte so schnell ich konnte die Stiegen rauf in den zweiten Stock. Mace bewohnte drei Stöcke, ganz alleine.

Bei der Wohnungstür angekommen, auf der in schnörkeliger Schrift Mace Parker stand, klopfte ich so fest dagegen, wie ich konnte.

Die Tür flog nach einigen Sekunden auf, er stand immer noch im Anzug vor mir. Seine Haare waren immer noch perfekt nach hinten gestrichen, er hatte keine einzige Falte im Anzug.

Meine Wut wurde von noch mehr Eifersucht überströmt, ich sah total rot. Meine Hände legten sich noch bevor er ein Wort sagen konnte um seinen Hals. Ich drückte ihn in die Wohnung, schmiss die Tür mit dem Ellenbogen zu.

„Kailyn", würgte er und sah mich mit großen Augen an, wehrte sich jedoch keineswegs.

„Du wirst mir jetzt sagen, was mit Sky los ist. Sie hat es dir erzählt, anstatt mir, und ich hab ein Recht, es zu erfahren! Was ist los mit ihr?!", schrie ich ihn wütend an, meine Sicht verschwamm ein wenig.

Mein Herz raste, beim Gedanken daran, dass ich womöglich etwas erfahren würde, was ich gar nicht wissen wollte.

„Kailyn, du musst dir das mit ihr ausmachen, ich hab kein Recht...", ich unterbrach seine gepresste Stimme, indem ich einmal fester an seinem Hals zudrückte, sodass er husten musste, und ihn dann losließ.

„Du hast kein Recht, dich in unsere Beziehung einzumischen, das stimmt. Aber das hast du verspielt, als du ihr nachgelaufen bist, als ich bei ihr hätte sein sollen!"

Mace atmete tief durch, sah mich beinahe ein wenig ängstlich an. „Ich weiß, und es tut mir leid. Ich hätte nicht...", wieder unterbrach ich ihn.

„Hör auf mir der Scheiße und sag mir endlich, worüber sie mich ständig anlügt!", schrie ich. Wieder lief ich auf ihn zu, er wich aus und stand schon kurz darauf an der Wand.

„Kailyn", meinte er kläglich, um mich zu beruhigen. Doch er erreichte damit nur das Gegenteil.

„Weißt du was, Mace? Du hast keine Ahnung! Du weißt nicht, wie hart es damals für mich war, mir selbst einzugestehen, dass ich Sky liebte und es dann auch noch ihr zu sagen! Es hat fast ein Monat gedauert, bis wir unsere Gefühle mal offenbart haben, danach waren wir gerade mal ein paar Wochen glücklich und schon ist meine Mum gestorben! Sky ist perfekt für mich, und ich bin perfekt für sie, auch wenn ich vielleicht nicht das Beste für sie bin, das weißt du ganz genau! Wir sind perfekt zusammen, aber das Schicksal hat sich uns in den Weg gestellt! Und jetzt, wo wir glücklich sein könnten, verschweigt sie mir was, und ich hab keine Ahnung was! Weißt du, wie weh das tut?"

Meine Stimme hatte sich beruhigt, ich raste zwar noch innerlich, doch der Schmerz übermannte mich. Ich musste schlucken, Mace sah zu Boden, da er es nicht ertragen konnte, mich so elend zu sehen.

„Ich will sie doch einfach nur glücklich machen, verstehst du? Ich will, dass sie sich wohlfühlt und keine Sorgen oder unerfüllte Wünsche hat! Ich will sie lachen sehen, neben mir jeden Morgen... Ich will für sie dasein, ihre Geheimnisse teilen und ihre Vertrauensperson sein, und jetzt... ich weiß nicht, was ich tun kann, ich bin..." Mace unterbrach meinen Redeschwall, indem er mich an den Schultern packte. Ich sah ihn überrascht an.

„Sie ist schwanger, verdammt."

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Ich verlass dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt