Kapitel 26 - Wahre Worte

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Ich hörte Schritte hinter mir. Ich wollte einfach nur weg von hier, ich hätte gar nicht erst kommen sollen.

Ich rannte weiter, die Stiegen hinab, als sich zwei Arme um meine Schultern legten. Er zog mich mit dem Rücken an seine Brust, seinen Kopf vergrub er in meiner Halsbeuge. Ich blieb stehen, sah zu Boden. Die Tränen waren bereit, ich konnte sie nicht zurückhalten.

Ich schluchzte unbewusst auf, die heißen Tränen trafen auf meine Wangen. Langsam drehte Kailyn mich um, ich legte meine Arme um seinen Hals. Er zog mich zu sich, sodass ich ganz an ihm stand und strich beruhigend meinen Rücken runter.

„Ich will hier weg, ich hätte nicht herkommen sollen." Schluchzte ich in sein T-Shirt, es hörte sich an wie ein unverständliches Grummeln, doch er verstand es.

„Wir gehen gleich, versprochen. Aber beruhig dich zuerst" er küsste meine Wange, hinterließ ein warmes Gefühl.

Nach ein paar Minuten waren meine Tränen versiegt, ich löste mich von ihm, atmete tief ein und wischte sie mir von den Wangen. „Hast du... einen Schlüssel von der Wohnung deines Dads?" fragte er. Ich nickte.

Wir fuhren mit einem der wenigen Taxis, die um 3 Uhr morgens noch unterwegs waren, in die Vorstadt, wo mein Dad lebte.

Er schlief bestimmt, also schloss ich ganz leise die Wohnungstür auf. Ja, alles war finster und leise. Auf stillen Sohlen zogen wir unsere Schuhe aus, sperrten wieder zu. Ich führte Kailyn ins Wohnzimmer, wo es eine ausziehbare Couch gab.

Wollte er überhaupt mit mir gemeinsam schlafen? War er heute vielleicht nur aus Mitleid so nett gewesen und hatte das, was er an diesem einen Morgen gesagt hatte, doch ernst gemeint?

„E-Es gibt sonst auch noch eine zweite Couch in Dads Zimmer, wenn du lieber alleine schlafen willst. Das wäre kein Problem" ich wich seinem Blick aus und zog schüchtern die Schultern hoch.

„Sky" er grinste mich amüsiert an. „Das glaubst du doch nicht wirklich" lachte er leise auf und zog sich sein Shirt über den Kopf. Er ließ es zu Boden fallen, genau wie seine Jeans. Ich musste meinen Blick wie so oft von seinem durchtrainierten Körper losreißen.

Er breitete die Decke aus, während ich auch meinen Rock und das Top auszog. Ich hatte rote Spitzenunterwäsche an, weshalb seine Augen groß wurden. Ich sah, wie er schluckte und so schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Kurz war der Schmerz in meinem Inneren weg.

Er legte sich hin, ich rutschte ein wenig unbeholfen neben ihn. Sofort legte er den Arm um meine Taille und zog mich an seine Brust. Ich bekam am ganzen Körper Gänsehaut.

„Sag mir, wie du dich fühlst" flüsterte er, als ich es mir gemütlich gemacht hatte.

„Verarscht. Und traurig. Und wütend. Denkt sie, sie kann nach vier Jahren, in denen sie sich nur einmal im Jahr gemeldet hat, einfach so aufkreuzen und auf heile Familie machen? Sie hat sich gegen mich entschieden, immer. Und jetzt denkt sie, nur weil sie ein paar Minuten mit mir redet, komme ich sie gleich besuchen" schnaubte ich.

Ich wusste, dass ich die Situtaion nur von einer Sichtweise betrachtete und es für sie genauso nicht leicht gewesen war, ich ebenso Schuld getragen hatte, wie Issac und sie selbst. Doch ich wusste auch, dass Kailyn mich verstehen würde, auch wenn ich im Moment nicht fair urteilte.

„Willst du sie denn besuchen?" – „Nein" meine Stimme war eine Oktave höher, weshalb Kailyn leise auflachte. „Okay, vielleicht will ich sehen, wie sie lebt und wer dieser Brat ist. Ich meine... sie ist meine Mum. Aber es kommt mir vor, als würde ich sie nicht mehr kennen, weißt du." Ich kuschelte mich in die Decke.

Ich verlass dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt