Kapitel 44 - Du dachtest, ich würde dich verlassen.

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Sky

Ich saß auf der Couch, hatte mich keinen Zentimeter bewegt. Ich wusste, dass Mace es Kailyn sagen würde. Ich wusste, wie sehr mein Freund seinen Halbbruder dazu drängen würde.

Ich wusste es alles, und konnte es nicht verhindern. Ich wusste zwar nicht, aber war mir ziemlich sicher, dass es nun endgültig aus sein würde. Kailyn würde nicht mehr zurück kommen, ich würde wohl wieder bei Liz einziehen müssen.

Meine Wangen spannten von den eingetrockneten Tränen, als ich mich aufraffte und ins Schlafzimmer trottete, um mich umzuziehen. Mir war unglaublich übel, meine Glieder schmerzten und das wohlige Gefühl im Magen war auch verschwunden.

In einem dicken Pullover, schwarzen Leggins und mit irgendwie zusammengebundenen Haaren saß ich auf der Couch. Ich starrte die Tür an, in meinem Kopf bebte ein Sturm. Ein Sturm, wie in dieser Nacht, in der wir Erica verloren hatten.

Alles lief vor meinem inneren Auge ab, wie ein Kinofilm. Wie ich Kailyn das erste Mal gesehen hatte, bei einem Abendessen, wo Dad mir Erica und ihren Sohn vorgestellt hatte. Wie wir uns gehasst hatten, einander das Leben schwer machen wollten.

Der Roadtrip, auf dem wir uns das erste Mal etwas geöffnet hatten. Die Nacht, nach der Vernissage. Unser erstes Mal. Die Wochen, die ich ohne ihn verbringen musste, wo meinem Herz klar wurde, dass ich nicht mehr ohne ihn wollte.

Die Nacht, als er mir ins Gesicht geschrien hatte, dass er mich liebte. Der Miami-Trip, der uns nur Drama gekostet hatte. Die Wochen nach Ericas Tod, in denen ich ihn nur gehalten hatte. In denen er seine Sprache verloren und sich verschlossen hatte.

Der Abschlussball.

Stumme Tränen entflohen aus meinen Augen, mein Atem stockte immer wieder. Plötzlich hörte ich einen Schlüssel in der Tür. Panik durchflutete mich, vor Kailyns Reaktion.

Ob er mich hassen würde, oder mich zur Rede stellen und danach so enttäuscht sein würde, dass er gehen würde.

Ich zog die Beine dicht an meinen Körper, drückte meine zittrigen Hände aneinander. Die Eisentür flog auf, Kailyn stand weinend vor mir.

Ich sah ihn durch verschwommene, nasse Augen an, er rührte sich nicht.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Seine Stimme war leise, brüchig. Ich wusste nicht, ob es Wut-, Trauer- oder gar Freudentränen waren, in seinen Augen und auf den Wangen.

Er kam auf mich zu, was mich die Beine noch näher an mich ran ziehen ließ. Ich hatte so fürchterliche Angst, dass er sich wieder verabschieden würde.

„Wie konntest du mir sowas verschweigen, Sky? Ich kann einfach nicht..." er stockte. Seine Augen trafen meine, er musste wohl die Verzweiflung darin sehen. „Wie... Warum...", stotterte er, doch brach dann ab.

Er schloss die Augen, aus denen Tränen schossen. Ich konnte das nicht mitansehen, in meiner linken Brust spannte es unangenehm. Ich legte mir die Hände über das Gesicht, sodass ich nur mehr durch meine Finger hindurchlugte.

Kailyn kam nach einer Weile auf mich zu, seine Schultern zitterten vom Schluchzen, was bei mir wohl nicht anders aussah.

Er zog meine Hände an den Handgelenken von meinem Gesicht, sah mir sprachlos in die Augen. Dann legte sich ein unglaublich schönes, ehrlich Lächeln auf seine Lippen.

„Bist du wirklich schwanger?", fragte er fast tonlos. Ich schluckte, nickte mit geschlossenen Augen. Würde das unser letztes Gespräch sein?

Ich fühlte, wie sich zwei starke Arme um meinen Oberkörper legten, mich hochzogen. Er schloss mich in die Arme, drückte mich so fest an sich, als hätte er mich nie zuvor gespürt.

Ich verlass dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt