Kapitel 47 - Hilflosigkeit

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Doch statt einer Antwort lachte er bloß gehässig.

Und dann fiel der Schuss.


Ein ohrenbetäubender Knall echote durch den Raum. Ich zuckte reflexartig zusammen. Der Schall hallte klingelnd in meinen Ohren nach und ließ meine Trommelfelder schmerzen. Mein Herz raste wild in meiner Brust und der Schreck saß tief in meinen Knochen. Doch widererwartend spürte ich keinen Schmerz.

Er hatte nicht auf mich geschossen.

Er hatte auf Yoongi gezielt.

Ich brauchte einen Moment, um das Geschehen zu realisieren und sah dann, wie der Schwarzhaarige neben mir zu Boden sackte. Alles geschah wie in Zeitlupe. Ein schmerzerfülltes Keuchen drang aus seinen blassen Lippen und mit Schrecken beobachtete ich, wie dunkles Blut seine Kleidung färbte und sich unter seinem Körper auf dem verdreckten Boden verteilte.

Ich wollte nicht wahrhaben, was ich da sah. Es wirkte nahezu surreal, wie er so dalag. Als wäre es alles bloss ein schrecklicher Traum.

Für wenige Aufenblicke war ich eingefroren. Dann löste ich mich wie ferngesteuert aus meiner Starre, konnte nicht verhindern trotz der Waffe, die nun auf mich gerichtet war, zu ihm zu laufen und auf die Knie zu fallen. Panisch presste ich meine Hände auf seine Brust, um den Blutverlust zu mindern, aber es quoll weiterhin unaufhaltsam aus seiner Wunde heraus. Ich hatte versagt. Die Person, die mir am wichtigsten war, die ich beschützen sollte, die es schaffte so viele verschiedene Emotionen in mir auszulösen, war tödlich verletzt worden. Trotz unserer Probleme war er mir so ans Herz gewachsen und nun könnte ich nichts mehr für ihn tun.

Yoongis Augen blickten unfokussiert umher und sein Gesicht wirkte aschfahl. Sein Körper zitterte, während er verblutete.

Eine tiefe Hilflosigkeit übernahm den einstigen Platz von Angst und Sorge. Sie mischte sich mit purer Wut und blankem Entsetzen. Ich merkte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten.

„Yoongi, kannst du mich hören?", flüsterte ich ihm zu und ignorierte die stechenden Blicke in meinem Nacken.
„Yoongi, bitte sag etwas."

Ein weiteres kraftloses Stöhnen verließ seinen Mund, aber er schaffte es meinen Blick zu erwidern.

„Viktoria.", keuchte er leise, zitternd, doch dann versagte seine Stimme und damit meine Hoffnung.

Ich konnte ihn nicht sterben lassen. Nicht hier, nicht jetzt. Aber ich konnte auch nichts mehr für ihn tun.

„Selina sagte mir bereits, dass du die schlechteste bist." Der Ton des Managers war voller Hohn. Er schnitt durch die Ruhe wie eine geschärfte Klinge. „Deswegen hat sie dich für diesen Auftrag ausgewählt. Sie wusste, dass du niemals dahinter kommen würdest, wer für die Drohungen verantwortlich ist."

Mit einem hasserfüllten Blick, drehte ich mich in seine Richtung. Der Mann stand dar, als wäre nicht geschehen. Als hätte er nicht auf seinen eigenen Schützling geschossen. Als wäre alles in Ordnung. Mir wollte nicht in den Sinn, wie rücksichts- und gewissenlos Menschen sein können. Ich verstand nicht, was in seinem Kopf vor sich ging, aber ich wusste, dass er vollkommen durchtrieben war. Ich wusste, dass er damit nicht davon kommen dürfte.

Selina hatte das Geräusch kaum wahrgenommen. Sie hing fast leblos in seinen Armen und versuchte nicht einmal sich zu befreien.

„Du hättest dir vielleicht ein bisschen weniger Mühe geben sollen.", sprach der Mann weiter. „Dann wär es möglicherweise nie soweit gekommen. Aber Taehyung musste unbedingt das Foto finden und Hoseok hat euch schlussendlich die Wahrheit erzählt. Es ist alles eure Schuld."

Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Alle meine Gedanken drehten sich um Yoongi. Seine Worte, seine Anschuldigungen vernahm ich kaum.

Der Manager öffnete erneut den Mund, wollte gerade noch etwas sagen, als fernes Sirenengeheul ihn wieder verstummen ließ. Für einen Moment wirkte er erschrocken, doch dann wich sein Ausdruck einem diabolischen Lächeln, das nicht krankhafter hätte sein können.

In mir keimte ein kleiner Hoffnungsschimmer auf, doch beim Anblick der gezückten Waffe und des Sterbenden Jungens, verblasste er sogleich wieder. Sie würden es nicht mehr rechtzeitig schaffen, den Manager davon abzubringen, mich zu töten und damit auch Yoongis Schicksal zu besiegeln.

Er nahm kaum mehr etwas wahr. Seine Wunde wollte nicht aufhören zu bluten, egal, wie viel Druck ich ausübte und mit Schrecken musste ich ansehen, wie er immer weiter in die Bewusstlosigleit abdriftete.

Ich wand mich von dem Manager ab und beugte mich hinunter. „Yoongi, bitte bleib bei mir.", flüsterte ich ihm verbittert zu. „Du darfst nicht einschlafen."

Sein Blick festigte sich wieder und ich spürte wie er mir aller Macht versuchte gegen die Schwärze anzukämpfen, die ihn übermannen wollte.

„Viktoria..." Seine Stimme war nur mehr ein leiser Hauch. Kraftlos, erschöpft.

„Es reicht jetzt.", dröhnte der Manager erneut und ich erwiderte seinen Blick.

„Du bist jetzt dran."

BTS - Personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt