„Fräulein!" „Heeee!!! Fräulein!!" ruft mich eine genervte Stimme. Eilig haste ich zum Empfang. Der Herr der so genervt geklungen hat trommelt ungehalten mit den Fingern auf den Tresen. Mein Onkel hat mich bestimmt hundert mal daran erinnert dass ich freundlich und nett zu seinen Kunden sein muss. Würde ich das nicht schaffen dann werde ich wieder in die Küche verbannt und darf für den Rest meiner Ferien Töpfe schrubben. Ich setze also mein freundlichstes Lächeln auf und begrüße den Herrn mit netter Stimme. Ich schnurre fast, aber nur fast. Am liebsten würde ich dem Kerl den Kopf abbeißen. Er ist etwa mittleren Alters, sieht nicht wirklich gut aus, eher so das Gegenteil. Er hat einen großen Schnauzbart und ein Doppelkinn. In Begleitung ist eine dürre Frau mit einer ziemlich hässlichen Brille. Sie schaut sich verkniffen um und ist auf der Suche nach etwas zu meckern. „Geht das nicht schneller?" fragt sie zickig als sie mich sieht. „Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung." sage ich höflich wie ich es gelernt habe. Ihr Akzent weist darauf hin dass sie Amerikanerin ist.
„Wir haben reserviert. Wir sind die Vorhut von der Expedition die zu den Pyramiden geht. Mein Name ist Prof. Dr. Scheffield und das ist meine liebreizende Kollegin Prof. Dr. Brown. Mein Assistent Herr Jones kommt in wenigen Augenblicken nach." Ich schenke den beiden mein allerherzlichstes Lächeln und sehe den Jungen Mann der gerade mit ihrem Gepäck herein kommt. Er scheint stark zu sein oder die vielen Koffer sind leer. Er balanciert vier Koffer und zwei Reisetaschen in seinen Armen. Auf dem Rücken hat er einen großen Rucksack. Er versucht die Eingangstür mit seinem Hintern zu öffnen. Entgeistert schaue ich zu ihm. „Bitte entschuldigen sie mich!" sage ich rasch und eile zu dem jungen Mann um ihm die Türe aufzumachen. Doch es ist zu spät. Er hat die Tür rückwärts geöffnet und stolpert über die kleine Stufe.Mit einem Krachen fallen die Koffer hin aber ich fange den Kerl auf ehe er in die Vase fallen kann die neben der Tür ist. Der Mann ist riesig. Schwarze Haare stehen struppig von seinem Kopf ab, seine Augen sind vor Schreck geweitet und der Mund leicht offen. In seiner Not hat er sich an mich geklammert und ich helfe ihm wieder auf die Beine zu kommen. Danach sammle ich seine Koffer ein. Ich drücke ihm zwei in die Hand und eine der Reisetaschen. Die anderen beiden Koffer und die zweite Reisetasche nehme ich selbst mit zum Empfang. Die Koffer sind voller Blei! Die sind sau schwer und ich höre das unangenehme knacken als der Absatz meines Schuhs bricht. Zum Glück bin ich bereits beim Tresen angekommen und stelle das elendig schwere Gepäck ab. Mein Zahnpastalächeln erscheint wieder und ich gebe den Herrschaften ihre Schlüssel. „Darf ich den Herrschaften das Gepäck aufs Zimmer bringen?" schnurre ich. Aber die beiden Professoren schauen ihren Assistenten hämisch an und sagen: „Danke, nicht nötig!" Ich schaue auf die Reservierung aber ich habe mich nicht vertan. Die beiden Professoren haben Suiten und ihr Assistent eins der billigen Zimmer im Pavillon. Ich beschreibe dem jungen Mann den Weg zu den Zimmern der Professoren und dann den Weg zu seinem Zimmer. „Ich kann gerne mit kommen und einen Teil des Gepäcks nehmen." schlage ich noch einmal vor. Der junge Mann wird rot und sagt: „Danke, aber das schaffe ich schon." Er hat eine angenehme tiefe Stimme die etwas heiser klingt. Ob er raucht? Nein, das würde ich riechen und dieser Fremde riecht nicht nach Tabak. Er riecht nach Seife und er hat einen warmen Eigengeruch. Er riecht richtig gut. Seinen Rucksack lässt er mir beim Empfang. Den holt er später ab wenn er in sein Zimmer geht. Ich nicke und nehme seinen Rucksack entgegen. Der junge Mann überlegt kurz dann lässt er zwei Koffer und eine Tasche ebenfalls bei mir. Mit den anderen beiden Koffern und der Reisetasche macht er sich auf den Weg zu seinen Besitzern.
Als er weg ist schaue ich mir meinen Schuh an. Der Absatz ist gebrochen. Gehalten wird das ganze nur noch von dem Stift der im Absatz steckt. Wenn ich auf dem Schuh eine falsche Bewegung mache ist er ab. Seufzend nehme ich auch den zweiten Schuh vom Fuß. Ich hoffe dass mein Onkel mich nicht erwischt wie ich barfuß am Empfang bin. Ich muss grinsen weil ich mich barfuß viel wohler fühle als in den engen High Heels die zu der Uniform des Hauses gehören. Herr Jones kommt in dem Moment herunter als der nächste Schwung der Expedition herein kommt. Die dreiköpfige Gruppe scheint aus Frankreich zu stammen, zumindest sprechen Sie Französisch. Ich begrüße die Gruppe freundlich und sie stellen sich ebenfalls als Professoren und Doktoren vor. Als sie ihre Schlüssel in Empfang genommen haben drücken Sie Herrn Jones ihr Gepäck in die Hand. Der schaut verdutzt und ich entschuldige mich. Ich nehme ihn die Koffer ab und husche geschwind die Stufen zu den Zimmern hinauf. Der erste Herr dem ich seine Koffer bringe ist nett und bedankt sich mit einem „merci beaucoup" Herr Jones gibt seine Koffer ebenfalls ab. Gemeinsam gehen wir die Stufen zum Empfang zurück. „Sind sie eine internationale Expedition?" frage ich das offensichtliche. Herr Jones nickt. Er erzählt begeistert was für Koryphäen die Damen und Herren auf dem Gebiet der Archäologie sind. Ich blinzle unsicher. „Das sind Archäologen?" frage ich atemlos weil Mutter mir den Auftrag gegeben hat Archäologen stets wachsam im Auge zu behalten. Sie sind unsere Feinde. Denn wir sind die Hüter der Pharaonen. Wir bewahren unsere Schätze und die Archäologen versuchen sie zu finden. Doch das uralte Wissen bleibt besser verborgen. Wehe wenn es ans Licht kommt.Jones jedenfalls interpretiert meine Atemlosigkeit etwas anders und schwärmt mir von den Archäologen vor. Es sind anscheinend die führenden Köpfe der wichtigsten Unis aus der ganzen Welt die zu dieser Expedition gemeinsam aufbrechen werden. Jones ist ganz aus dem Häuschen. „Stellen Sie sich doch nur vor was das bedeutet!" Er schaut mich mit funkelnden Augen glücklich an. „Dass sie die bleischweren Koffer schleppen müssen?" frage ich und bringe Jones aus dem Konzept weil er herzlich lachen muss. Doch dann schwärmt er mir von den Möglichkeiten vor die sich ergeben wenn die besten der besten Zusammentreffen. Ich muss über seinen Enthusiasmus ein wenig Lächeln. Er erzählt so begeistert von den Pharaonen und ihrer Geheimnisse dass wir beide darüber vergessen dass ich ja eigentlich einen Job habe. Am Empfang steht mein Onkel und er lächelt. Mir sinkt das Herz in die Hose als er mich anlächelt. Ein Schakal könnte nicht bedrohlicher grinsen. Aber selbstverständlich bringen wir Ihr Gepäck aufs Zimmer!" sagt er seinen Gästen und ich beeile mich die schweren Gepäckstücke hinter ihren Besitzern her zu schleppen. Als der letzte Koffer glücklich bei seinem Besitzer angekommen ist gönne ich mir eine kleine Verschnaufpause im Foyer. Doch ich habe nicht meinen Onkel bemerkt. Wie eine Furie geht er auf mich los und schilt mit mir dass ich unangemessen gekleidet bin und nicht freundlich genug gewesen sei. Er findet immer etwas an meiner Arbeit auszusetzen. Heute ist er besonders schlecht gelaunt und er schlägt mir ins Gesicht weil ich ihn wütend angeschaut habe. „Du gehst ab sofort in die Küche! Brüllt er doch ehe er ein weiteres mal zuschlagen kann ist der Fremde junge Mann der mit den Archäologen gekommen ist hinter meinem Onkel. Jones hält die Hand meines Onkels fest und er knurrt: „Wehe sie schlagen noch einmal das Mädchen wenn ich in der Nähe bin!" Mein Onkel schnellt herum aber Jones ist schneller als mein Onkel und wehrt den Tritt ab. Jones hat sehr schnelle Reflexe. Mein Onkel ist nicht gerade erfreut darüber dass der Fremde mir zu Hilfe gekommen ist. „Netjeret! Ab in die Küche!" befiehlt er mir. Da ich auf sein Geld echt angewiesen bin sehr ich zu dass ich so schnell wie möglich in die Küche gelange.
Das Abendbrot will vorbereitet werden. Unser Koch ist ein Meister seines Faches und er freut sich dass ich heute seine Hilfe bin. Ich arbeite schnell und effektiv. Ich decke die Tische akkurat ein und bereite die Getränke vor. Dann baue ich das Buffet auf und trage die Schüsseln und Platten rein während sich der Speisesaal mit unseren Gästen füllt. Während die Gäste Speisen schrubbe ich die großen Pfannen und Töpfe. Wenn ich mich beeile dann ist die Arbeitsfläche frei ehe sich das Geschirr sich dort stapelt. Ich Spüle die Teller und Gläser im Akkord. Ich beeile mich da ich heute Abend den Gästen noch Getränke aufs Zimmer bringen soll. Es gibt immer wieder Gäste die ihren ersten Abend gebührend feiern möchten. Als auch der letzte Gast zufrieden gestellt ist bin ich völlig geschafft. Ich gehe am Empfang vorbei um meine kaputten Schuhe zu holen. Dann gehe ich in meine Kammer. Doch als ich meine Tür öffne merke ich dass etwas nicht stimmt. In meinem Zimmer steht ein fremder Rucksack und in meinem Bett liegt ein Mann und liest. Es ist Jones und er schaut mich erwartungsvoll an. Ich starre ihn an und stammle: „ihr Zimmer ist aber nebenan!" Jones wird rot und entschuldigt sich mehrfach.