Als ich erwache liege ich im Bett und endlos viele Wölfe liegen um mich herum. Ich bin eingemummelt in lebende Pelzdecken. Sebastian hält mich in seiner menschlichen Form im Arm und seine Oma bringt einen heißen Tee. Dankbar nehme ich ihr das Heißgetränk ab und nehme ein paar Schlucke des heißen Tees. Oma schaut mich lieb an und sagt: „Du bist ein mächtiger Wächter. Einen Eisbären im Alleingang anzugreifen ist mutig. Warum hast du das getan?" Ich weiß nicht was ich sagen soll. Darum lehne ich mich an Sebastian. Seine Nähe und seine Wärme helfen mir gegen meine Unsicherheit und Angst. „Ich bin es gewohnt alleine zu kämpfen. Wir Panther jagen nicht in der Gemeinschaft. Ich liebe Sebastian und ich weiß dass ihr anders seid. Ihr haltet zusammen. Hätte ich meiner Mutter gegenüber die gleichen Worte genutzt wie Sebastian sie seiner Mutter gegenüber genutzt hat, dann hätte ich ein Problem. Sie hätte mich nicht nur verjagt sondern vorher noch getötet. So respektlos kann man nur miteinander umgehen wenn man sich der Liebe und Zuneigung seines Gegenüber absolut sicher ist. Ihr seid alle losgerannt um dem Welpen zu helfen. Ich bin durch Sebastian Teil dieser Familie. Also bin auch ich mit gerannt um den Kleinen zu schützen." Oma nickt anerkennend mit dem Kopf und Sebastian gibt mir einen Kuss. „Du hast bis zur völligen Erschöpfung einen fremden Welpen verteidigt." sagt Oma. Ich schüttle den Kopf. „Ich bin dazu ausgebildet auch große Gegner zu bezwingen. Die Größe des Bären war okay. Ich bin an seinem Pelz gescheitert. Ich habe ihm die Kehle nicht komplett zudrücken können weil ich nur Haare im Maul hatte und ich habe mich in diesem extrem glatten Fell nicht festkrallen können. Darum konnte mich der Bär abschütteln." Oma legt den Kopf schief. „Kind, du bist zusammen gebrochen." Ich winke ab. „Das war nur weil ich mich im Freien gewandelt habe. Die Wandlung raubt mir ziemlich viel Energie. Mir ist danach immer eiskalt. In der Wüste ist das vielleicht ein Vorteil, hier im Eis lebensgefährlich." Oma hebt eine Braue. Sie scheint beeindruckt zu sein dass ich mir zutraue einen Bären zu erlegen. „Wie jagst du eigentlich normalerweise?" fragt sie mich. „Ich liege oft lange auf der Lauer und warte bis die Beute zu mir kommt." gebe ich zu. „Dafür hast du gerade einen guten Sprint hingelegt." sagt Oma. Ich nicke. „In der Wüste sind die Versteckmöglichkeiten rar. Ich muss schneller sein als meine Beute." das leuchtet allen ein. „Wir jagen in Gemeinschaft. Wenn du mit uns kommst darfst du langsamer machen. Wir jagen unsere Beute bis sie erschöpft ist. Und wir greifen als Pulk an." „Danke." flüstere ich und bin mir nicht sicher ob ich mit auf die Jagd gehen möchte. Hier ist es mir viel zu kalt. Eine Frau meldet sich zu Wort und sagt: „Ich möchte mich bei Netjeret bedanken. Wäre sie nicht losgestürzt wären wir zu spät bei meinem Kleinen angekommen." Ich schaue zu der Frau und es ist eine derjenigen, die Sebastian dafür blöde angemacht haben weil ich eine Katze bin. Ich staune sie an. Dass sie so sehr über ihren Schatten springen kann hätte ich nicht gedacht. Ich freue mich dass sie nun besser von mir denkt. Freudig senke ich den Blick und biete ihr sozusagen meinen Kopf an. Doch sie streicht mir natürlich nicht ihre Wange gegen meinen Kopf. Wir sind ja auch gar nicht in Tiergestalt sondern in unserer menschlichen Form. Oma gibt mir einen Knuff gegen meinen Oberarm. „Nicht so schüchtern Mädchen! Den Dank darfst du gerne annehmen!" Verwundert schaue ich zu Oma auf. Aber genau das habe ich dich getan! Mit entblößtem Nacken den Dank entgegen zu nehmen ist das Zeichen höchsten Vertrauens. Mehr geht doch nicht, oder? Ich schaue Oma aus großen Augen an. Die sieht zum Glück meine Verwirrung. Sie lächelt mir zu und sagt: „Du musst dich nicht schämen. Freu dich einfach über das Lob und nimm es an. Ohne dich hätten wir einen Welpen weniger im Rudel. Dass der kleine lebt ist alleine sein Verdienst und wir sind Dir alle unendlich dankbar dass du ihn gerettet hast. Es schmälert deinen Einsatz nicht dass du dich dabei nicht einmal verausgabt hast. Im Gegenteil. Glaub mir, selbst Fenrir oder Sebastian hätten den Bären nicht im Alleingang angegriffen und das sind unsere kräftigsten Alpha." Oma sagt das so lieb dass ich auch ihr aus Respekt meinen Blick senke. Oma seufzt und steht auf um zu gehen. Die Wölfe folgen ihr alle bis auf Sebastian. Geknickt bleibe ich zurück und weiß nicht was ich falsch gemacht habe. Auch Sebastian seufzt enttäuscht. Ich habe sie alle enttäuscht und weiß nicht einmal was ich verkehrt gemacht habe. Ich merke wie meine Augen anfangen zu brennen. Die leere Tasse die ich noch krampfhaft in den Händen halte stelle ich auf das Nachtschränkchen. Sebastian fragt: „Ist dir wärmer?" Ich nicke. „Soll ich bleiben oder zu den anderen gehen?" Ich sage traurig: „Geh zu den anderen." Sebastian gibt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich dann alleine mit meinen Gedanken. Ich weiß einfach nicht womit ich die anderen so fürchterlich enttäuscht habe. Ich mummle mich in die Decken ein und hoffe einfach dass sie mich hier nicht erfrieren lassen. So fair wird Sebastian ja hoffentlich sein dass er mich noch in wärmere Gefilde bringt auch wenn ich ihn enttäuscht habe. Warum seufzen sie? Das ist die höchste Form der Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. In Gedanken lasse ich das ganze Gespräch noch einmal Revue passieren. Leider komme ich nicht darauf was ich falsch gemacht haben könnte.
Die Kälte dringt mir immer tiefer in die Knochen. Ich rolle mich ganz eng zusammen und ziehe mir die Decke über den Kopf. Und dann bekomme ich plötzlich Heimweh. Mir wird schlagartig bewusst dass ich weit weg von zu Hause in einer Umgebung bin die meiner Heimat so gar nicht ähnelt. Alles ist anders und ich finde mich nicht zurecht. Ich weine mich ein bisschen in den Schlaf.
Ich wache auf weil mich Sebastian weckt. „Hey, was ist los? Warum weinst du?" Ich habe blöde Sachen geträumt. Yggdrasil hat zu mir gesprochen und mir gesagt dass ich für immer hier oben Im hohen Norden leben muss. Dann war da noch Dr Sheffield der mir gesagt hat dass er jetzt bei den Wölfen wohnt und ich hier nicht mehr bleiben darf. Ich muss mich erst einmal sammeln. „Ich habe schlecht geträumt." gebe ich zu. Ärgerlich wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Was hast du denn geträumt?" fragt Sebastian neugierig. „Nicht so wichtig. Irgend einen Mist mit Dr. Sheffield." sage ich missmutig. „Oh Gott!" sagt Sebastian und nimmt mich überfallsartig in den Arm. Ich bin im ersten Moment sprachlos, im zweiten heule ich mal wieder Rotz und Wasser. Zum Glück sagt Sebastian genau gar nichts. Ich darf einfach nur flennen und mich scheisse fühlen ohne mich erklären zu müssen. Als ich mich beruhigt habe sagt Sebastian ganz zart: „Das tut mir leid." Ich weiß nicht was ihm leid tut aber ich lasse es unkommentiert stehen. Sebastian zieht sich seinen Schlafanzug an und krabbelt zu mir ins Bett. Endlich wird es warm unter meiner Decke. „Meine Güte ist das Kalt hier!" sagt er ganz erschrocken. Als ich ihm dann noch meine eisigen Füße an die Beine halte sagt er: „Man könnte glauben du wärst gar nicht im Bett gewesen! Was hat du gemacht?" „Gefroren." sage ich kläglich. „Warum hast du nichts gesagt?" fragt er und ich zucke die Schultern. „Ich weiß nicht." sage ich kleinlaut. „Ich glaube ich habe geschlafen." Sebastian schaut mich an und sagt: „Du wirkst so unglücklich. Was ist los?" Wieder zucke ich mit den Schultern. Ich lege mich in seinen Arm und automatisch zieht er mich an sich heran und streichelt mich. Dann platzt es aus mir heraus: „Wieso mag mich deine Familie nicht? Was habe ich falsch gemacht?" Ich erschrecke mich selbst vor meinem bittren Tonfall. Sebastian hört jedenfalls auf mit dem Streicheln und schaut mich verwundert an. „Wie kommst du denn jetzt da drauf?" „Ihr habt vorhin alle geseufzt und als ich meinen Blick gesenkt habe hat keiner seinen Blick gesenkt. Im Gegenteil alle haben mich angestarrt. Und deine Oma hat mich sogar geknufft und geseufzt. Und du auch." den letzten Satz kann ich nur ganz leise und traurig sagen weil es echt weh getan hat. Nachdenklich streichelt Sebastian mich wieder. „Wir haben geseufzt weil du so schüchtern warst und das Lob nicht annehmen wolltest." sagt er nachdenklich. „Glaube ich." schiebt er hinterher. „Zumindest sah es so aus weil du deinen Blick gesenkt hast." erklärt er mir. Ich starre ihn mit offenem Mund an. „Aber man muss doch den Blick senken wenn man jemandem Respekt zollen möchte. Oder?" Sebastian schaut mich an und sagt: „Nein. Wer den Blick senkt der unterwirft sich. Oder schämt sich. Je nachdem." Ich schaue Sebastian erschrocken an. „Du hast uns missverstanden und wir dich. Stimmt's?" fragt Sebastian und ich nicke traurig. Er zieht mich liebevoll an seine Brust. „Ich bin froh dass du mit mir darüber gesprochen hast. Ich sage Oma morgen Bescheid dass es da ein kleines Kommunikationsproblem gab. Glaub mir, meine Familie mag dich!" Ich lächle noch nicht wirklich überzeugt. „Was bedrückt dich noch?" fragt er. „Mir ist immer so schrecklich kalt. Ich habe gerade geträumt ich müsse hier erfrieren." „Wir müssen dich wirklich Wärmer einpacken. Soll ich dir noch ein paar Decken holen?" Kurz überlege ich, schüttle aber den Kopf. „Nein, danke. Bleib lieber bei mir. Mit Dir an meiner Seite ist mir nicht mehr kalt." „Warum hast du mich dann weg geschickt?" fragt Sebastian. „Ich? Ich habe dich doch nicht weggeschickt?" frage ich entsetzt. „Doch, vorhin. Ich hab dich gefragt ob ich bleiben oder gehen soll und du hast dich fürs Gehen entschieden. Ich dachte du wolltest alleine sein." Ich schaue Sebastian ungläubig an. „Ich hätte gedacht du wolltest gerne weg gehen." Ich schaue ihm ins Gesicht und sage: „Kommunikationsproblem." Sebastian grinst. „Offensichtlich!" dann zieht er mich in einen innigen Kuss. „Wenn ich dir sage dass ich dich liebe, was verstehst du dann?" fragt er mich sanft. Ich antworte: „Dass du im Moment mit mir glücklich bist und mich gerne um dich hast." Sebastian sagt zart: „Kommunikationsproblem!" und lacht glucksend. Ich schaue ihn groß an und er sagt: „Wenn ich dir sage dass ich dich liebe dann meine ich dass ich nicht nur jetzt sondern auch in Zukunft dich gerne um mich habe. Dass ich mit dir an meiner Seite heute, morgen und in alle Ewigkeit glücklich bin. Wenn du nicht mehr da bist dann sterbe ich an gebrochenem Herzen." Ich schaue ihn an und finde es unglaublich schön was er gesagt hat und wie er es gesagt hat. Gerne würde ich das selbe für ihn empfinden. „Ich liebe dich!" sage ich und dann küssen wir uns wieder und wieder. Bis mir nicht nur warm sondern richtig heiss ist.