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Ich lande mit einem knacken meiner Knochen auf dem harten Boden. Der Aufprall hat mir die Luft aus den Lungen gedrückt und mir schwinden kurz die Sinne. Doch ich höre Sebastians erleichterte Stimme: „Luna!" er kommt zu mir um mir aufzuhelfen. „Wie gut dass du da bist! Ich hatte schon befürchtet dass sie für dich eine andere Strafe im Sinn hätten." Ich werfe mich in seine starken Arme und weine. „Das wollten sie auch. Aber ich bin weggelaufen um zu Dir zu gelangen." „Was? Du bist freiwillig in dieses dunkle Loch gesprungen?" fragt Sebastian erstaunt. „Für dich springe ich überall rein. Ins Eismeer oder in dunkle Löcher. Ich möchte nicht von dir getrennt sein." sage ich und Sebastian zieht mich in eine innige Umarmung und küsst mich. Es ist finster in dem Loch. Spärliches Licht kommt nur von oben. Überall um uns herum liegen Knochen. Es sind wohl die Überreste der anderen Opfer. Sebastian kramt eine kleine Taschenlampe aus seinem Rucksack. Wir schauen uns etwas genauer um. Die Höhle scheint eine natürliche zu sein. Die Wände sind rau und rissig. Der Schacht ist von hier unten nicht zu erreichen. Man bräuchte Flügel. An der hinteren Wand ist ein Mann angekettet. Er ist völlig nackt und er hängt wie tot in den Seilen. Seine langen braunen Haare fallen ihm ins Gesicht. Ein dicker Holzpflock ragt aus seinem Brustkorb. Sebastian zieht zwischendurch Luft durch seine Zähne. „Nicolae!" sagt er gepresst. Ich schaue mir den geschundenen Leib an, er sieht genau so zerschlagen und verstümmelt aus wie dieser arme Kerl auf den Bildern und Skulpturen im Petersdom zu Rom. Nackt, mit unzähligen Wunden übersät hängt er mit ausgebreiteten Armen an der Wand. Es sieht schmerzhaft aus was er vor seinem Tod erfahren hat. es scheint kaum noch einen Knochen an seinem Körper zu geben der nicht gebrochen ist und kein Zentimeter seiner Haut ist unversehrt. Sebastian zieht Nicolae den Pflock aus der Brust. Der arme Mann hat nun ein riesiges Loch in seiner Brust. Er tut mir so Leid. Ich gehe zu dem Geschundenen und berühre ihn. Ich merke wie ein Schauer durch den toten Körper geht. Ich streichle den gequälten Leib und Hauche ihm einen Kuss auf die Stirn. Ein leises, fast unhörbares Stöhnen entfleucht seinen Lippen. Eine meiner Tränen fällt auf ihn und es zischt auf seiner Haut. Die Wunden um die Träne schließen sich. Sebastian löst die Ketten des Toten und ich fange den Leichnam auf. Vorsichtig Betten wir ihn auf den Boden. Meine Tränen fallen auf Nicolae und seine Wunden heilen. Doch Nicolaes Geist wird dadurch nicht gerufen. Um ihn in seinen Körper zu locken braucht er Blut. Ich nehme den Holzpflock, löse einen Splitter und ramme mir den in meinen Finger. Die Blutstropfen lasse ich in Nicolaes Lippen fallen. Als Sebastian sieht was ich da tue sagt er entsetzt: „Luna, was tust du da?" Ich schaue meinen Liebsten an und sage: „Ich mache ihn lebendig. Er kann uns hier aus diesem Loch heraushelfen." Sebastian schaut skeptisch. Die drei Tropfen helfen nicht wirklich. Sebastian bettet Nicolae auf seinen Schoß und dann beißt er sich fest in den Arm. Er hat die Schlagader getroffen und nun gelangt viel Blut in Nicolae. Nicolae taut langsam auf und er öffnet seine Augen. Er liegt in Sebastians Armen und schaut verdattert. „Wo bin ich?" fragt er verwundert. „In einem alten, tiefen Loch." sagt Sebastian. „Irgendjemand hat dich hier an die Wand gehängt und Dir einen Holzpflock ins Herz gerammt." Nicolae setzt sich auf und muss erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes seine Knochen sortieren. Er verzieht sein Gesicht als sei das schmerzhaft. Sebastian stützt ihn. Als Nicolae alleine sitzen kann zieht Sebastian sein T Shirt aus und gibt es Nicolae. Für den Vampir ist es ein Kleid. Das Shirt reicht ihm bis zu den Oberschenkeln. „Danke." flüstert Nicolae. „Bedank dich nicht bei mir. Es war Netjerets bescheuerte Idee dich wieder lebendig zu machen." knurrt Sebastian. Nicolae schaut mich an als habe er noch nie eine Frau gesehen. Seine Augen sind weit aufgerissen und sein Mund steht offen. „Netjeret." flüstert er wie im Traum. Ich schaue ihn an und vermute mal dass er meinen Namen kennt. Ich habe mich ihm im Traum ja vorgestellt. Ich lächle ihn an. „Wir haben Peter versprochen dass wir euch bei der Erlösung Drogos helfen." sage ich. Nicolae schaut mich an als wollte er mich küssen. „Ihr kennt Peter?" fragt er erstaunt. „Ja, Peter ist mein Student." sagt Sebastian. „Ihr seid Peters Sonne und Mond?" fragt Nicolae neugierig. Wir nicken und Nicolae fragt ungläubig: „und ihr seid hier her gekommen um mich zu retten?" Sebastian knurrt: „Deine Rettung ist eher ein Kollateralschaden." Nicolae bekommt große Augen. „Wir sind Werwölfe." erkläre ich. „Er ist Sebastian Jones und ich bin seine Luna. Wir sind nicht wegen Dir hier. Sebastian ist Dozent an der Universität von Mystery Spell und er leitet eine archäologische Expedition zu den Ruinen von Teotihuacan. Wir sind zufällig einem der Kuchi Kodao in die Hände gefallen und die Santa Muerte hat uns in dieses Loch werfen lassen. Haben die dich auch entdeckt als du in ihre Sonnenpyramide eindringen wolltest?" Nicolae schaut sehr erstaunt und dann schüttelt er den Kopf. „Mich haben Vampire erwischt. Ich habe mich ein wenig zu auffällig nach K'inich Ahau, dem Sonnengott der Maya umgehört. Sie haben mich in der Sonnenpyramide geschnappt und mich versucht umzubringen. Zumindest für sehr lange Zeit außer Gefecht zu setzen." Nicolae hält sich seinen Oberkörper fest und verzieht schmerzhaft sein Gesicht. „Warum interessierst du dich für die alten Götter? Wir haben dich auch in der Sphinx und am Yggdrasil gewittert." Nicolae schaut ertappt. Dann schämt er sich. „Ich benötige das alte Wissen um die Gestirne aus der Bahn zu werfen. Erst wenn es mir gelingt dass sich die Sonne um den Mond dreht kann ich Drogo erlösen." „Du würdest die Welt untergehen lassen um Drogo zu retten?" frage ich entsetzt. „Ich würde alles tun um Drogo zu retten." sagt Nicolae und schämt sich dafür. „Warum würdest du das tun?" frage ich so sanft wie ich nur kann ohne zu schnurren. Nicolae schaut mich mit seinen großen braunen Augen traurig an. „Weil ich ihn liebe." sagt er leise. Ich lächle ihn zu und nicke. Ich lege ihm meine Hand auf den Rücken und streichle ihn ein bisschen. „Wir wollen Dir und Peter gerne helfen Drogo zu befreien." sage ich zu Nicolae und der schaut mich erstaunt an. „Warum?" fragt er. „Ich bin bei Werwölfen normalerweise nicht gerade beliebt." Sebastian lacht auf. „Nicht beliebt ist untertrieben!" schnaubt er durch die Nase. „Weil wir Peter mögen." sage ich um Nicolae zu erklären warum wir helfen wollen. „Weil die erste Vision die Netjeret zu meine Luna und meiner Frau gemacht hat von Drogo und Dir gehandelt hat. Wir wissen noch nicht warum aber wir denken dass ihr wichtig seid." Nicolae blinzelt uns erstaunt an. „Du hast von mir geträumt?" fragt er ungläubig. Ich zucke die Achseln. „In meiner ersten Vision habe ich nur Drogo gesehen. Aber ich habe dich gehört und mit dir zusammen nach Phoebus gerufen. Daraufhin sind wir nach Rom gereist und habe ich Apollo geweckt und zu dir geschickt. Ich hoffe dass er dir helfen konnte." sage ich zu Nicolae. Dem steht der Mund offen. Du hast Apollo zu mir gesandt?" fragt er unsicher. Ich nicke. „War das falsch?" frage ich zweifelnd. „Nein, nur dass Apollo mir gesagt hat dass er nicht helfen kann und ich einen anderen Sonnengott finden muss." Nicolae lässt seine Schultern unglücklich hängen.

Sebastian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt