Wir werden heute nicht von Dr. Sheffield geweckt. Die Sonne weckt uns weil es in unserem Zelt unerträglich heiß und stickig wird. Es ist halb zehn und das Camp ausgestorben. Ächzend kriechen wir aus dem Zelt. Blöderweise ist mein Handtuch nicht da. Ich habe es gestern irgendwo in der Wüste fallen gelassen. Sebastian bietet mir an dass wir uns seins teilen. Gemeinsam schlendern wir gut gelaunt zu den Duschen. Da wir alleine sind können wir uns Zeit lassen. Wir unterhalten uns unter der Dusche darüber, dass wir mehr Wächter bräuchten die uns unsere Funde bewachen helfen. Als wir das Wasser abdrehen sind wir uns einig dass wir Dr. Sheffield sagen werden dass es in der Wüste Räuberbanden gibt die Gräber plündern. Ich verrate Sebastian natürlich nicht dass ich die vergangenen beiden Nächte schon gegen diese Kerle gekämpft habe. Sebastian reicht mir sein Handtuch über die Kabinenwand. Rasch trockne ich mich ab, gebe es zurück und ziehe mich an. Heute brauche ich mich echt nicht föhnen. Die Sonne ist jetzt kräftig genug um meine Haare zu trocknen. Als ich aus der Duschkabine komme schaut mich Sebastian merkwürdig an. Er schaut als habe er mich noch nie gesehen. Er lächelt und sagt unvermittelt: „Du bist schön." Ich bin völlig perplex und weiß gar nicht was ich darauf erwidern soll. Er stellt sich dicht vor mich und streift eine schwere nasse Haarsträhne aus meinem Gesicht. Ich lächle ihn unsicher an und Sebastian wird rot und wendet sich zum Gehen. Hat der Typ mir gerade allen Ernstes ein Kompliment gemacht? Ich bin völlig durcheinander. Sebastian gefällt mir nämlich sehr gut. Zu gut. Aber als Gestaltwandler sollte ich mich hüten mehr als nur freundschaftliche Gefühle zu ihm zu haben. Ich folge Sebastian zu unserem Zelt. Er geht richtig schnell. Ich müsste rennen um ihm zu folgen. Ich folge ihm aber langsamer. Er hat so einen raubtierhaften Gang. Er könnte glatt ein Löwe sein. Ich seufze leicht. Ich befürchte dass da der Wunsch Vater des Gedankens ist. Sebastian ist garantiert kein Löwe. Er stammt aus einer ganz anderen Welt. Löwen gibt es in Afrika, nicht in Amerika und schon gar nicht in Kanada. Schade eigentlich. Es hätte zu ihm gepasst, zumal er mir ja anvertraut hat ebenfalls ein Hüter alten Wissens zu sein. Ich betrachte seine Rückseite und frage mich ob er dich ein Gestaltwandler sein könnte. Die Pferde haben jedenfalls sehr panisch auf ihn reagiert. Und hatte er damals nicht gesagt er wäre etwas anderes als er erschiene? Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum.
Sebastian bleibt leider (oder zum Glück) für den Rest des Tages auf Abstand. Die Archäologen legen noch weitere Grabkammern frei. Wir dürfen die allerdings nicht betreten. Ich finde das echt gemein von den Herrschaften. Wir haben ihnen gestern unsere Entdeckung gezeigt. Sebastian spricht mit Dr. Sheffield. Da ich mich mit Dr. Brown in der Wolle habe weswegen wir nicht auch einmal die Grabkammern betreten dürfen bekomme ich nur mit halbem Ohr mit was die beiden Männer bereden. Irgendwann spricht Sebastian aber deutlich lauter und sehr wütend: „Ich habe die Räuber gesehen, okay? Ich habe sie jetzt die zweite Nacht um unser Camp schleichen gesehen! Die werden bestimmt wieder kommen und wenn sie mit bekommen welche Schätze ihr hier habt werden sie sie holen. Dr. Sheffield lacht Sebastian aus und sagt: „Jungchen, wir haben doch Gewehre dabei. Meinst du nicht dass wir die Diebe verjagen können?" Oh, Mann! Ist der blöd! „Nein könnt ihr nicht!" fauche ich. Sowohl Sheffield als auch Sebastian schauen mich fragend an. „Die Grabräuber sind nicht wenige. Sie sind gut bewaffnet. Auch die haben Gewehre. Wenn euch euer Leben lieb ist solltet ihr auf Sebastian hören." Dr. Sheffield lacht mich aus. „Mädchen, was weißt du denn schon vom Leben?" fragt er mich. „Von euch in Amerika weiß ich nichts! Aber ich kenne meine Leute. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Jeder weiß dass Grabräuber sehr viel kriminelle Energie besitzen. Diese hier treten als Gruppe auf. Wären sie nicht verjagt worden dann hätten sie schon gestern angegriffen." Mist! Ich hab mich verplappert! „Wer soll sie denn verjagt haben?" spottet Dr. Sheffield und Dr. Brown fällt lachend mit ein: „Etwa du und dein lover?" Ich Rümpfe die Nase und sage: „Nein, es waren irgendwelche wilden Tiere." Sebastian nickt. „Ein Panther und ein Wolf um genau zu sein. Ich habe sie auch gesehen." die Gelehrten schauen uns an als wären wir nicht ganz bei Trost. „Ein Wolf in der Wüste? Hast du in Biologie nicht aufgepasst?" fragt Dr. Brown sarkastisch. „Ja, es war definitiv ein Wolf." sagt Sebastian stur. Ich bin mir nicht so sicher und schaue ihn fragend an. Ich hätte ja doch eher auf Fuchs oder Hund getippt. Doch Sebastian scheint sich sehr sicher zu sein so wie er guckt. Die Gelehrten hören nicht auf uns. „Du solltest heute Nacht nicht im Lager sein." sagt mir Sebastian leise ins Ohr. Ich schaue ihn fragend an. „Ich bin mir sicher dass die Räuber heute Nacht wieder kommen." Ich nicke ängstlich. „Ich werde auf keinen Fall das Camp verlassen wenn meine Häscher da draußen sind!" sage ich zitternd. Sebastian schaut mich entsetzt an und rauft sich die Haare. „Das kann doch nicht wahr sein!" jammert er und wirft seine Hände zum Himmel. „Jeder weiß dass Gold Diebe anlockt wie Scheisse die Fliegen!" Ich muss bei diesem Vergleich lachen. Zum Glück hören die Deutschen Sebastians Gejammer. Sie organisieren sich sehr schnell Sicherheitskräfte die das Camp und seine Schätze bewachen. Ich bin sehr erleichtert. Heute Nacht werde ich nicht ausrücken müssen. Sebastian und ich sitzen noch lange mit den anderen am Lagerfeuer. Es ist richtig gemütlich und ich würde am liebsten gar nicht ins Bett gehen. Die durchwachten Nächte machen sich aber leider doch bemerkbar und ich verabschiede mich von den anderen um ins Bett zu gehen. Als ich im Dunkeln von dem Waschraum zu unserem Zelt gehe werde ich von hinten grob gepackt und mir der Mund zugehalten. Panik lähmt mich. Was, wenn das Wächter sind die mich nun kassieren? Oder Räuber die unser Camp überfallen? Der Fremde knetet meinen Busen und stöhnt mir ins Ohr. Das tut weh und er riecht unangenehm. Aus der Nacht taucht ein Schatten auf und schlägt meinen Angreifer zu Boden. Ich schaue den großen Kerl immer noch panisch an. „Netjeret, ich bin es!" sagt der Mann und ich schaue ihn ängstlich ins Gesicht. Es ist Sebastian! Ich bin so erleichtert dass er es ist. Zum Glück hat er mir gegen den Fremden geholfen. Sebastian nimmt mich in den Arm und drückt mich sachte. Ich schaue zu dem Mann den Sebastian niedergeschlagen hat und das ist Dr. Sheffield. Ich bin in diesem Moment völlig neben der Spur. Nichts von dem was ich gelernt habe konnte ich anwenden. Ich habe mich nicht verteidigen können sondern nur wie ein wehrloses Opfer abwarten können. Tausend Emotionen und Ängste prasseln auf mich ein. Ich fange an zu weinen und Sebastian nimmt mich kurzerhand auf seine Arme und trägt mich in unser Zelt. Er versucht mich zu trösten und nach einer Weile hat er mich so weit beruhigen können dass ich nicht mehr so fürchterlich weinen muss. Ich liege irgendwann entspannt in seinen Armen und gerade als wir uns zur Nacht umziehen wollen hören wir die Schreie und Rufe der Kämpfer. Sebastian sagt mit Angst erfüllter Stimme: „Lass uns von hier verschwinden!" Ich nicke und folge ihm. Wir laufen in den Schutz der Dunkelheit aus dem Lager hinaus. Wir gehen weit. Ich hätte ja eh vor Sebastian unser heiliges Buch zu zeigen. Darum fliehen wir zur Sphinx. Sie ist das Symbol für unser Volk. Natürlich sind wir nie Katzen mit menschlichem Kopf. Aber der Künstler wollte unser Wesen einfangen. Wir sind Raubkatzen die einen menschlichen Verstand haben und Menschen die raubtierhafte Instinkte besitzen. Wir können von einer zur anderen Form wechseln. Ich kenne den Eingang zur Bibliothek weit unter der Sphinx. Ich betrete mit Sebastian den heiligen Ort und ich führe ihn an den vielen Büchern zum Herzen des Tempels. Dort liegt unser heiliges Buch auf einem Pult. Sebastian darf es lesen. Er liest aber nicht sondern fotografiert die Seiten mit seinem Handy ab. Noch während er das tut höre ich leise Schritte. Ich gehe um nachzusehen wer sich noch in der Bibliothek aufhält. Es sind Grabräuber! Ich wandle mich in meine Panther Gestalt und greife fauchend und knurrend an. Mit einer Pranke schlage ich auf das Warnsystem. Es ist eigentlich ein ausgeklügeltes System, eingelassen im Fußboden und in einigen Regalböden, damit unbefugte Eindringlinge erwischt werden. Ich weiß ja wie man das System umgeht und so konnte ich mit Sebastian zum Herzen vordringen. Doch die Räuber scheinen es auch zu kennen. Es sind viele Räuber und sie sind gute Kämpfer. Sie tragen Schlingen bei sich und sie wollen meine Beine fesseln. Ich schaffe es zwar meine Beine zu befreien aber dann ziehen sie eine Schlinge um meinen Hals. Der schwarze Wolf aus der Wüste beißt meinen Häscher so dass der los lässt und ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Der Wolf und ich stehen Hinterteil an Hinterteil und wir drehen uns knurrend und fauchend um uns selbst. Die Räuber haben einen Kreis um uns gebildet und sehen entschlossen aus uns anzugreifen. Zum Glück kommen die Wächter. Die Leoparden töten die Räuber. Der Wolf und ich versuchen abzuhauen. Zwei Leoparden stellen sich uns in den Weg. Es ist meine Mutter. Sie faucht mich zwar an aber sie sagt: „Bitte hilf uns! Da draußen sind noch einmal so viele Räuber!" ich beuge mich meiner Mutter und kämpfe an ihrer Seite gegen die fremden Männer. Nach dem Kampf versiegeln wir unseren Tempel wieder. Doch bevor das letzte Siegel verschlossen wird kommt eine Tante von mir ganz aufgeregt und sagt: „Sie haben das Herz!" Das Herz der Sphinx ist gestohlen!
