21

389 16 2
                                    

Nach dem Frühstück machen wir uns auf zum Palatin. Auf den ersten Blick sehe ich nichts. Sebastian macht mich auf die Ruinen aufmerksam und er beschreibt mir wie einst der Tempel ausgesehen hat. Ich muss fast weinen weil es mir in der Seele weh tut dieses Heiligtum so zerstört zu betrachten. Wer auch immer Apollo um Hilfe angefleht hat Apollo scheint verschwunden zu sein. Zumindest liegt sein Haus in Trümmern. Es ist Mittag und es ist richtig schön sonnig. Ich setze mich auf eine der Ruinen und halte mein Gesicht in die Sonne. Es tut gut die wärmenden Strahlen auf der Haut zu spüren. Ich versuche mich gedanklich mit Apollo zu verbinden. Mit Ra kann ich mich ja auch verbinden. Ich lasse mich auf den Ort und seinen Gott ein und ich habe das Gefühl dass ich ihn aus einem tiefen Schlaf wecken würde. Ich kann die Müdigkeit und das Verwundert Sein darüber dass er nach so unendlich langen Jahren geweckt wird förmlich spüren. Apollo schaut mich an und dann spüre ich das Entsetzen das ein Sterblicher halt verspürt wenn ein Gott sein Auge auf ihn richtet. Ich falle von dem Stein und liege zitternd im Staub. Doch ich verberge mein Gesicht nicht. Der Engel hat so verzweifelt geklungen dass ich seine Bitte einfach weiter geben muss. Darum schreie ich so laut ich kann (und ich bringe derzeit kaum ein leises Flüstern über meine Lippen): „Phoebus! Bitte hilf ihm!" Apollo scheint sich meiner zu Erbarmen, jedenfalls nimmt er seine Gedanken von mir und die Erdrückende Last schwindet. Ich kann wieder atmen und aufstehen. Meine Fürbitte hat bewirkt dass sich Apollo jemand anderem Zuwendet. Da ich selber gar nicht weiß wer der andere ist hoffe ich mal dass Apollo das selber herausfindet.
Sebastian kniet entsetzt neben mir. „Was ist passiert? Ich glaube du hattest einen epileptischen Anfall!" sagt er bleich wie ein Laken und hilft mir auf. Ich schüttle meinen Kopf und das war keine gute Idee. Ich habe irre Kopfschmerzen. Mein Schädel fühlt sich an als wolle er platzen. Ich kralle mich instinktiv an Sebastians Arm fest und lasse mich von ihm wieder auf die kleine Mauer setzen. „Nein, ich habe nur Aopllo geweckt." gebe ich zu. „Du hast was?" fragt Sebastian verwundert. „Ich habe Apollo geweckt. Er hat geschlafen. Er hat keine Gläubigen mehr die ihre Gebete an ihn richten also ist er auch nicht mehr auf die Menschen focussiert. Ich habe ihn sozusagen geweckt und ihn zu dem bittenden Engel geschickt. Ich hoffe dass er ihn findet und ihm hilft." Sebastian schaut mich entsetzt an. „Du kannst mit den Göttern  reden?" Fragt er erstaunt. Ich nicke. „Ja, ich rede ja auch mit Dir." „Ich bin kein Gott." sagt Sebastian verdutzt. „Für mich schon. Du bist meine Sonne, mein Pharao, mein Ra." erkläre ich ihm noch einmal. Sebastian denkt nach und nickt dann. „Du bist als Luna außergewöhnlich mächtig. Ich habe schon davon gehört dass mächtige Luna mit den Göttern reden können. Aber mit unseren! Dass du auch mit fremden Göttern sprechen kannst ist der Wahnsinn!" Ich lasse mir Sebastians Worte durch den Kopf gehen und nicke dann. „Stimmt, ich habe mit Apollo eigentlich gar nichts zu tun. Jedoch habe ich das Gefühl Mittler für diesen verzweifelten Engel zu sein. Der hat ja nach dem Gott geschrien, ich habe den Gott nur für ihn geweckt und zu ihm gesandt. „Ist eigentlich eine Luna so eine Art Priester?" frage ich Sebastian. Der sagt: „Vielleicht. Im Prinzip ist sie die Mutter des Stammes. Sie ist für das körperliche und seelische Wohlergehen der Stammesmitglieder zuständig." „Hmm!" überlege ich laut. „Ich frage mich was wir mit dem kleinen Engel zu tun haben dass ich für ihn Mittler zwischen ihm und seinem Gott bin." Sebastian zuckt mit den Schultern. „Vielleicht lebt der Junge in der Zukunft und gehört einmal zu unserem Stamm." Sebastian lächelt mir zu und sagt: „Ich bringe dich jetzt ins Hotel. Du siehst müde und abgeschlagen aus." Ich fühle mich tatsächlich gerädert. Aber ich fühle gleichzeitig eine innere Unruhe. „Nein, ich würde lieber in dieses Museum gehen. Ich muss Apollos Schriften sehen! Ich weiß nicht warum aber etwas zieht mich gerade dort hin." Sebastian nickt und er bietet mir seinen Arm an. Ich darf mich bei ihm einhaken und er führt mich durch die malerischen kleinen Gassen zu der nächsten Bushaltestelle. Wir fahren bis vor den Vatikan und mir stockt der Atem vor diesem monumentalen Prachtbau. Der Dom ist unvergleichlich schön. Und riesig! Man kommt sich als Mensch so winzig klein und unbedeutend vor wenn man dieses Gebäude sieht. Ich schaue das Gotteshaus wie ein staunendes Kind an. Sebastian erklärt mir wer die Kirche gebaut hat und was es mit der Form auf sich hat. Außerdem dass dort vorher eine Basilika stand. „Der Petersdom ist durch Spenden und den Ablasshandel finanziert worden. Der Papst hat sich damit keinen Gefallen getan. Der Ablasshandel hat viele Gläubige verärgert und sie haben sich von ihm losgesagt." Ich schaue Sebastian verwundert an. „Wie kann das sein? Eine Glaubensgemeinschaft die ihr oberstes Oberhaupt nicht anerkennt kann doch nicht mehr existieren?" Sebastian sagt: „Doch! Die Kirche beruft sich ja nicht auf den Papst sondern auf Gott selber. Die Menschen die sich abgespalten haben glauben zwar an Gott aber nicht an den Stellvertreter. Sie haben eigene, basisdemokratisch organisierte Kirchen gegründet." Ich schaue Sebastian an und bin verwirrt. Da haben sich mehrere Splittergruppen gebildet und der Papst macht die nicht platt?" Sebastian lacht. „Nein, die Spalter haben enorm viel Rückhalt seitens der weltlichen Herrscher bekommen. Der Papst hat seine weltliche Macht nach und nach komplett verloren." „Welche Gruppe hat denn jetzt bei denen das Sagen?" frage ich aber Sebastian lacht. „Keine! Die Kirchen haben alle keine Macht! Die weltlichen Mächte haben gewonnen." Ich staune Sebastian an. „Behauptest du gerade allen Ernstes dass die Macht, die unsere Götter in die Versenkung geschickt hat, sich durch Missbrauch ihrer Macht selbst entthront hat und anstatt dass die alten Mächte zurückgekommen sind, eine neue, weltliche Macht entstanden ist?" Sebastian nickt. „Ja, so kommt es hin. Nur dass die weltliche Macht ja immer parallel zu der päpstlichen Macht existiert hat. Die Griechen, Römer, Ägypter und nordischen Völker hatten in der Vorderen Zeit die weltliche Macht an den göttlichen Beistand geknüpft. Die Monotheisten haben diese Einheit zerbrochen und konnten selten kirchliche und weltliche Herrschaft auf eine Person einen, weil man nun mal nicht als einzelne Person wirklich herrschen kann." Ich verstehe. „Aber wer macht so etwas?" frage ich erstaunt. „Wer ist so machtgierig dass er entgegen der Vernunft alles an sich reißen will auch wenn die Gefahr besteht alles zu verlieren." Ich schaue Sebastian verwundert an. „Kennst du eine Spezies die selbstsüchtig, machtbesessen, absolut hierarchisch, blutrünstig und skrupellos ist?" Ich schaue ihn an. „Ist das eine Fangfrage?" frage ich weil mir als erstes die Werwölfe in den Sinn kommen. Aber die haben keinen obersten Herrscher. Jede Familie ist für sich hierarchisch strukturiert mit dem Alpha und der Luna an der Spitze und dem Beta als derjenige dem das Vetorecht gehört und der Mittler zwischen Alpha und Rudel ist. Sowohl in die eine, alsauch in die andere Richtung. Sebastian sagt: „Sie saugen das Blut aus allem Leben und sind richtig Scheisse! Na? Klingelt es?" „Vampire?!?" frage ich vorsichtig und Sebastian nickt verbittert. „Die versuchen alles zu zerstören was anders denkt als sie. Die machen echt vor nichts halt! Denen ist es sogar lieber dass sie sich selbst entmachten als die Macht zu teilen. Die sind richtig verrückt! Aber was will man auch von einem Wesen erwarten das lebt indem es andere aussaugt."

Sebastian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt