Im Zug sitze ich wieder bei Sebastian und Peter. Wir unterhalten uns über viel belangloses Zeug. Peter sieht wieder lebendig aus. Seine Wangen sind rosig und die Augenringe sind verschwunden. Ich merke dass Sebastian mir etwas wichtiges mitteilen möchte. Er scheint sich für irgendetwas zu schämen. Zumindest guckt er sehr zerknirscht.
Zu Hause entschuldigt er sich dafür dass er sich noch einmal hat von Peter beißen lassen. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Wie als würde man aus dem Wasser auftauchen. Ich habe das Gefühl dass Peters Biss mich frei macht, mich atmen lässt." erklärt er. Ich nicke ihm zu. „Ja das hast du in der Bar auch so beschrieben." sage ich und schaue ihn erwartungsvoll an. „Ich hätte ihm niemals gestatten sollen in meinen Hals zu beißen." sagt Sebastian geknickt. „Warum nicht?" frage ich bang. Ich hoffe dass es kein Vampir Werwolf Bindungs Ding ist und die beiden jetzt so etwas wie ein Paar sind. „Es hat den Eindruck erweckt als habe mich Peter geküsst." sagt Sebastian und scheint sich zu schämen. Ich lache leise und korrigiere: „Es hat den Eindruck erweckt als hättet ihr wilden und hemmungslos guten Sex." Sebastian schaut mich geschockt an. „Und warum bist du nicht dazwischen gegangen?" fragt er unsicher. Ich zucke die Schultern. „Ihr habt mir beide versichert dass es keine emotionale Bindung zwischen euch gibt. Du hast mir gut beschrieben was diese Verbindung in Dir bewirkt und ich habe Dir geglaubt. Nur weil es nach gutem Sex aussieht muss es keine echten Gefühle nach sich ziehen, oder?" Ich habe immer noch Angst dass mir Sebastian gleich mitteilt dass ein Werwolf der sich von einem Vampir beißen lässt automatisch sein Geliebter wird aber dem ist zum Glück nicht so. Sebastian erklärt halb zerknirscht halb wütend: „Loan hat Peter und mich mit seinem Handy gefilmt. Er hat das Video an unzählige seiner Freunde verschickt. Als ich sein Handy konfisziert habe hatte es schon die Hälfte der Studenten. Sie drohen mir es dir zu zeigen wenn ich ihnen nicht ihr Examen schenke." Sebastian schaut unglaublich unglücklich. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen und ich hoffe auch gleich eine tonnenschwere Last von den Schultern: „Es hat sich nicht nach Sex angefühlt?" frage ich Sebastian. Er schaut mich an und schüttelt den Kopf. „Nein. Es hat sich nach was ganz anderem angefühlt. Halt wie tauchen oder so." Ich lächle ihn zu. „Ihr hattet keinen Schimmer wie ihr ausseht während Peter dich beißt?" frage ich und Sebastian schüttelt den Kopf. „Dafür dass du sagst es habe mit Sex nichts zu tun hattest du Hator aber recht schnell identifiziert!" sage ich leicht tadelnd. Sebastian wird rot. „Doch, es fühlt sich irgendwie schon nach Sex an. Es ist was körperliches. Sehr angenehm." gibt er kleinlaut zu. „Aber es ist ganz anders als die körperliche Liebe zwischen uns." Ich schaue Sebastian verwundert an. Er windet sich so sehr. Wieso kann er nicht einfach sagen dass er das Gefühl mag und es genossen hat dass Peter ihn beißt. Wenn es nichts an seiner Herzensliebe zu mir verändert ist es doch völlig in Ordnung dass er es tut. Ich versuche ihm das zu erklären und irgendwie freut sich Sebastian darüber.
Ich versichere ihm dass er Loan die Prüfungen nicht erlassen muss und Sebastian ruft Loan an um ihm das mitzuteilen. Keine zwei Minuten später habe ich von Sarah eine Nachricht mit dem Video von Peter und Sebastian. Ich leite das Video an Peter weiter damit auch er weiß worauf er sich in der Uni gefasst machen muss. Er ruft mich daraufhin an und wir quatschen noch lange. Als Sebastian dazu kommt stelle ich mein Handy auf laut und wir unterhalten uns zu dritt.
Da New York nun geschafft ist treffen wir die letzten Vorbereitungen für den Ausflug des Exanenskurses zu den Pyramiden in Mexico. Ich suche alle verfügbaren Bücher zu Teotihuacán zusammen. Ich arbeite einige Bücher durch und kopiere den Studenten die wichtigsten Passagen. Sebastian gibt mir ebenfalls einige Bücher wo er die Seiten bereits markiert hat. Die Studenten bekommen tolle Unterlagen und ich bin mir sicher dass es interessante Referate werden. Leider ist in dem Kurs kein Peter und keine Sarah. Die Studenten sehen in mir das kleine Erstsemesterchen und nehmen mich nicht ernst. Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln weil ich ja wirklich erst im ersten Semester bin. Ich lese mit die Bücher durch die ich kopiert habe. Ich finde die beiden Pyramiden von Teotihuacan enorm spannend. Es gibt dort zwei Pyramiden: die große Sonnenpyramide und die Kleine Mondpyramide. Begeistert lese ich von den verschiedenen Theorien um die Pyramiden und die Stadt neben den Pyramiden. Leider haben die Conquistadores sämtliche Bücher und Götterbilder zerstört. Unsere Expedition versucht herauszufinden wer dort verehrt wurde und wie die Maya gelebt haben.
Wir starten als kleine Gruppe von 5 Studenten und Sebastian. 3 Studenten sind noch kurzfristig ausgefallen wegen Krankheit und familiärer Probleme. Die vier Examenskandidaten mit denen wir reisen behandeln mich ein bisschen als sei ich Luft für sie. Während des Fluges lese ich weiter interessiert die Bücher. Ich habe sie mir abfotografiert weil ich nicht glaube dass es für ein Buch gut ist so weit in meinem Rucksack zu reisen. Die Studenten sind zum Glück deutlich gewissenhafter als die aus dem Mittelkurs. Sie haben echtes Interesse an der Arbeit. Ich belausche ihre angeregten Diskussionen die sich alle um die Pyramiden drehen. Kein einziger hat Party im Sinn. Der Flug wird Mega spannend für mich. Die Studenten wissen so viel! Ich finde es schade dass sie mich ignorieren.
Die Fahrt zu unserer Ausgrabungsstädte ist eher unspektakulär verlaufen. Mexiko-Stadt ist eine unglaublich dreckige Stadt. Der Smog ist schlimm. Ich bin so froh als wir die Stadt hinter uns lassen. Da wir nur sechs Leute sind hat Sebastian einen Pick-Up gemietet. Ich sitze mit Sebastian zusammen im Auto während die vier Jungs mit unseren Gepäck auf die Ladefläche gekrabbelt sind. Sebastian hält während der gesamten Fährt meine Hand fest. Ich frage mich ob er unsere Beziehung weiter geheim halten will oder nicht. Da wir uns aber im Lager ein Zelt teilen wird es für die anderen offensichtlich dass wir ein Paar sind. Weil wir nun so eine kleine Gruppe sind haben Sebastian und ich ebenfalls Referate vorbereitet. Wir halten uns die Referate immer nach dem Frühstück. Wir hören von den Funden die bisher gemacht wurden. Ich erzähle von den Gängen und Kammern in den Pyramiden und von den Menschenopfern die sie dort zu Ehren ihrer Götter durchgeführt haben. Als ich die Anordnung der Gänge und Kammern mit denen der Pyramiden meiner Heimat vergleiche entdecke ich auffällige Ähnlichkeiten. Es sind einige Gänge und Kammern identisch. Doch die Kammer in der die Mumie des Pharao liegt, also das Herzstück der Pyramiden, soll es weder in der großen Sonnenpyramide noch in der Mondpyramide geben?!? Ich kann das kaum glauben. Ich erzähle von meinen Überlegungen und die vier Studenten lachen mich ein bisschen aus. Sebastian dagegen ist beeindruckt. Er findet es richtig spannend dass die Gänge in den Pyramiden fast gleich sind. Da wir eigentlich an der Straße der Toten graben und Alltagsgegenstände aus dem Boden Bergen um das Leben der Maya zu rekonstruieren haben wir keine Möglichkeit meiner Idee einmal auf den Grund zu gehen. Erst nach zwei Wochen bietet sich die Gelegenheit. Wir müssen nämlich unsere Grabungen unterbrechen weil uns die Nahrungsmittel knapp werden. Unsere Studenten leihen sich den Pick Up und fahren nach Mexiko-Stadt um einzukaufen. Sebastian und ich betreten derweil die Sonnenpyramide. Wir folgen dem Gang und als wir dort ankommen wo die Abzweigung in die Königskammer sein müsste ist zunächst nur eine glatte Tunnelwand sichtbar. Sebastian fühlt mit seinen Händen an der Wand. Ich tue es ihm gleich. Wir entdecken dass ein Spalt dicker ist als die übrigen. Wenn man den Spalt mit den Händen nachfährt bemerkt man dass es eine Tür ist. So eine geheime Tür kenne ich aus unseren Pyramiden auch. Häufig benötigt man einen Schlüssel um die Tür zu öffnen. Ich suche das Schloss und werde fündig. Es ist in der Tür ein Drehmechanismus mit Sonnenförmiger Aussparung. Ich bin mir sicher dass unser Schlüssel eine handtellergroße Sonnendarstellung ist. Ich nehme mir ein Papier und schraffiere mir das Schloss ab. Mit diesem Bild können wir nach dem Schlüssel suchen. Als die vier Jungs abends wieder ins Lager kommen erzählen wir von unserem Fund. Sofort werden wilde Theorien laut wo ein solcher Schlüssel sein könnte: wir suchen im Tempel und in den Häusern der Mächtigen. Wir finden aber nichts. Frustriert schlage ich vor am Eingang der Pyramide zu suchen. „Vielleicht liegt der Schlüssel ja unter der Fussmatte!" sage ich scherzeshalber. Sebastian schaut mich an und grinst. Wir gehen wirklich dort suchen und irreredender finden wir ihn.
In dem Moment wo wir ihn in den Händen halten greift uns ein Jaguar an. Sofort verwandelt sich Sebastian in einen Wolf. Ich werde zum Panther und helfe Sebastian die große Raubkatze zu bekämpfen. Die Katze ist bestimmt ein Wächter. Sie bewacht die Pyramiden und irgendetwas in dieser Kammer. Sebastian und der Jaguar liegen in sich verbissen als Knäul im Staub. Sebastian erwischt die Kehle des Fremden und beißt zu. Ich ziehe ihn eins mit meiner Pranke über die Nase. Er soll den Fremden nicht töten!
Der Wolf lässt los und der Jaguar wandelt sich. Er hält sich die Kehle und hustet. Sebastian wandelt sich ebenfalls und hilft dem Fremden. Sebastian zieht ihm den Kehlkopf wieder an die richtige Stelle so dass der Junge wieder Luft bekommt.