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Als wir in Rom landen sind es milde Temperaturen. Kein eisiger Schnee sondern laue elf Grad wehen uns um die Nase. Ich atme glücklich ein. Doch es stinkt gewaltig in dieser riesigen Metropole. Entsetzt Rümpfe ich die Nase und Sebastian lacht mich aus. Ich lache mit und sage: „Es stinkt schlimmer als in Kairo." Jetzt lacht Sebastian über meine Aussage. ich freue mich dass unser Humor auf einer Wellenlänge ist und dass ich ihn so leicht zum Lachen bringen kann. Wir schlendern durch die engen Gassen und ich stopfe nach und nach meine warme Jacke, die viel zu dicke Hose und die pelzgefütterten Stiefel in Sebastians Rucksack. Ich ziehe wieder meine Wanderschuhe an und eine Jeans. Da es nicht regnet reicht mein Hoodie. Sebastian rennt im T Shirt rum. Wir finden ein entzückendes kleines Hotel das noch ein Doppelzimmer für uns frei hat. Wir lassen unser Gepäck im Hotel und gehen was essen. Wir beschließen morgen zum Tempel des Apoll und dem Museum im Vatikan zu gehen da es um diese Uhrzeit eh geschlossen hat und wir keine Lust darauf haben beim Einbruch erwischt zu werden. Wir suchen uns ein Restaurant das um diese Uhrzeit noch geöffnet hat und bestellen uns etwas zu essen. Wir bekommen Nudeln mit Meeresfrüchten und die schmecken sehr gut. Aber kein Vergleich zu dem Fisch heute mittag in Oslo. Ich schaue wohl sehr enttäuscht und Sebastian freut sich dass mir der Fisch in seiner Heimat besser geschmeckt hat. Sebastian und ich unterhalten uns beim Essen über alles mögliche. Ich quetsche ihn über seine Kindheit aus und er erzählt bereitwillig alles was ich wissen will.
Sebastians Mama ist zu dem Rudel ihres Mannes nach Kanada gezogen. Sebastian ist in der Nähe von Toronto, direkt an den Niagarafällen aufgewachsen. Er hat in New York studiert und als Kind war er häufig bei seinen Großeltern in Tromsö. Aber eigentlich fühlt er sich überall dort zu Hause wo er in der Erde nach Spuren vergangener Tage buddeln kann. Ich finde das so süß wie er das sagt! Ich würde gerne mit ihm um die Welt ziehen um mit ihm zusammen nach den Spuren vergangener Zivilisationen zu suchen. Ich stelle mir das sehr spannend und aufregend vor. Immerhin bin ich ja selber ein Relikt aus alter Zeit. Für mein Volk ist die Vergangenheit irgendwie noch lebendig.
Nach dem Essen spazieren wir noch durch die belebte Stadt. Das Weihnachtsfest steht unmittelbar bevor. Da wir eh grad in Rom sind beschließen wir Weihnachten im Petersdom zu feiern. Auf den Papst bin ich schon ein bisschen neugierig. Auch er ist ja im Prinzip so ein Fossil wie ich: Der Papst war ein einstig mächtiger Herrscher und ist nun der Nachhall des vergangenen Ruhms. Seine Macht besteht nur noch auf dem Papier und gilt längst nicht mehr für die politische Welt. Selbst in seiner Kirche hat er nicht mehr überall das Sagen. Doch  hier in Rom merkt man die tiefe Verbundenheit der Menschen zur Kirche. Die ganze Stadt ist im Weihnachtsfieber. Überall werden Krippenfiguren angeboten. Zum Teil sind die richtig schön geschnitzt. Die meisten finde ich sehr kitschig. „Wusstest du dass die heilige Familie nach Ägypten geflohen ist?" fragt mich Sebastian. Ich nicke. Ja das weiß ich. „Die sind aber nur nach Ägypten geflohen damit sich die Schrift erfüllt nach dem Gott seinen Sohn aus der Knechtschaft ruft." sage ich bitter. In dieser Religion kommen wir nicht so gut weg. Ägypten gilt dort als Fluch und die Flucht des Heiligen Volkes aus Ägypten wird als heroische Tat erzählt. Dabei stimmt das so gar nicht! Kein Pharao hat je ein fremdes Volk gegen den Willen im Land behalten. Im Gegenteil! Die Fremden Völker haben immer wieder Zuflucht vor der Dürre im eigenen Land bei uns gesucht und  gefunden. Das Land am Nil war schon immer reich. Fremde waren immer gern gesehen. Es uns so zu verteufeln ist gemein. Sebastian lächelt und sagt: „Die sind einfach nicht nett, weil es nie nett ist zu behaupten man sei der einzige der Recht hat und alle anderen lägen falsch. Und genau das tun diejenigen, die den einen und einzigen Gott verehren. Dieser alleinige Wahrheitsanspruch ist schon nervtötend. Aber die Feier ist trotzdem beeindruckend." Ich schaue Sebastian an und freue mich dass er mich versteht und die Monotheisten auch nicht mag. Wir schauen uns noch das beleuchtete Kolosseum an und kehren dann zu unserem Hotel zurück.
Ich bin froh dass ich heute Nacht mal wieder bei offenem Fenster schlafen kann ohne befürchten zu müssen dass ich erfriere. Ich öffne das Fenster und die frische Luft kommt mir entgegen und lässt mich doch leicht frösteln. Sebastian stellt sich hinter mich und wärmt meinen ganzen Rücken. Die Wärme für von ihm ausgeht tut unheimlich gut. Ich lehne mich an ihn und er schlingt seine Arme um mich. „Ich bin dafür dass wir morgen früh als erstes zum Palatin gehen. Ich denke zwar nicht dass wir dort etwas entdecken aber man weiß ja nie. Die Schriften müssten im Vatikan sein. Da können wir im Anschluss hin." Ich nicke. „Klingt gut." sage ich weil ich so gar keine Ahnung habe was wir hier eigentlich suchen.
Wir gehen ins Bett und Sebastian liebt mich erst sanft und zart und später wild und leidenschaftlich. Er ist der einfühlsamste Mensch dem ich je begegnet bin. Ich frage mich was an ihm falsch sein könnte. Es gibt keine perfekten Menschen, oder?
Am nächsten Morgen wachen wir nicht so früh auf. Sebastian sagt dass das nicht schlimm sei, schließlich haben wir ja nur vor eine alte Ruine und ein Museum zu besuchen. Wir gehen erst einmal frühstücken und ich muss zugeben dass in Italien der Tee nicht schmeckt. Darum nippe ich vorsichtig an Sebastians Kaffee und den bekommt er nicht zurück! Dieser hier ist nicht schwer vor Gewürzen sondern schmeckt herb, nur leicht bitter, hat eine angenehme Säure und ist mit dem Milchschaum einfach nur lecker! Sebastian überlässt mir gerne sein Getränk und bestellt einfach noch eins.
Beim Frühstück fragt mich Sebastian beiläufig wann ich denn mal wieder jagen gehen müsste. Ich wundere mich. „Ich jage nicht aus Zwang. Ich gehe auf die Jagd wenn ich Spaß daran habe oder Hunger. Meistens gehe ich gar nicht jagen sondern erlege etwas weil sich die Gelegenheit bietet. Also wenn ich zum dösen auf einem Baum sitze und dann ein Tier ausgerechnet an unter mir in Ruhe grasen möchte. Dann lasse ich mich schon mal aus dem Baum plumpsen um das Tier zu fressen. Aber sonst reicht mir menschliche Nahrung voll und ganz." Sebastian schaut mich neidisch an. „Gibt es denn so gar keine Zeit wo du den Zwang verspürst dich zu wandeln?" fragt er und ich schüttle den Kopf. „Und du? Hast du bestimmte Zeiten?" Sebastian nickt betrübt. „Ja, wennVollmond ist muss ich mich verwandeln. An den anderenTagen geht es." Ich schaue ihn an und rechne nach. „In der Wüste als wir gemeinsam in der Oase waren war der Tag vor dem Vollmond. Hattest du deshalb Fieber?" frage ich. Sebastian nickt betrübt. „Warum hast du dich nicht gewandelt wenn es für dich so schwierig war es nicht zu tun?" frage ich verwundert. „Weil ich Angst hatte dich zu verletzen. Ich wusste ja nicht dass du auch Gestaltwandler bist und ich hatte Angst dich zu beißen wenn ich als Wolf unterwegs bin." Sebastian schaut mich mit seinen warmen Kulleraugen so dermaßen treuherzig an dass ich ihn spontan in den Arm nehmen muss. „Danke dass du mich immer beschützt." sage ich und gebe ihm einen Schmatzer.

Sebastian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt