2. Der Sohn des Stallmeisters

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Anne

Anne sah aus ihrer Kutsche, während ihre Nichte Walda auf sie einredete wie froh sie sei, dass Anne dabei war und sie wohl zusammen in einer Burg leben würden.

Sie sah wieder ihrer Nichte in die Augen und lächelte sie an. Walda war in ihrem Alter, hatte dünnes, dunkles Haar und ein rundes Gesicht. Sie war etwas dick, aber sowie sie außerhalb genannt wurde, war überzogen. Die fette Walda. Das war eine tiefe Beleidigung. Walda interessierte das nicht, aber Anne wusste, dass es sie insgeheim verletzte.
Sie war so eine nette Frau, dennoch konnte sie einen wirklich zu Tode langweilen, wenn sie erstmal anfing zu reden. Sie plapperte wie ein Wasserfall und Anne konnte dies bald nicht mehr hören.
Da hielt auch schon — nach einer schier unendlichen Fahrt — die Kutsche an. Sie würden rasten.
Anne stieg aus ihrer Kutsche aus und schloß die Augen. Sie atmete die etwas kalte, aber frische Waldluft ein, spürte wie der Wind durch ihre Haare wehte und hörte wie die Vögel zwitscherten und die gefallen Blätter knisterten. Es war wundervoll zuzuhören.

Sie öffnete ihre Augen und sah sich um. Die Landschaft war wunderschön. Sie waren an einer Waldlichtung in der nähe des Königswegs. Sie roch die blühenden Wildblumen und fragte sich dabei, wie so weit im Norden überhaupt etwas blühen konnte. Sie sah wie ihre Nichte mit Lord Bolton redete und wie er kläglich versuchte ihrem Redefluss zu folgen. Das Bild welches die beiden im Moment abgaben amüsierte sie.

Als sie den Blick abwandte, sah sie wie ihr ein Mann in ihre Richtung kam. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als sie. Er hatte dunkles Haar und ebenso dunkele Augen.
Er trug das Wappen der Boltons, jedoch konnte sie sich nicht an ihn erinnern. Wahrscheinlich war er ihr einfach nicht aufgefallen, jedoch hatte sie ein ungutes Gefühl in seiner Gegenwart.
„Dies, wird die letzte Rast sein, M'Lady" sagte er. Er war der Erste Mensch, außer ihrer Nichte Walda, die Lord Boltlon geehelicht hat, der seit sie abgereist sind, mit ihr redete.

„Wir werden etwa gegen Abend in Grauenstein eintreffen."

„Danke, Ser... ?"

„Ich bin kein Ritter M'Lady.. Mein Name ist Brandon, ich bin der Sohn des Stallmeisters. Meine Aufgabe bis wir in Grauenstein sind, ist es auf Euch aufzupassen" antwortete er rasch und abweisend, ohne sie anzusehen.
Es folgte ein eisernes schweigen, ehe er ihr zunickte, sich wieder umdrehte und zu den anderen Gefolgsmännern ging.
Sie fand es seltsam das er, sie nicht anblickte während er mit ihr sprach und so abweisend war. Sie beschloss ihn etwas später darauf anzusprechen.
Lord Bolton kam zu ihr, sah so aus als ob er dem Redefluss ihrer Nichte entkommen wäre.
„M'Lady, ich hoffe die Kutschfahrt war Euch genehm und nicht zu beschwerlich?" fragte Lord Bolton, sie irgendwie schon zu freundlich. Sie mochte ihn nicht doch sie beschloß auf die falsche, übermäßige Freundlichkeit einzusteigen und sie direkt auszunutzen.
„Danke für Eure Fürsorge Lord Bolton, aber mir würde es sicher besser gefallen zu reiten, wenn dies möglich wäre."
„Seid Ihr Euch sicher, My Lady?" fragte er genervt. „Ich halte das für keine gute Idee.Wir werden bis zum Abend reiten und wir werden auch keine Rast mehr machen und wir wollen doch nicht das ihr euch verletzt."

„Keine Sorge, My Lord. Ich bin mir sicher." sagte sie selbstsicher zu ihren Gegenüber.
„Dann soll es so sein, doch wenn euch etwas passiert müsst ihr wissen, wird Brandon dafür verantwortlich gemacht." Mit diesen Worten verschwand er und ging zu Brandon.
Etwas später kam dieser dann, mit gesenktem Blick zu Anne und überreichte ihr eine braune Stute. Sie war etwas älter, aber dennoch wunderschön.
Er wollte ihr beim aufsteigen helfen, doch sie stieg ohne seine Hilfe, elegant auf den Sattel. Brandon sah sie erstaunt an, sagte jedoch nichts dazu, sondern stieg auf sein eigenes Pferd. Anne bemerkte wie sein Blick eine Zeit lang auf ihr ruhte, ehe er sich dann abwandte und sich mit einem anderen Mann aus Lord Boltons Gefolge unterhielt.

Sie redeten über belangloses Zeug, welches sie nicht interessierte. Als dann keiner der beiden eine Zeit lang etwas sagte, näherte sich Anne und fragte: „Brandon, darf ich, euch etwas Fragen?"
Er war erschrocken und sah steif nach vorne. Er hatte wohl nicht erwartet, von ihr angesprochen zu werden.
„Natürlich dürft ihr. Ihr seid seid die Verlobte meines Herrn." entgegnete er ihr knapp.
Sie überlegte kurz und fragte dann „Wieso seid Ihr so abweisend, mir gegenüber?"
Bei diesen Worten erschauderte er und sah sie zum ersten mal an. Zwar verwirrt, aber er sah sie an. Es war nur ein kurzer Moment gewesen, denn er wich ihrem Blick schnell aus. Es blieb eine weile still zwischen den beiden, bis er dann auf ihre frage, antwortete: „My Lady ich habe klare Befehle von Lord Bolton und er war sehr deutlich, mir gegenüber."
„Ist dem so", sagte sie interessiert. „Wie war denn seine genaue Wortwahl?"
„Ich solle auf euch aufpassen, das euch nichts passiert."
„Und wieso lässt er ausgerechnet einen angehenden Stallmeister, auf mich aufpassen?" fragte sie.
„Ich will nicht unhöflich klingen M'Lady, aber nur weil mein Vater ein Stallmeister ist, muss ich doch nicht auch gleich einer sein, oder?" antwortet er belustigt, mit einer Gegenfrage. Er fing sich jedoch schnell wieder und setzte wieder seine erste Miene auf.
„Nun dann sagt mir, wenn ihr weder Stallbursche, noch Ritter seid. Was qualifiziert ‚Euch' dann, ‚mich' zu beschützen." antwortete sie gespielt beleidigt.
„Ich bin gewandt mit Schwert und Bogen" sagte er trocken.
„Und weshalb?" fragte sie ihn neugierig.
„Ich bin der Knappe eures Verlobten" entgegnete er.
„Nun.. In der Regel sind es Hochgeborene die Knappen von Erben eines Lords werden. Also versteht ihr sicherlich, wenn ich euch frage was euch für diesen Posten Qualifiziert."
„Meine Gewandtheit mit dem Schwert habe ich mir wohl angeeignet, als ich meine Lehre zum Schmied begonnen habe. Lord Bolton hat mich dann eines Tages beim Trainieren gesehen und hat mich gefragt ob ich nicht Interesse daran habe nach Vollendung meiner Lehre, Knappe zu sein. Als ich dann der Knappe eures Verlobten war, hat er mir auch das Bogenschießen beigebracht."
„Ich hoffe ihr versteht, das ich mich schon auf eine Vorführung freue, wenn ihr auf eure Gewandtheit, so ein Loblied singt", sagte sie herausfordernd. Sie sah ein aufblitzen in seinen Augen, welches sie schmunzeln ließ.
„Es wäre mir eine Ehre M'Lady" sagte er während er sich ein lächeln nicht verkneifen konnte. Danach redeten sie zunächst nicht mehr miteinander.

Es war schon spät und ohne den Lichtern an der Kutsche, konnte sie sehr wenig erkennen. In naher ferne, sah sie die dunklen Umrisse Grauensteins und die Kerzenlichter die die Burg erleuchteten. Hier im Norden wurde es relativ schnell dunkel, daran musste sie sich erstmal gewöhnen.

Nun standen sie direkt vor dem Tor. Dieses ging auf und sie ritten in den Hof. Lord Bolton half seiner Verlobten aus der Kutsche und Brandon half Anne vom Pferd runter.

Da kamen auch schon Roose Bolton und Walda zu ihnen. Er stellte sich neben einem Mann ihres Alters und stellte diesen vor.
Das war er also. Der Mann den sie heiraten sollte.
Ihr Zukünftiger.

HER DUTY ~ Sometimes duty is the death of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt