Kapitel 2

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PoV Lukas
Meine Mutter ist tot!
Es dauert bis ich die Worte verstehe.
Sie ist weg.
Ich kann nie wieder mit ihr über meine Probleme reden.
Ich kann nie wieder in der Nacht, wenn mein Tag schlimm war, mich zu ihr ins Bett legen.
Ich kann sie nie mehr umarmen.
Ich habe meine Mutter verloren.
Für immer.

Ich sitze auf dem Sofa und mir ist kotzübel.
Ich breche in Tränen aus.
Wenn sie nicht mehr da ist, wie gehts dann weiter?
Ich schaff das nicht alleine mit Papa.
Der große Polizist setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm.
Ich hab seinen Namen vergessen, aber das ist im Moment nebensächlich.
„Es tut mir leid. Ich hasse es, solche Nachrichten zu überbringen." entschuldigt er sich.
„Was ist passiert?", will ich unter Tränen wissen.
Ob ich's wirklich wissen will, weiß ich nicht.
„Darf ich Sie duzen?", fragt der Polizist.
Als ich nicke erzählt er: „Deine Mutter wurde heute im Laufe des Vormittags von einem Passanten gefunden. Sie lag auf dem Boden vor einem zehnstöckigen Haus. Er rief die Polizei, den Rettungsdienst und die Feuerwehr. Ihr konnte aber natürlich nicht mehr geholfen werden. Sie ist wahrscheinlich gestern Abend was trinken gegangen und in der Stadt umhergeirrt, dann muss sie in den frühen Morgenstunden aufs Hausdach geklettert sein und ist gesprungen. Fremdeinwirkung ist ausgeschlossen. Es war also Selbstmord." 

Selbstmord?
Warum tut sie mir das an?
Sie hätte mit mir reden können.
Oder hat sie sich wegen mir umgebracht?
Ich sitze wie ein Haufen elend auf dem Sofa und weine.
Ich hab selten so geweint, das letzte mal vor 4 Jahren, als meine Oma gestorben ist.
Dann fällt mir ein: „Wo ist Papa? Weiß er es schon und warum ist er nicht hier?"
Ich merke wie sich die Polizeibeamten beunruhigt anschauen.
„Ja also, es ist so: Wir sind heute Vormittag hier her gefahren und haben deinen Vater genau das gleiche erzählt. Er ist ausgerastet und ist ins Auto gestiegen ehe wir ihn davon abhalten konnten. Er fuhr zum Unfallort und ist auf die Rettungskräfte losgegangen. Er hat sie bedroht und wollte, dass sie alle verschwinden. Die Polizei hat mehrmals versucht ihn zu beruhigen und ihn fern zu halten, aber es hat nicht funktioniert, deshalb sitzt er in einer Zelle auf der örtlichen Polizeistation. Er bleibt dort bis er sich beruhigt hat und man mit ihm normal reden kann.", erklärt mir der dicke Polizist.
„Wir wären", ergreift jetzt der andere das Wort, „schon früher gekommen, aber wir haben jetzt erst erfahren, dass sie einen Sohn hat."
„Und weiß man warum Mama sich umgebracht hat?", frage ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstehe.

Will ich's wirklich wissen?
Vielleicht bin ich schuld.
Vielleicht hab ich wieder etwas gemacht was sie zusätzlich zu etwas anderem so belastet hat, dass sie es nicht mehr ausgehalten hat.
Oder es war wegen Papa.
Sie haben sich gestern wieder mal gestritten.
Und dann...

Meine Gedanken werden von dem dünnen Polizisten unterbrochen: „Deshalb sind wir, unter andrem, hier. Hatte deine Mutter physische oder psychische Probleme? Hatte sie viel Streit oder Stress in letzter Zeit?"
„Physische Probleme? Nein, nicht das ich wüsste, aber psychische schon. Also wenn da Streit dazu zählt. Sie hat gestern wieder mit Papa gestritten und hat dann die Wohnung verlassen. Weinend. Und heute in der Früh war sie nicht zu Hause. Da hab ich mich schon gewundert, aber ich wusste nicht, dass...", meine Stimme versagte.
Ich konnte immer nur an den einen Satz denken: Mama ist tot!
„Wann hat sie das Haus denn in etwa verlassen?", will der dicke Polizist wissen.
Ich bringe ein „So gegen 22 Uhr" raus und mehr nicht.
Ich höre nicht mehr was die Polizisten sagen oder machen ich sehe vor meinem geistigen Auge nur noch drei Worte: Mama ist tot!
Sie ist weg und die Polizisten haben nichts besseres zu tun als mich auszuhorchen.
Ich bin alleine.
Papa ist in einer Zelle, weil er wieder mal einen von seinen Wutanfällen hatte und ich bin allein.
Das letzte woran ich denke bevor ich ohnmächtig werde ist: Warum meine Mutter?

Als ich aufwache sitzen an meinem Bett Pia, Romeo und Martin.
Alle haben rot geweinte Augen und schauen mich angstvoll an.
„Was ist los?", frag ich leise.
Pia springt auf und umarmt mich so heftig, dass ich Angst habe, gleich erdrückt zu werden.
„Endlich 2 Stunden warst du bewusstlos.", sagt Martin erleichtert.
„Wir haben beschossen, dass wir dich mit zu uns nehmen. Das mit Papa geht nicht. Wir wollen dich nicht länger bei ihm wohnen lassen. Er ist vorher rausgekommen, weil jeder dachte er hat sich beruhigt, aber im Gegenteil. Er ist wieder auf einen Polizeibeamten losgegangen und hat ihn zusammengeschlagen. Er ist nicht mehr berechenbar. Du solltest vorerst bei mir und Martin leben!", erklärt mir Romeo leise.
„Aber ihr wohnt drei Stunden von hier weg. Wie soll ich denn dann noch weiter auf meine Schule gehen?", frage ich aufgelöst.
„Gar nicht. In der Nähe von uns ist eine Schule da kannst du hingehen.", erklärt Martin.
„Ich will aber nicht. Ich will mit Pia und meinen anderen Freunden auf die Schule gehen!", fauche ich Romeo an.
„Ich weiß, aber das geht so nicht mehr! Tut mir leid. Wir haben ein paar Sachen von dir bereits gepackt. Wir fahren jetzt dann.", erklärt Romeo jetzt nicht mehr so ruhig.
„Bitte Lukas! Es ist das Beste für dich. Und wir werden uns doch wieder sehen können. Wenn du willst jedes Wochenende.", bittet mich Pia.
„Nein, ich bleib hier und wohne weiter mit Papa zusammen.", schreie ich sie alle an.
Warum können sie nicht verstehen, dass ich hier bleiben will?
„Dieser Mann hat Mama in den Selbstmord getrieben! Wir können nicht zulassen, dass du bei ihm bleibst!", brüllt dieses Mal Martin mich an.
Er hat Mama in den Tod getrieben?
Ich möchte am liebsten einschlafen und erst wieder aufwachen, wenn alles vorbei ist.

Wenig später finde ich mich im Auto von Romeo wieder.
Die ganze Fahrt über schweigen wir.
Keiner hat Lust was zu sagen.
Was gibt es auch schon zu sagen?
Alles wird gut?
Von wegen!
Es wird nicht mehr gut ich hab keine richtigen Eltern mehr.
Die eine tot und der andere sitzt irgendwo eingesperrt, weil er dauernd ausrastet.

Nach drei Stunden Autofahrt kommen wir endlich bei dem Haus an.
Ich fühle mich leer.
Ich fühle kein Hunger, keine Müdigkeit und keine Wut.
Nur Leere und ein Haufen Traurigkeit.

Martin zeigt mir mein Zimmer.
Es ist riesig.
Aber fast leer.
Nur ein Bett, Kommoden und zwei Schränke stehen drin.
Keine Bilder, nichts.
Ich stelle meine Tasche und den Koffer ab und werfe mich aufs Bett.
„Hast du Hunger?", fragt Romeo.
„Nein, ich will nur schlafen", antworte ich traurig.
„Okay, schlaf dich aus, morgen ist dein erster Schultag an dem Gustav-Hof-Gymnasium", sagt Romeo.

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Das Zweite Kapitel ist fertig. Würde mich sehr über eure Meinung und Vorschläge freuen. Danke fürs lesen. Das Video hab ich neulich gesehen, als sich ein Bekannter von mir umgebracht hat. Ich finde das Lied gut und irgendwie kam ich dann auf die Idee mit der Mutter. :)

Not just a phase! •Boyxboy• || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt