Kapitel 2

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Camilla Moretti

Mein Fuß drückte noch etwas stärker auf das Gaspedal und mir wurde noch wärmer. Ich spürte wie meine Hände anfingen zu schwitzen und fast vom Lenkrad rutschten. Jetzt oder nie. Mein Gehirn versuchte mich zu warnen, jedoch hörte ich nicht hin. Wenn ich jetzt sterben würde, dann hätte mein Tod einen Sinn. Vielleicht würden meine Freundinnen kurz trauern, aber sie hatten sich und konnten sich gegenseitig helfen.

Jetzt!

Ich nahm meinen Fuß vom Gaspedal und drückte kurz auf die Bremse. Mein kleines Auto legte sich perfekt in die Kurve. Kurz bevor mein Auto gegen die Band knallte, drehte es sich und ich drückte wieder fest auf das Gaspedal.

Mein Auto war kurz hinter dem Erstplatzierten. Aber das würde er nicht mehr lange sein. Es war zwar gewagt, jedoch musste ich es versuchen. Ich drückte noch etwas mehr aufs Gas und nach nur wenigen Metern, war ich auf gleicher Höhe.

Als ich neben dem grünen Auto fuhr riss ich mein Lenkrad drastisch nach links und rammte meinen Gegner. Alles oder nichts. Wenn ich jetzt sterbe, weil ich zu früh war, dann war es immerhin ein spannendes Leben.

Allerdings schaffte ich es und drängte meinen Konkurrenten von der Fahrbahn. Er knallte gegen die Bande, was ich aber nur hörte und nicht sah. Wenn ich mich jetzt umdrehte, würde ich die Kontrolle verlieren.

Vor mir sah ich die Ziellinie und beschleunigte noch mehr. Hinter mir hörte ich die anderen Rennfahrer, die keine Chance mehr hatten mich einzuholen. Ich war zu schnell und zu gut.

Genau in diesem Moment fühlte ich mich unbesiegbar und vergaß kurz wieso ich das hier tat.

Dann überquerte ich die Ziellinie. Die Gefühle in meinem Bauch explodierten und mein Herz fing noch stärker an zu rasen. Bis vor wenigen Sekunden hatte ich noch nicht einmal geglaubt, dass das möglich sei. Kurz glaubte ich, dass die Fahrt mir nicht gut bekommen war und ich jetzt einen Herzinfarkt bekam.

Doch dann bremste ich und stieg kurz nachdem der Wagen still stand aus. Ich sah die Leute, die mir zujubelten und die lange Straße, die von dichtem Wald umgeben war, in den buntesten Farben erstrahlen ließen. Beim Aussteigen war mein eh schon kurzer Rock hochgerutscht und mein bauchfreies T-Shirt zeigte auch mehr als es sollte. Die Männer, die überwiegend am Rand der Straße standen, gafften und ich begann sofort mich unwohl zu fühlen. Jedoch war dies mein Rennoutfit und zugegeben gefiel mir diese schwarz-weiß kariere Kombi. Die Männer gefielen mir allerdings nicht wirklich. Sie erinnerten mich an eine Vergangenheit, die ich bei den Autorennen eigentlich vergessen wollte.

Als ich zu Hause angekommen war, sah ich stolz auf den Pokal, der jetzt in der Mitte unzähliger anderer Pokale stand. Alle waren da, um mir meinen Traum zu erfüllen. Raus aus Bari, raus aus dem Alptraum, den ich mein Leben nannte. Es fehlten nur noch ein Pokal und ein Preisgeld. Dann war ich weg.

Plötzlich vibrierte mein Handy und riss mich damit aus meinen Träumen von einem besseren Leben. Bianca meldete sich am Telefon und ich unterdrückte ein Stöhnen. Ich liebte meine beste Freundin zwar, aber anrufen tat sie nur um mir von David, ihrem Freund, vorzuschwärmen oder mich zu einem Freundinnentag zu überreden. Weder das eine, noch das andere gefiel mir sonderlich.

Zuerst redeten wir über ein paar langweilige und unwichtige Dinge. Also schmiss ich mich auf mein riesengroßes Bett und starrte an meine hellblaue Decke, auf der ich überall schwarze Sterne geklebt hatte. Bianca redete und redete und ich glaubte schon, dass sie nicht wiederaufhörte. „Veve", meine andere beste Freundin Veronica, begann Bianca, „und ich planen einen richtig guten Mädelstag bei Cafe Conchelli. Bist du dabei?"

„Kommt David auch mit?", erkundigte ich mich belustigt, obwohl ich die Antwort bereits wusste. Sie stimmte mir zu und ich stellte mir vor, wie ihr Freund als Mädchen aussah, immerhin wollten wir ja auf einen Mädelstag gehen. Bei der Vorstellung fing ich leise an zu lachen. David war riesig und dazu noch ziemlich sportlich. Im Großen und Ganzen sah er aus wie ein typischer Bad Boy. Zu seinem eh schon gefährlichen Aussehen kamen noch ein ziemlich viele Piercings, wegen denen sich Bianca fast von ihm getrennt hatte.

Bei der Vorstellung von den Beiden musste ich seufzen. Bianca hatte Glück verdient und ich hoffte, dass ich das auch finden werde, wenn ich mein neues Leben beginne.

Nachdem ich Bianca also zugesagte hatte, legte ich auf und kuschelte mich in mein Paradies aus tausend Kissen.

Wieder einmal prasselten Erinnerungen auf mich ein, die ich lieber vergessen wollte. Mein Atem ging schneller und ich versuchte ihn wieder zu beruhigen. Doch die Flutwelle war kaum aufzuhalten. Ich musste an meinen Therapeuten denken, der zu mir immer sagte, dass ich stärker sei, als ich dachte und ich nur daran denken sollte.

Mir liefen Tränen in Strömen runter und ich musst wieder an ihn denken und an seine grausamen Taten. Wie in Trance strich ich über die große Narbe, die er mir hinterlassen hatte. Sie erstreckte sich über einen Großteil meines Bauchs und erinnerte mich immer wieder an das Erlebte.

Die Stille schien mich zu erdrücken und ich schloss meine Augen. Wie so oft versuchte ich mich einfach nur auf das Geräusch meiner surrenden Heizung zu konzentrieren. Es funktionierte und nach einiger Zeit fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

An: Camilla ist ja ein richtiger Adrenalinjunkie. Welches Team seid ihr: Team Adrenalinjunkie oder Team Ruhe?

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt