Kapitel 31

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Camilla Moretti

Die Waffe drückte sich gegen meinen Kopf und trotz der Kälte war es, als würde die Stelle brennen.

„Lass ihn los.", bat Bianca mich und erst jetzt realisierte ich, dass sie es war, die mir die Waffe an den Kopf hielt.

Auch die Polizisten schienen das jetzt zu bemerken und eilten herbei, um Bianca aus der Gefahrenzone zu bringen.

Noah fluchte auf Spanisch, wie ich annahm und die Polizisten brüllten irgendwas, doch ich hörte nicht zu. Wie in Trance sah ich Bianca hinterher, die zu David rannte, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Die Beiden fielen sich in die Arme. Mir wurde schlecht, als ich daran dachte, dass ich Noah nie wieder so berühren konnte, wenn er lebenslang bekam. Und das würde er, da war ich mir sicher.

„Lass mich los.", flüsterte Noah mir plötzlich ins Ohr und ich schauderte, als sein Atem meinen Nacken strich.

Trotzdem kam ich seiner Aufforderung nicht nach:„ Niemals."

„Es tut mir leid.", sagte er noch, als er mich mit voller Kraft in Richtung eines Polizisten schubste und selbst auf die Knie ging. Mit erhobenen Händen.

Ein lauter, schriller Schrei entfuhr meiner Kehle, doch keiner der Anwesenden schenkte mir Aufmerksamkeit.

Ich durfte das nicht zulassen. Als der Polizist hinter mir bemerkte, dass ich wieder losrennen wollte umfasste er sanft meine Unterarme.

„Camilla, du musst ruhig bleiben.", flüsterte mir eine bekannte Stimme zu.

„Max?", fragte ich verwundert, allerdings war sein Blick schon wieder auf Noah gerichtet, der von den Polizisten brutal auf den Boden gedrückt wurde. Dabei wehrte er sich nicht einmal.

Einer der Beamtem las ihm seine Rechte vor, doch Noah reagierte nicht. Es schien, als wäre sein Blick nur auf mich gerichtet. Fast schon liebevoll lächelte er mich an. Aber nur fast, weil er in diesem Moment von einem der Männer hochgezogen wurde und deswegen wütend seinen Blick auf ihn richtete. Der Mann war fast einen Kopf kleiner als Noah und schien, obwohl Noah Handschellen um hatte, immer noch eine Heidenangst vor ihm zu haben.

Das sollte er auch.

Mein Freund wurde immer weiter von mir weggezogen und die Tränen in meinen Augen flossen in Strömen.

Max streichelte mir sanft über den Arm, aber ich ignorierte ihn. Niemals würde ich in mein altes Leben zurückkehren.

Die Polizeiwagen fuhren langsam los und das Blaulicht wurde schwacher, die Sirene leiser. Mir ihnen entfernte sich auch Noah immer weiter von mir und mein Herz schmerzte.

Auch mich setzte man in einen der Wagen, während Max sich unauffällig von dem Geschehen entfernte.

„Miss, sie müssen sich anschnallen.", forderte mich der Polizist, der neben mir auf der Rückbank saß auf. Wieso sollte ich?

Noch toter als ich mich bereit fühlte, konnte ich ja nicht werden.

Der Mann sah mich genervt an und griff über mich hinweg nach dem Gurt und übernahm das Anschnallen damit selbst.

Als wir losgefahren waren, versuchte er mit mir ins Gespräch zu kommen:„ Ich bin Luis. Sie müssen bestimmt traumatisiert sein. Sie zittern ja sogar."

Bis auf ein Stirnrunzeln zeigte ich keine Regung. Traumatisiert? Das ich nicht lache.

„Hat er Ihnen Gewalt angetan?", fragte Luis weiter in der Hoffnung, dass ich doch noch etwas sagen würde.

Doch ich blieb standhaft. Niemals würde ich mit den Menschen reden, die mir Noah genommen haben.

Luis sah mich von der Seite an, das spürte ich. Früher wäre ich rot geworden.

Früher hätte ich mich bei der Polizei sicher gefühlt. Aber jetzt hatte ich gesehen wie sie mit den Menschen, die ihnen nicht in den Kram passten umgingen. Brutal und rücksichtslos. Sie waren noch viel schlimmer als Verbrecher, denn die standen immerhin dazu, dass sie etwas tun, das gegen das Gesetz ist.

Die Polizei verkaufte es als richtig und gut. Das was sie mit Noah tun, war nicht richtig.

Auf einmal stoppte das Auto und ich wurde in den Gurt gedrückt. Als ich aus dem Fenster guckte erkannte ich die Polizeiwache.

Ich stieg aus und mit den Polizisten an meiner Seite betrat ich das Gebäude, das gehässig auf mich runter sah.

Man hatte mich in einen kleinen, engen Vernehmungsraum gebracht, der eher wie eine Zelle wirkte.

Gefühlte Stunden hatten mich die Polizisten versucht zu befragen, damit sie schneller das Verfahren gegen Noah einleiten konnten.

Allerdings bin ich standhaft geblieben und mir ist kein Ton über die Lippen gekommen.

Also hatten es Luis und sein Kollege aufgegeben.

Jetzt saß ich hier und wartete. Worauf wusste ich gar nicht.

Vielleicht darauf, dass ich aufwachte und merkte, dass alles nur ein blöder Traum war. Ich wollte wieder in Noahs Armen liegen und mit ihm aufwachen, damit wir dann gemeinsam Frühstück machen.

Oder wir gehen lieber in ein Restaurant und essen dort.

Erst jetzt fiel mir auf wie lange ich nicht mehr draußen war und ein bitterer Geschmack bildete sich in meinem Mund. Eben war ich draußen und hatte mich so gefangen wie noch nie gefühlt.

Meine Gedanken glitten zu dem Tag zurück, an dem Noah mir den Garten gezeigt hatte und ich dort in seiner Jacke geschlafen hatte.

„Camilla!", riss mich eine aufgeregte Stimme aus meinen Gedanken.

Ich kam gar nicht dazu aufzustehen, da wurde ich schon so fest gedrückt, dass es mir fast die Luft abschnürte.

„Ich habe dich so vermisst.", schluchzte Veronica schon fast.

So standen wir minutenlang da und ich konnte nicht verhindern, dass mir ein paar Tränen über die Wangen liefen. Eine beste Freundin war genau das, was ich jetzt brauchte.

Aber nicht hier auf der Polizeiwache.

Also fragte ich Veronica, ob wir gehen könnten.

Sofort ließ sie mich los und meinte:„ Klar, ich hole nur eben Bianca."

„Ich nehme ein Taxi.", antwortete ich ihr, als ich wieder an Bianca dachte. Sie hatte mich verraten.

Verwirrt blieb Veronica stehen, während sie anscheinend nachdachte. Schließlich kam sie zu folgendem Entschluss:„ Bianca kann auch bei David mitfahren und wir fahren erstmal zu dir."

Vorsichtig lächelte ich sie an, doch es erreichte nicht meine Augen, das wusste ich. Veronica bemerkte das aber nicht. Sie war schon auf dem Weg nach draußen.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt