Kapitel 24

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Noah Cano

Die Stimmung zwischen uns war zum Zerreißen gespannt und ich versuchte mich zu gedulden, bis Camilla endlich bereit war zu sprechen.

Ich war mir sicher, dass es mit einem Typen zu tun hatte und allein dieser Gedanke brachte mich dazu jede mögliche Mordfantasie noch einmal zu vertiefen. Der Bastard wird definitiv leider.

Ich betrachtete das zarte Geschöpf vor mir und ich konnte genau sehen, dass sie leicht zitterte und es zerriss mich ihr nicht helfen zu können. Noch nie hatte ich so gefühlt. Gefühlt, als wäre ich hilflos. Camilla sah mich nicht mal richtig an. Stattdessen schien sie durch mich hindurch zu sehen.

„Du kannst es mir erzählen.", forderte ich sie auf und endlich sah sie mich an. Dabei wirkte sie so, als würde sie mich erst jetzt wieder bemerken. Ihre Augen glänzten etwas, doch diesmal weinte sie nicht, sondern fuhr sich nur schnell durchs Gesicht.

„Wenn du das je jemandem erzählst...", sie stockte kurz und sah mich so kalt an, dass es sogar mir kurz Angst machte, „Dann bring ich dich um."

Etwas tief in mir sagte mir, dass sie in diesem Fall nicht scherzte.

Trotzdem musste ich leicht lächeln. Mit diesem kalten Blick und den leicht geröteten Augen sah sie aus wie eine wahre Mafiabraut. Irgendwie erfüllte mich ein Gefühl, dass ich vielleicht als stolz definieren würde. Doch es war noch viel stärker und jagte eine Hitze durch meine Adern, doch ich mir nicht erklären konnte.

Als Camilla erkannte, dass ich nichts mehr sagen würde, begann sie zu erzählen:„ Es ist schon etwas länger her. Ich lebe hier seit meiner Geburt und fast genauso lange kenne ich auch schon Theo. Zu mindestens dachte ich, dass ich ihn kenne." Ihre Stimme nahm einen bitteren Unterton an und bei der Erinnerung an ihn, schien sie so kalt, dass ich nicht glaubte, dass das das Mädchen war, das eben noch eine Panikattacke hatte.

„An meinem 16. Geburtstag sind wir zusammen gekommen. Es war so romantisch. Er stand da mit roten Rosen und 99 Luftballons. Das ist mein Lieblingslied musst du wissen. Ich war so glücklich wie ich es noch nie in meinem Leben war. Doch dann", Camilla lachte kurz auf und griff unsicher nach meiner Hand, so als ob sie halt suchte, „wurde Theo ganz anders. Es dauerte ein Jahr und dann wurde er plötzlich viel aggressiver als er es sonst war. Und zu der Zeit hatte ich ein ziemlich großes Selbstbewusstsein, also widersprach ich ihm immer, wenn er mich oder meine Freunde kritisierte. Erst schrie er mich dann nur noch mehr an, aber dann..." Sie brach ab und schaute mich mit so einem traurigen Blick an, dass ich förmlich sehen konnte, wie alles in ihr noch einmal zerbrach.

Gerade als ich ihr vorschlagen wollte, dass sie es nicht erzählen wollte, sprach Camilla weiter:„ Er begann die Hand gegen mich zu erheben. Jedes Mal wenn ich ihm widersprach tat er das, also hörte ich damit auf. Nach einiger Zeit wurde es wieder besser, ich fügte mich und er war wieder der süße und liebevolle Junge, den ich am Anfang geliebt hatte."

„Warum haben deine Freunde nichts getan?", fragte ich sie mit belegter Stimme. Allein die Vorstellung, dass dieser Theo auch nur einmal zugeschlagen hatte, brachte mein Blut zum Kochen. Er würde leiden, wie Camilla gelitten hat, nur viel schlimmer.

Dass ihre Freunde ihn einfach haben machen lassen, machte mich nur noch wütender. Wie konnten sie mein armes, kleines Mädchen leiden lassen?

In meinem Kopf spielten sich tausend Bilder ab, die mir vorspielten, wie Camilla weinte und das Junge immer weiter zuschlug.

Camilla räusperte sich und riss mich damit aus dem Storm der grausamen Bilder. „Meine Freunde haben nichts getan, weil sie es nicht wusste. Theo hatte mich nur geohrfeigt und dass konnte man nie sehen. Veronica und Bianca hätte er auch etwas angetan, wenn ich es ihnen gesagt hätte ich hatte solche Angst.", schluchzte Camilla jetzt und ich sah sie bemitleidend an. Auf einmal krabbelte sie zu mir und setzte sie auf meinen Schoß. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, aber anscheinend wusste sie auch, dass sie bei mir sicher war.

„Wie bist du von ihm losgekommen? Und wie lange warst du mit ihm zusammen?", hackte ich trotzdem noch einmal nach, doch die Frage die mir eigentlich auf der Zunge lag, konnte ich sie nicht fragen. Was ist, wenn er sie vergewaltigt hatte? Das würde ich nicht aushalten können.

„Bianca kam irgendwann mit David zusammen und er hat Theo dazu gebracht auszuwandern. Ich weiß nicht wie, aber ich will es ehrlich gesagt auch gar nicht warte. David ist einfach mein Held.", meinte Camilla und verschwieg mir wie lange das nun ging. Doch David ihr Held? Dieser Typ war einfach nur ein Speichellecker, der sich bei ihr einschleimen wollte. Der war nicht nett, sondern berechnend. Wahrscheinlich arbeitete Theo jetzt für ihn.

Aber David war ganz sicher nicht Camillas Held, auch wenn er sie gerettet hatte.

Das Mädchen in meinen Armen zitterte und ab und zu spürte ich etwas Nasses auf meiner Hand, was mich dazu brachte sie vorsichtig ins Bett zu legen und zu, zu decken. Sanft gab ich ihr einen Kuss auf den Scheitel.

Dann richtete ich mich auf und ging Richtung Tür. Ihre Stimme ertönte aus dem Dunkeln:„ Wieso lässt du mich alleine?"

Grinsend drehte ich mich noch einmal vor der Tür um und murmelte etwas von wichtigen Geschäften.

Meine Schritte halten auf dem Flur wieder und da es schon spät abends war, begegnete ich niemandem auf meinem Weg in den Garten. Draußen schlug mir die kühle Luft entgegen und ich stand ein paar Minuten einfach nur da und genoss es.

Die Stille tat mir gut, um meinen vor Wut schon fast zitternden Körper runterzubringen. Es war unmöglich. Ich wollte töten, doch ich wusste, dass David sich um Theo gekümmert haben wird. Soweit konnte ich ihm vertrauen, er ähnelte mir was das anging. Er war effizient und berechnend.

Als ich merkte, dass mich auch die Kälte nicht von den Gedanken, die immer wieder zu Camilla drifteten abringen konnte, lief ich in den Keller zu dem Spion.

Er hatte zu meinem Glück noch nicht ausgesagt, weshalb er immer einen Besuch wert war.

Mit einem lauten Rums schlug ich die Tür auf und sah schon den ängstlichen Gesichtsausdruck von dem Jungen. Zu Recht, denn heute wird er wohl einiges aushalten müssen.

„Wie geht es dir heute?", fragte ich ihn emotionslos. Doch er antwortete nicht. Fehler!

Mein Schlag traf ihn genau im Gesicht. Ob Theo bei Camilla auch so hart zugeschlagen hatte?

Laut atmete ich ein und aus, während der Junge versucht von mir weg zu krabbeln.

Ein hoffnungsloses Unterfangen.

„Heute hatte ich einen ziemlich harten Tag. Meine Freundin wurden von ihrem Ex geschlagen.", sagte ich abwesend und zog ein Taschenmesser aus meiner Tasche. Das würde vielleicht wehtun, aber nichts tat so sehr wie, wie das wissen, dass Camilla wegen einem anderen Typen vor mir Angst hatte.

Ich strich mit meinem Zeigefinger über die Klinge und kam dann auf den Jungen zu, der versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Ich setzte mein Messer an seiner Schulter an und drückte leicht zu, sodass etwas Blut floss.

Dem Jungen entwich ein Zischen und ich faselte weiter, während ich das Messer leicht den Arm runterzog:„ Ich wünschte du wärst er, doch das hier ist auch befriedigend. Ich muss ihn für sie töten."

„Es tut mir Leid für sie, dass du sie liebst.", presste der Junge hervor und für einen kurzen Moment stoppte ich. Leicht legte ich meinen Kopf schief und antwortete:„ Nicht, dass es dich etwas angeht, aber ich liebe sie nicht. Ich begehre sie einfach und beschütze sie. Sie liebt mich dafür und das reicht zurzeit."

Der Junge lachte auf und schaute mich mit einem schiefen Grinsen an, dass ein Gebiss, dem ein paar Zähne ausgeschlagen waren präsentierte. Dann meinte er mit einem spöttischen Unterton:„ Wenn nur sie dich liebt, kann es dir ja egal sein, dass sie da oben liegt und es wahrscheinlich bereut dir das alles erzählt zu haben. Immerhin ist sie dir so egal, dass du lieber bei mir bist, als bei ihr."

Ich ballte meine Fäuste und spürte die Wut meinen Hals hinauf kriechen. Dieser Spinner wusste nichts über mich und er wusste noch weniger über Camilla. „Wenn ich falsch liege, bleibe ruhig hier.", provozierte er weiter und ich konnte in seinen Augen kein Stück von Angst mehr erkennen. Er wusste, dass er Recht hatte. Aber ich war nicht verliebt. Liebe war etwas für schwache. Trotzdem sollte ich nach Camilla sehen. Immerhin brauchte sie das Gefühl geliebt zu werden.

Ja genau, so ist es.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt