Kapitel 37

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Camilla Moretti

Mein Blick glitt unruhig zu der silbernen Armbanduhr, die ich seit gefühlten Stunden immer wieder anstarrte.

Doch ich konnte nichts ändern. Es waren erst wenige Sekunden vergangen seit ich das letzte Mal die Uhrzeit gecheckt hatte. Es war erst kurz nach fünf, aber die innere Anspannung, die ich spürte ließ meinen Körper schon fast zittern.

Der große Grabstein, der mich versuchte einzuschüchtern mit seinem tiefen schwarz, schob sich wieder in mein Blickfeld. Das Grab war kahl und nur ein paar rote Blumen gaben einem überhaupt das Gefühl, dass jemand hier gewesen war.

Die nächsten Tage würde ich mich um das Grab kümmern und Noah ein Ehrenvolles einrichten.

„Camilla?", ertönte dann plötzlich eine Stimme hinter mir und ich fuhr erschrocken rum. Endlich war jemand hier.

In meinem Kopf machte sich eine Erinnerung bemerkbar. Die Stimme war mir bekannt. Diesen leicht arroganten Tonfall würde ich niemals vergessen.

Überrascht drehte ich mich um und sah direkt in dunkelgrüne, blitzende Augen.

Lucia Cano strich sich überheblich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr.

„Was machst du hier?", wunderte ich mich und meine Stimme klang dabei nicht halb so selbstbewusst wie es ihre tat.

Auf den Zügen des Mädchens breitete sich ein kleines, kühles Lächeln aus. Dann antwortete sie:„ Mein Bruder hat sich in dich verliebt und auch wenn ich dich nicht mag mit deiner schleimigen Art, muss ich..."

„Meiner schleimigen Art?", unterbrach ich sie verwirrt. Bei der Erwähnung von Noah war ich schon wieder den Tränen nah gewesen und ich verfluchte mich dafür. Vor Lucia wollte ich keine Schwäche zeigen, aber es ließ sich einfach nicht verhindern.

Zu meinem Glück ging Lucia nicht auf meine Tränen ein, sondern fuhr unbeirrt fort:„ Du hast wirklich alle um deine kleinen, diebischen Finger gewickelt. Luc hat sich gleich als dein Beschützer aufgespielt und Noah hat seine Augen nur noch auf dich gerichtet. Die Beiden sind meine Jungs, nicht deine."

„Ich wollte sie dir nicht wegnehmen.", keuchte ich überrascht und geschockt. War Lucia wirklich eifersüchtig auf mich? Ich meine, sie hatte echt alles, was man nur haben kann. Sie war selbstbewusst, wunderschön, zielstrebig und wirkte wie ein gefallener Engel.

Sofort versuchte ich ihr das auch zu sagen, aber sie winkte ab.

„Ich will nur, dass mein Bruder glücklich ist.", begann sie und schluckte. In meiner ganzen Trauer hatte ich ganz vergessen, dass sie einen schrecklichen Schmerz empfinden musste. Immerhin hatte sie ihren großen Bruder verloren.

Von einem unbekannten Drang gesteuert, machte ich einen Schritt auf Lucia zu und nahm sie in den Arm. Verkrampft ließ sie sich von mir umarmen, aber ich spürte, dass sie immer entspannter wurde.

Es erinnerte mich an die unzähligen Male, an denen Bianca das bei mir gemacht hatte. Bei dem Gedanken an sie bahnten sich ein paar Tränen in meine Augen.

Ohne es zu wollen liefen sie mir die Wangen runter. Ich wusste nicht einmal genau warum ich weinte, aber es fühlte sich befreiend an. Vielleicht weinte ich wegen Bianca, wegen Noah oder wegen dem düsten Grabstein, der mich magisch anzog. Ich wusste es nicht.

Auch Lucia schien die Situation nicht kalt zu machen. Ich konnte genau spüren wie sie ihre Arme, wenn auch zögerlich, um mich legte. Dabei zitterte sie leicht, obwohl ich wahrscheinlich genauso stark zitterte.

So standen wir ein paar Minuten da, bis Lucia sich wieder von mir löste und sich fast schon verlegen räusperte.

„Wir müssen los.", bestimmt sie mir einer leicht rauen Stimme. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Hatte ich es wirklich geschafft zu Lucia durchzudringen.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt