Kapitel 4

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Camilla Moretti

Ich wachte mit dick geschwollenen Augen auf und hatte zudem noch ein paar rote Flecken im Gesicht. Im Großen und Ganzen sah ich aus, als wäre mein Gesicht überfahren wurden. Mit einem gezwungenen Lächeln guckte ich mich noch einmal im Spiegel an und stellte fest, dass es mal wieder nichts zu retten gab.

Also griff ich nach meinem Handy und wählte Veves Nummer. Sie war die einzige Person, die ich kannte, die wohl jeden Notfall mit ein paar Pinseln und Farben retten konnte. Dagegen war ich eine totale Niete. Ein bisschen Lidschatten und Lipgloss gingen ja noch, aber spätestens bei der Mascara entwickelte ich plötzlich Niesanfälle oder sonstige nervige Eigenarten.

Gott sei Dank, nahm sie schnell ab und versprach mir sofort vorbei zu kommen. Glücklich legte ich auf und ging schon mal zu meinem Kleiderschrank, der wohl kaum noch chaotischer aussehen kann. Aber aufräumen ist halt einfach nicht mein Ding. Kritisch sah ich mir meine Kleidung an, nur um festzustellen, dass mich auch dadurch nichts anspringen wird.

Also entschied ich mich letztendlich für eine Lederhose, die ich mit einem engen, bauchfreien Top kombinierte. Dazu noch hochhackige Boots, natürlich alles in schwarz gehalten, und ich war fertig.

Da Veronica immer noch nicht da war blieb mir noch ein bisschen Zeit und ich begann meine Zeichnung weiter zu bearbeiten. Ich zeichnete bereits einige Wochen daran und es ärgerte mich, dass ich noch nicht fertig war. Doch in letzter Zeit hatte ich einfach zu viel Stress mit meiner Jobsuche. Zur Schule ging meine ganze Clique nicht mehr. Nach der 10. Klasse hatten wir alle abgebrochen. Zu meinem Leidwesen war die Suche allerdings weiterhin nicht erfolgreich.

Ganz in meine Arbeit vertieft, hätte ich fast das Klingeln nicht gehört. Das musste Veve sein. Erleichtert, dass sie endlich da war, lief ich die Treppen runter und öffnete ihr die Tür. Sie schloss mich in ihre Arme und begrüßte mich. „Du siehst toll aus.", stellte ich bewundernd fest. Das tat sie tatsächlich und dabei schien es, als hätte sie dafür keinen Aufwand betrieben. Man fühlte sich neben ihr einfach unsichtbar. Ihr braunen Haare hatte sie zu einem Messy Bun hochgesteckt, der so aussah, wie man ihn aus den Filmen kannte. Dazu betonte ein perfekter Eyeliner ihre katzenartigen, grünen Augen.

Lachend winkte sie ab und meinte dann:„ Und egal wie viel Mühe ich mir gebe, du übertriffst mich trotzdem immer wieder." Zwinkernd deutete sie einen Handkuss an und lief dann die Treppe nach oben.

In meinem Zimmer angekommen sah sie sich kopfschüttelnd um. Dann schien sie sich jedoch zu trauen meine Kleidungsberge, die überall verstreut lagen, zu überqueren. „Du musst echt mal aufräumen.", beklagte sie sich und ihre Augen blitzten dabei, als ob sie gerade etwas unfassbar Tolles herausgefunden hatte. Unglaublich dieses Mädchen, dachte ich mir im Stillen.

Als Veronica endlich meinen Schreibtisch erreicht hatte, platzierte sie mich auf dem Drehstuhl und schnappte sich mein Glätteisen, um meine weiß-blonden Haare wenigstens etwas zu bändigen. Das war nicht leicht. „Hast du noch einmal mit Emilie geredet?", fragte ich meine Freundin, um das Schweigen zu durchbrechen. Emile war ihre Flamme gewesen, die jedoch vor kurzem einfach mit einem anderen Mädel abgehauen ist. Veronica hat das ganz schön mitgenommen und hat sich einige Tage komplett eingeschlossen und mit niemandem geredet. Ihren Eltern hatte sie erzählt, dass es wegen einem Junge wäre. Ich kannte ihren Vater und ihre Mutter kaum, aber sie waren wohl komplett gegen Menschen, die vom anderen Ufer waren. Hielten quasi an den alten Werten fest. So beschrieb es Veronica zu mindestens immer. Diese antwortete mir jetzt auch:„ Sie wird sich nie mehr melden. Aber ist mir auch egal."

Wir kannten uns ewig und inzwischen wusste ich wann sie log. Und gerade log sie definitiv. „Du schaffst das, Bianca und ich werden immer für dich da sein", sie lächelte mich an und schenkte mir ein trauriges Lächeln. Das Thema war für sie wohl damit beendet und im Gegenzug fragte sie mich nach meinem Liebesleben.

Nebenbei machte sie sich daran meine verheulten Augen zu überschminken. Zu meinem Glück fragte sie nicht nach, warum ich geweint hatte. Sie wusste, dass ich manchmal innerlich zusammenbrach. Auch wenn ich nie von mehr als einer schlechten Vergangenheit gesprochen hatte, wusste sie, dass ich sie einfach nur brauchte. Ohne Fragen. Ich wusste nicht, ob ich auf diese eine Antwort hätte. Was sollte ich sagen? Dass ich verliebt war? Dass ich dumm war?

„Schweigst du etwa, weil da jemand ist?", fragte sie mich und sah mich an mit einem Blick der mir etwas Angst machte. Sie wirkte, als ob sie gleich eine Hochzeit schmeißen will. Jedoch musste ich sie enttäuschen und schüttelte meinen Kopf. Schmollend sah sie mich an. Fast so, als ob es meine Schuld wäre, dass ich mich nicht verliebte.

„Okay, es wird Zeit für ein Makeover.", bestimmte meine Beste und nickte zur Bestätigung. Makeover? Wir werden wohl nie beim Cafe eintreffen. Veronica machte die letzten Wischbewegungen und präsentierte dann mit einem begeisterten „Tada", was sie gezaubert hatte. Ich musste zugeben, dass ich ziemlich gut aussah. Grinsend viel ich ihr in die Arme und verschmierte dabei fast meinen dunkelroten Lippenstift auf ihrem hellblauen T-Shirt. „So und jetzt brauchst du noch etwas Süßes. Wie wäre es mit einem Kleid?", sagte sie mehr zu sich selbst, als zu mir. Natürlich wurde ich nicht mehr gefragt, immerhin war sie schon voll in ihrem Element. Zugegebenermaßen gab es wohl kein Entkommen mehr. Das einzige was mich beruhigte, dass ich kein Kleid besaß.

In der Zwischenzeit hatte sich Veronica durch meinen Kleiderschrank gearbeitet und winkte mir Stolz mit ihrem Fund entgegen. Entsetzt riss ich meine Augen auf und schüttelte dabei wild meinen Kopf. Veronica kam mir indes immer näher und ich meinte laut:„ Das werde ich nicht anziehen, ich zieh doch kein Kleid an."

Sie lächelte nur weiter und das Ende vom Lied war, dass ich ein kurzes, dazu auch noch gelbes, Sommerkleid anzog.

„Ich hasse dich.", schmollte ich noch immer vor mich hin. Das Mädchen, dass mich aus dem Spiegel anstarrte, sah viel zu glücklich und dazu noch wie ein billiger Barbieverschnitt aus. „Warum muss ich ein Kleid tragen und du darfst in einer Jogginghose gehen?", meckerte ich weiter und Veronica schnalzte mit der Zunge. Dann jedoch erklärte sie mir ihren Plan:„ Jungs mögen süße Mädchen und du brauchst endlich einen Freund." „Du brauchst auch eine Freundin.", warf ich ein.

„Ich kann auch den Mann spielen.", gab sie lachend zurück und zog mich aus meinem Zimmer. Wie ich dieses Mädchen verfluchte.

Wir waren, wie ich befürchtet hatte zu spät in dem Cafe angekommen und hatten deshalb von Bianca einen auf den Deckeln bekommen. David hatte mich als er mich gesehen hatte, dann erstmal einen Lachflash bekommen, der gar nicht wieder aufhörte. Das war dann der Moment, in dem ich anfing Veronica mit meinen Blicken zu ermorden.

Als mir diese Beschäftigung langweilig wurde ging ich mit David zum Tresen, um uns noch ein paar Getränke zu bestellen.

Dort fragte er mich auch nach meinem letzten Autorennen. Mein Blick wandelte sich zu supertraurig. Ich tat sogar so als müsste ich eine Träne verdrücken. Der Bad Boy sah mich schockiert an:„ Es tut mir so leid. Das Preisgeld war so wichtig für dich." Er hatte wirklich einen bedrückten Blick. Das Elend konnte ich mir echt nicht länger ansehen und verkündete ihm lachend meinen Sieg. „Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt, Kleine.", meinte er inzwischen auch lachend.

An: Heute bin ich etwas poetischer unterwegs. Ich finde, dass Freunde das wichtigste im Leben sind und deshalb ein kurzer Funfact: Ich kann es in Büchern überhaupt nicht leiden, wenn die Protagonistin/ der Protagonist keine Freunde hat, weil ich finde das ein großer Teil fehlt.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt