Kapitel 33

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Camilla Moretti

Langsam und fast schon andächtig schritt ich auf die Wärter zu. Dabei klammerten sich meine Finger in die Plastikmappe, die mir drohte wegzurutschen, weil meine Finger immer glitschiger wurden.

Ab und zu drehte ich mich kurz um und spähte zu dem Platz, auf dem ich Luc und Veronica zurücklassen musste. Allein bei dem Gedanken, dass ich gleich eine Straftat begehen werde, rutschte mir das Herz in die Hose.

Ich kam der großen, aus Stahl gemachten Tür immer näher und meine Schritte verlangsamten sich immer mehr, wenn das überhaupt ging. Um mich herum war fast ausschließlich Wald, was das ganze fast schon wie einen geheimen Bunker wirken ließ, aber das war es nicht. Keine Zuflucht, sondern eine Einsperrmöglichkeit.

Mit einem letzten Blick auf den leeren Fleck atmete ich noch einmal zittrig ein und trat dann vor den Wächter.

Dieser beäugte mich so genau, dass ich schon fast das Gefühl hatte aufgeflogen zu sein.

„Für Noah.", sprach ich mir selbst Mut zu und streckte dann meine Hand dem braunhaarigem entgegen.

„Ich bin Fiona de Celli. Meine Assistentin hatte vorhin mit Ihnen telefoniert.", unter dem ernsten Blick drohte meine Stimme schon fast zu versagen.

Doch der Wächter ging gar nicht auf mich ein, sondern verlangte meinen Personal- und Presseausweis.

Wie befohlen hielt ich ihm Beides hin und hoffte, dass er alles für echt hielt. Er tat es.

„Ich werde Sie zu ihm führen. Wenn Sie mir bitte folgen würden.", forderte der Mann mich mit rauer Stimme auf, die nur so vor Langeweile strotzte.

So schnell ich konnte steckte ich die Ausweise weg, die mir Veronica gegeben hatte. Sie gehörten wohl einer Freundin, die eine neue Identität angenommen hatte.

Die großen Schritte des Wärters brachten mich schon fast zum Joggen, doch ich wagte es nicht mich weit zu entfernen. Das Gefängnis wirkte bedrohlich. Die Gänge waren kalt und grau. Es wirkte alles verlassen und so still, dass ich kaum glauben konnte, dass hier hunderte von Leuten waren.

Endlich erreichten wir eine Tür, die der Mann aufschloss.

„Warten Sie bitte hier drinnen. Wenn etwas sein sollte, dann drücken sie den roten Knopf.", wies dieser mich noch an, bevor er mich in den Raum schob und die Tür schloss, nachdem er gegangen war.

Der Raum war karg und bis auf einen Tisch, der in der Mitte stand, leer.

Meine Hände zitterten, als ich den Stuhl zurückzog und mich setzte. Wie gebannt starrte ich auf die glatte Oberfläche, auf der nur eine Stange gebaut wurden war, an der wahrscheinlich der Gefangene gefesselt wurde.

Wie Noah es gleich wahrscheinlich auch würde.

Meine Gedanken drifteten zu dem Tag, an dem er von mir fortgerissen wurde und wie so oft machten sich in mir Schuldgefühle breit, die kurz darauf in einen inneren Schmerz mündeten.

Ich hatte ihm nicht helfen können.

Die Polizei hatte ihn mir genommen.

Bianca hatte ihn mir genommen.

Ich hoffte so sehr, dass ihr David genauso genommen wird, wie Noah es mir wurde.

Ich legte meine Blätter auf den Tisch und neben sie einen blauen Kugelschreiber, wobei ich nicht verhindern konnte, dass mir ein paar Tränen die Wange runter rollten.

Ich senkte meinen Kopf und konzentrierte mich ganz auf mein rasendes Herz, die schwitzenden Hände und mein Bein, das ununterbrochen wippte.

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und umso länger ich auf Noah wartete, desto ängstlicher wurde ich. Was wäre, wenn sie herausgefunden hätten, dass ich nicht Fiona, sondern Camilla, heiße?

Die würden mir die Zelle gleich neben Noahs geben, wobei das immer noch besser war, als von ihm getrennt zu sein.

Ein Klacken verriet mir, dass die Tür, die wohl zum Gefängnis führte aufging. Laute Stimmen waren zu hören und dann Schritte, die an dem Tisch stoppten. Noch immer hielt ich meinen Kopf gesenkt, nicht gewillt, dass noch eine Wache mich böse anschaute.

Zu mindestens redete ich mir das ein. Vielleicht wollte ich nicht Noahs Blick sehen, wenn er mich sah und sich vielleicht nicht freute.

Die kleine nagende Stimme in mir glaubte immer noch, dass ich kein Glück finden würde.

Die Tür schloss sich mit einem lauten Knall und ich zuckte kurz zusammen.

Jetzt waren wir alleine. Endlich.

„Hören Sie, ich gebe keine Interviews. Wenn Sie also bitte gehen könnten.", ertönte Noahs Stimme und zerriss damit die elektrisch aufgeladene Stille.

Seine Stimme klang rau, aber trotzdem war es das schönste Geräusch, das ich seit langem gehört hatte.

Die Tage, die Veronica brauchte, um die Ausweise zu organisieren waren schrecklich quälend vorbeigegangen. Es war, als hätte mich die Uhr verspottet.

Mit einem tiefen Atemzug hob ich meinen Kopf und sah direkt in Noahs hellgraue Augen. Überrascht atmete dieser auf und schien fast aufspringen zu wollen, als er sich daran erinnerte, dass er ja Handschellen trug.

„Camilla?", hauchte er ehrfürchtig und seine Augen blitzten schon fast vor Freude. Auf meinem Gesicht wollte sich ein Lächeln ausbreiten, doch stattdessen kniff ich die Lippen zusammen, um zu verhindern, dass ich hier und jetzt in Tränen ausbrach.

Noahs eben noch erfreuter Blick wurde augenblicklich besorgt und eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn, die fast verdeckt wurde durch seine schwarzen Haare.

Mit brechender Stimme versuchte ich meinen kleinen Gefühlsausbruch zu überspielen:„ Orange steht dir." Dabei deutete ich auf sein Gefängnisoutfit.

Noah sah mich böse an. Doch bereits nach wenigen Minuten begann er wieder zu lächeln und grinste mich an, während er sagte:„ Ich habe dich auch schrecklich vermisst, Kleine."

Mein Herz setzte einen kurzen Schlag aus, um dann doppelt so schnell wie vorher, wenn das überhaupt möglich war, weiter zu schlagen.

Noah grinste immer noch und für mich war es das schönste Lächeln was es gibt.

„Die Zeit ohne dich war schrecklich. Ich hatte solche Angst.", gab ich weinerlich zu und griff nach seiner Hand.

Fast wäre mir ein Seufzer entwichen, als ich seine warme Haut auf meiner spürte. Es fühlte sich richtig an. In diesem Moment vergaß ich, dass Noah Sträfling war und wir beide in einem Gefängnis saßen. Es zählte nur der Moment.

Ich wollte ihn in mir aufnehmen und festhalten. So lange bis ich das Gefühl hatte, dass ich diesen Raum wieder verlassen konnte ohne dabei einen Teil von mir zurück zu lassen.

„Wie bist du hier reingekommen?", zerstörte Noah den schönen Moment und riss mich damit wieder in die Realität.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt