Kapitel 18

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Noah Cano

Sie stand einfach nur da und tat rein gar nichts. Es wirkte so, als ob sie den Moment in sich aufsog. Lächeln sah ich sie an und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie hatte immer noch ihre Kleidung von der Entführung an, aber ich wusste, dass Luc sie duschen gebracht hatte.

Meine Kleine hatte ihre Augen weiterhin geschlossen und ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Es war das erste Mal, dass sie nicht zurück gezuckt war.

Ein erster Erfolg in unserer Beziehung.

„Gefällt es dir?", fragte ich sie lächelnd und Camilla öffnete ihre Augen. Dann hauchte sie:„ Ich liebe es."

Grinsend sah ich zu ihr runter, auch wenn sie sich noch nicht umgedreht hatte, wusste ich, dass sie gerade ihr schönstes Lächeln aufgesetzt hatte. Trotzdem war es kalt und sie war nur dünn angezogen, also sagte ich:„ Wir müssen reingehen, dir ist kalt." Das Mädchen drehte sich zu mir rum und schlang dabei ihre Arme um ihren zierlichen Körper.

„Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?", bat sie und ihr sehnsüchtiger Blick huschte zu dem Strandkorb, der auf einer Rasenfläche stand und von dem man einen perfekten Blick auf die umliegenden Felder hatte. Ich überlegte und wollte gerade verneinen, als sie ihre Lippen zu einem Schmollmund verzog. Genervt legte ich meinen Kopf in den Nacken und legte dann meinen Arm um ihre Schultern. Auch dieses Mal ließ sie es geschehen, doch ich konnte ihr ansehen, dass sie sich dabei nicht wohlfühlte. Es kümmerte mich aber nicht. Ich genoss es, dass sie so nah bei mir war. Außerdem konnte ich sie so wärmen. Sie sollte sich ja schließlich nicht erkälten.

Wir waren beim Strandkorb angekommen und setzten uns. Gerade als ich wieder einen Arm um sie legen wollte, rutschte sie von mir weg. Enttäuscht sah ich sie an, eben hatte es doch auch so gut funktioniert. Zwischen uns war nicht viel Abstand, das war gar nicht möglich, doch trotzdem wünschte ich mir, dass ich sie auf meinen Schoß setzen könnte und sie einfach nur in meinen Armen halten.

Der Tag heute war mir aber schlichtweg zu schön, um ihn mit einer meiner unüberlegten Aktionen zu zerstören.

Plötzlich riss mich ihre Stimme aus meinen Gedanken und ich sah verwundert auf:„ Ich liebe die endlose Weite hier. Man hat das Gefühl, als würde da hinten eine neue, magische Welt warten." Verträumt sah sie in die Ferne, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. Ich konnte Tränen in ihren Augen sehen und verwirrt beobachtete ich ihren traurigen Gesichtsausdruck. Umso länger ich dies tat, desto mehr wurde mir klar, dass irgendwas mit ihr passiert sein muss, dass sie so zerbrechlich ist. „Darf ich dich trösten?", fragte ich sanft und schlug mir im nächsten Moment gedanklich selbst gegen die Stirn. Das hatte ich sie doch nicht ernsthaft gerade gefragt. Nicht nur, dass ich mich mit so einer Frage, wie sie vielleicht ein Teenager stellte, bloß stellte. Nein, gleich würde ich auch noch einen Korb bekommen. Camilla schaute mich an und schien in meinen Augen nach etwas zu suchen, ich konnte nicht sagen was es war, aber dann tat sie etwas, was ich nie erwartet hätte. Sie rutschte zu mir rüber und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Für einen kurzen Moment war ich wie gelähmt, aber sie schien es nicht zu bemerken, weil sie inzwischen wieder in die Ferne starrte. Also legte ich meinen Arm um ihre Schultern und strich langsam an ihrem Arm hoch und runter. Als eine ihrer weißblonden Haarsträhnen in ihr Gesicht fiel, strich ich sie zurück. Ihre Haut war weich wie ein Baby Popo und vorsichtig legte ich meinen Kopf auf ihren.

Dieser Moment brannte sich nicht nur in meinen Kopf, sondern direkt in mein Herz, von dem ich dachte, dass es nie wieder etwas anderes außer schlagen tuen würde.

Ich weiß nicht wie lange wir so saßen und uns anschwiegen. Es war ein angenehmes Gefühl und ich musste automatisch an den Moment denken, als ich hier schon mal mit einem Mädchen saß. Schnell schüttelte ich den Gedanken fort. Sie würde mich nie wieder beeinflussen. Camilla würde so viel besser für mich sein, als sie es jemals war.

Das Mädchen in meinen Armen bewegte sich auf einmal und ich dachte schon, dass sie aufstehen würde, doch sie drehte nur ihren Kopf zu mir. Wie gerne ich sie jetzt küssen würde, doch das würde warten müssen. „Früher habe ich oft so dagesessen und ewig lange über die Welt geredet.", erzählte sie und lächelte dabei, doch das Lächeln erreichte nicht ihre Augen. Mein Herz schlug etwas schneller. Wollte sie mir etwa genau jetzt von ihrem EX erzählen? Ich spannte mich an, auf alles vorbereitet. Doch Camilla schien das gar nicht zu bemerken, so vertieft wie sie in ihre Erinnerungen war. Ich töte diesen Bastard. „Wer war es?", knurrte ich also bedrohlich und sie sah mich mit großen Augen an und schluckte. Vorsichtig flüsterte sie:„ Bianca, meine Freundin. Du kennst sie doch oder?"

Schnell schaute sie weg und wollte sich auch auf meinem Arm lösen, doch ich zog sie nah zu mir. Es würde jetzt kein Blatt Papier mehr zwischen uns passen. „Bianca und du steht euch sehr nah oder?", erkundigte ich mich, immerhin muss ich noch mehr über ihre Freundinnen erfahren, damit mein Plan aufgeht. Das Mädchen grinste und nickte, wahrscheinlich freute sie sich, dass wir normal redeten. Dann begann sie zu erzählen:„ Bianca ist die allerbeste und echt immer für mich da. Sie ist super hilfsbereit. Seit sie David hat ist sie auch etwas offener und wieder glücklich." Als sie David erwähnte musste ich mich stark zusammenreißen, damit mir nichts Falsches rausrutschte. Für irgendwelche Feindschaften waren Camilla und ich uns nicht nah genug. Noch nicht. „Es freut mich, dass du so eine gute Freundin hast.", gab ich ehrlich zu und Camilla nickte zaghafte.

„Ja Bianca war auch immer für mich da, als...", sie brach ab und schaute unsicher zu mir hoch, doch dann veränderte sich etwas in ihrem Blick und sie schien Panik zu bekommen. Wie wild zappelte sie in meinen Armen und ich ließ sie schnell los. Was hatte ich denn getan? Ich versuchte sie zu beruhigen, doch es war, als ob meine Worte gar nicht zu ihr durchdrangen. Verstört starrte ich sie an, Tränen liefen ihr über die Wangen und ich fühlte mich so hilflos wie noch nie in meinem Leben. Eben war doch noch alles gut gewesen. Was hatte sie denn? Irgendwas schien in ihrer Vergangenheit passiert zu sein und Bianca schien davon zu wissen. „Bleib du hier, ich hole dich später. Ich muss noch etwas besprechen.", sagte ich vorsichtig zu ihr und ließ meine Trainingsjacke bei ihr. Sie sollte ja nicht erfrieren. Doch Camilla zeigte gar keine Reaktion.

Drinnen lief ich sofort zu Lucs Zimmer und stürmte in den Raum. Er schreckte hoch und warf das Buch, in dem er eben noch geblättert hatte zur Seite. „Was ist los?", erkundigte er sich erstaunt und ging langsam zu mir. Ernst guckte ich ihn an und meinte dann:„ Ruf alle zusammen, ihr müsst etwas für mich erledigen." Sofort rannte Luc los, ohne Fragen zu stellen. Genau deswegen war er mein Berater. Er wusste wann es dringend war. Tatsächlich waren schnell alle in dem kleinen Konferenzraum. Es stand nur ein großer Tisch mit vielen Stühlen drinnen und an der Wand, hinter meinem Platz, hing ein Whiteboard.

Als auch der letzte Mann hinter sich die Tür geschlossen hatte, begann ich:„ Schön, dass ihr so schnell hier wart. Ihr habt eine neue Mission."

Nachdem alles erklärt war stürmten die Männer los, unter ihnen auch Luc.

Ich beschloss nach meinem Mädchen zu sehen. Ich fand sie draußen im Strandkorb, wie sie in meiner Jacke eingekuschelt döste. Es sah so süß aus wie sie da lag, dass ich stundenlang ihr hätte zusehen können, doch in der Zeit wäre es wohl zu kalt geworden.

Vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken, hob ich sie hoch und brachte sie in mein Zimmer. Die Kleine war ein Fliegengewicht. In den nächsten Tagen musste sie echt mehr essen.

In meinem Zimmer legte ich sie in mein Bett, in dem sie fast unterging, so klein war sie. Ich wollte ihr meine Jacke wegnehmen, doch sie krallte sich so darin fest, dass ich es nach ein paar Versuchen aufgab.

Während ich sie zudeckte fiel mir auf, dass ihre Wangen etwas nass waren. Nachdem ich gegangen war, hatte sie anscheinend geweint. Mein Herz wurde schwer, ich werde ihr Geheimnis lüften.

Leise ging ich aus dem Raum, heute werde ich noch nicht bei ihr schlafen.

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt