Kapitel 23

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Camilla Moretti

Schweigend aßen Noah und ich die Nudeln, die ich eben gekocht hatte, während er nur da saß und mir ab und zu unnötige Tipps gegeben hatte.

Jetzt saßen wir hier und immer wieder trafen sich unsere Blicke und dann begannen wir Beide wie kleine Kinder zu lächeln.

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich nach einer Entführung wohl fühlen könnte. Im Moment wollte ich gar nicht nach Hause zurück. Ich fühlte mich wohl in dieser kleinen Traumwelt, die nur für Noah und mich bestimmt war.

Ob es ihm genau so ging?

Ich fühlte mich so wohl und geborgen, wenn er mich in seine Arme nahm. Dieses Gefühl konnte mir noch nie jemand geben, nicht einmal Theo. Ich glaube ich war dabei mich zu verlieben.

Erschrocken ließ ich meine Gabel fallen, was Noah dazu brachte ebenfalls sein Besteck hinzulegen und mich verwirrt anzusehen. „Was ist los?", erkundigte er sich sofort mit besorgter Stimme. Mein Kopf drehte sich wie ein Karussell und wollte gar nicht mehr aufhören. Also stellte ich Noah endlich die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Seele brannte:„ Was sind wir jetzt?"

Es war still und Noah sah mich wieder mit diesem durchdringenden Blick an, bei dem ich mich sofort unwohl fühlte. Seien hellgrauen Augen brannten sich direkt durch meine Haut in meine Seele.

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und ich zitterte, wenn auch nur leicht. Als Noah seine Hand hob, schreckte ich erschrocken zurück. Ich wusste er würde mich schlagen, wenn ihm meine Antworten nicht gefallen würden. Und er würde mich schlagen, wenn ich die falschen Fragen stellte. Genau das hatte ich anscheinend gerade getan.

„Wieso zuckst du zurück? Eben durfte ich dich doch auch berühren?", wunderte er sich und klang dabei total enttäuscht von mir. Er schien gar nicht zu verstehen, was gerade in mir vorgegangen war. Das war auch besser so, wenn er von meiner Vergangenheit erfahren würde, dann würde er mich nur so bemitleiden und wie Porzellan behandeln. So taten es alle.

Ich musste ihm zeigen, dass ich mutig war und selbstbewusst, auch wenn es nicht immer stimmte. Schnell stand ich auf und setzte mich neben ihm auf die Küchenbank. Dabei achtete ich darauf, dass ein kleiner Abstand gewahrt wurde, falls er gleich sagen würde, dass er nur eine offene Beziehung oder noch schlimmer, gar keine Beziehung wollte.

Noah legte sanft seine Hand auf mein Bein und malte mit seinem Daumen kleine Kreise. „Ich habe das noch nicht oft gemacht", begann er und sah mich wieder durchdringend an, „Möchtest du meine Freundin sein, Camilla Moretti?"

Mein Lächeln musste wohl ins unermessliche gestiegen sein, weil Noah wieder seinen ruhigen und selbstsicheren Blick aufgesetzt hatte. Er wusste die Antwort bereits:„ Ja!"

Mir wurde klar was das hieß, doch es war mir egal. Alle Konsequenzen waren mir egal. Dieser Junge war perfekt für mich, auch wenn er einer der Bösen war. In seinem Inneren war er der liebste Mensch auf Erden, das hatte ich gesehen. Es gab niemanden, der mich so ansah, dass mein Bauch kribbelte, so wie er es jetzt auch tat.

Noah zog mich an sich und küsste mich sanft und vorsichtig. Sofort gab ich mich dem Kuss hin und vergrub meine Hände in seinen weichen, lockigen Haaren. Unsere Lippen bewegten sich im gleichem Tempo und der leichte Windzug, der die Sommerwärme noch mit sich trug, ließ den Kuss nur noch schöner werden. Ich fühlte mich wie in einem Märchen.

Auf einmal löste sich Noah von mir uns schaute mich einfach nur an. „Du bist echt heiß.", neckte mich Noah, doch ich wich nur zurück, während mir alte Erinnerungen im Kopf herumschwirrten. „Was ist los?", fragte Noah lachend, „Du bist natürlich wunderschön, aber eben auch heiß, Kleine."

Ich schüttelte nur den Kopf und spürte, wie sich meine Kehle wieder zuschnürte und meine Augen mit Tränen füllten.

Nur von weitem hörte ich Noahs Stimme, denn die Erinnerungen holten mich mal wieder ein:

„Baby, stell dich nicht so an.", schimpfte er und drückte mich gegen die Wand. Ängstlich wimmerte ich und versuchte mich von ihm zu lösen, doch er schien das gar nicht richtig wahrzunehmen. Tränen flossen mir die Wangen runter und er küsste sie weg. Ich drehte meinen Kopf angeekelt weg. Grinsend sagte er:„ Du bist so heiß. Dich muss ich einfach mal kosten. Stell dich nicht immer so an." „Ich will das nicht, lass mich los!", kreischte ich aufgebracht und schrie um Hilfe, auch wenn ich wusste, dass mich keiner hören würde. Wir waren schließlich in seiner Wohnung und ich war ganz auf mich gestellt. Plötzlich zog Theo ein Taschenmesser aus seiner Tasche und schnitt mir das T-Shirt einfach in zwei Teile. Ich weinte und schlug um mich, doch was er dann tat, das hätte ich selbst ihm niemals zugetraut.

„Camilla!", riss mich eine Stimme aus den grauenvollen Erinnerungen und ich blickte durch den Tränenschleier direkt auf einen verzweifelt aussehenden Noah, der mich in seinen Armen wiegte. Vorsichtig löste ich mich und sah abwesend auf den Küchentisch. Details nahm ich keine wahr. Noah musste mich jetzt für verrückt halten, kein Mädchen rastete wegen so einem bescheuerten Kommentar. Kein Mädchen rastete aus, weil ihr Freund ihre Wange streicheln wollte. Kein Mädchen, hatte vor ihrem Freund Angst, wenn er das falsche sagte oder tat.

Also sagte ich nur:„ Es tut mir leid, Noah. Du solltest mich wieder einsperren." Ich meinte was ich sagte. Es war das Beste für ihn. Die letzten Tage war ich ohne größere Panikattacken ausgekommen, doch jetzt wo es wieder anfing, würde ich zu der Person die ich noch bis vor kurzem war, werden. Kaputt und ängstlich.

„Du bist meine Freundin, ich werde dich ganz sicher nicht in irgendeinem Loch in meinem Keller einsperren.", empörte sich Noah mit sanfter Stimme und zog mich wieder an sich. Bevor ich noch etwas erwidern konnte, hob er mich hoch und ich quiekte überrascht auf. In meinem Bauch kreisten bei dieser romantischen Geste Schmetterlinge. Auch, wenn es nicht mehr lange dauern würde, genoss ich diese liebevollen Berührungen.

Nachdem Noah mich auf seinem Bett abgesetzt hatte, forderte er mich auf:„ Du musst mir erzählen, warum du andauernd Panikattacken hast. Dann kann ich dir helfen. Wir suchen dir einen Psychologen, okay? Aber du brauchst keine Angst haben. Nicht vor mir." Zum Ende hin wurde er immer leiser, doch ich musste ihn leider enttäuschen:„ Mir hilft kein Psychologe. Mir kann niemand mehr helfen." „Das stimmt nicht, ich helfe dir.", widersprach er sofort. Ein paar Tränen füllten meine Augen und er sah mich sofort besorgt an. „Habe ich was falsch gemacht?", seine Stimme klang verunsichert. Ich hatte ihn noch nie so verletzlich erlebt, aber es rührte mich zu tiefst, also antwortete ich leicht lächelnd:„ Noch nie hat sich jemand so um mich gesorgt."

„Warum?", kam prompt Noahs Frage, die mich bitter auflachen ließ.

Also klärte ich ihn auf:„ Niemand kennt die Geschichte."

„Nicht einmal deine besten Freundinnen?", fragte er erstaunt nach und ich schüttelte nervös meinen Kopf. Unruhig knetete ich meine Hände. Als Noah mich fest ansah:„ Erzähl mir alles."

The Mafia - EistränenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt