Kapitel 16

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Das erste, was ich beim Aufwachen feststelle, ist, dass Milan weg ist. Für einen ganzen Monat. Das werde ich nie aushalten. Was soll ich nur die ganze Zeit ohne ihn machen? Ich denke daran, dass ich auch meine Magie nicht benutzen darf. Ich werde es auch ganz sicher nicht tun. Aber was soll ich denn dann machen?!

Da fällt mir ein, dass ich schon voll lange nichts mehr gezeichnet habe. Bevor wir hierher gezogen sind, habe ich fast jeden Tag ein neues Bild entworfen. Am liebsten zeichne ich die Meerjungfrau vom Schnorchelausflug. Ich habe schon unzählige Bilder von ihr.

Da fällt mir auf, dass nicht alles in Licorne begann. Ich habe schon vorher eine Meerjungfrau gesehen. Aber das Komische ist, dass ich mich überhaupt nicht daran erinnern kann, dass ich Magie herbeigerufen habe.

Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, Meerjungfrauen und andere Magiewesen, ganz ohne Magie zu sehen. Das wäre so toll. Ich beschließe, das in der Schule mal auszuprobieren. Am besten halte ich mich immer in der Nähe von denen auf, die ich als Magiewesen gesehen habe. Ganz überzeugt von meinem Plan, laufe ich runter in die Küche, um zu frühstücken.

Nach dem Frühstück, zeichne ich Emma, so wie ich sie gestern als Meerjungfrau gesehen habe. Die Zeichnung füge ich zu dem ganzen Haufen Skizzen von der anderen Meerjungfrau hinzu.

Im Bus spüre ich gleich einen Stich in meinem Herz, als ich sehe, dass Milan nicht da ist. Finn erklärt mir:,,Katharina und Milan sind heute krank. Die kleinen haben dir trotzdem einen Platz im Vierer freigehalten." Melina und Mia protestieren lautstark, dass sie gar nicht klein sind.

Ich würde am liebsten durch den ganzen Bus schreien, dass Milan gar nicht krank ist, sondern in Spanien ist. Aber es ist ja leider ein Geheimnis.

Um herauszufinden, ob Milan öfter mal solche Ausflüge macht, frage ich die anderen:,,Ist Milan öfters krank?" Carlitos und Melina werfen sich einen seltsamen Blick zu. Einen langen, ziemlich seltsamen. Ob sie wohl von Milans Geheimnis wissen?

Finn sagt:,,Ja, Milan ist sehr oft krank. Wieso interessiert dich eigentlich nur, ob Milan öfter krank ist und nicht ob Katharina öfter krank ist. Stehst du etwa auf ihn?" Na toll, ertappt. Sofort werde ich rot, hoffentlich sieht es keiner. Was soll ich denn jetzt sagen. Ich will ihnen irgendwie nicht die Wahrheit sagen, lügen will ich aber auch nicht.

Finn erschließt es sich einfach selber:,,Ja, bist du. Zum Glück ist Katharina nicht hier. Sonst wärst du jetzt gleich in ihrem Verkupplungsprogramm gelandet."

Ich lache daraufhin und schon ist, zu meiner Erleichterung, das Thema gewechselt. Jetzt reden nämlich alle darüber, wen Katharina mit wem verkuppeln will und wollte. Es kommt eine sehr lange Liste zusammen und die Geschichten von Finn sind einfach die besten. Die Jungs, Melina und Mia, versprechen mir, dass sie Milan und Katharina nichts davon erzählen werden, dass ich in Milan verliebt bin. Glücklich danke ich ihnen.

Die Schule geht ziemlich schnell vorüber. Ich werde in Mathe ausgefragt, kriege eine 1 und wir schreiben einen Vocabeltest in Französisch, bei dem ich auch sicher alle Lücken richtig habe.

Auf der Rückfart im Bus lachen wir weiterhin darüber, wie Katharina, Finn mit Amy aus unserer Klasse verkuppeln wollte.

Zuhause zeichne ich ein Bild von Milan, ohne Reitsachen und Arzttasche, einfach nur von ihm mit normalen Klamotten. Das Bild ist wunderschön. Zufrieden zeichne ich meinen letzten Strich fertig.

Ich gehe in das Wohnzimmer, um zu fernsehen. Aber ich kann mich irgendwie nicht so wirklich auf den Film konzentrieren. Die ganze Zeit muss ich an Milan denken. Was er wohl gerade macht?

Als ich wieder in mein Zimmer gehe, kann ich meinen Augen nicht trauen. Mein kleiner Kater sitzt zusammengekauert in der Ecke. Oh nein, seine Nase blutet und seine Lippe ist total aufgeschürft. Und was mich am meisten aufregt, ist, dass auf meiner Bettdecke schwarze Haare kleben. Die sind von Kira!

Ich kann es einfach nicht glauben. Sie hat meinen Kater von meinem Bett vertrieben, ihn verletzt und sich selber auf meine Bettdecke gelegt. Vorsichtig hebe ich Moritz auf. Das schaut ganz schön schlimm aus, bestimmt tut die Verletztung voll weh. Schnell wechsele ich meine Bettwäsche und lege Moritz hinein.

Ich werde jetzt mal zu Lina gehen und mit ihr und Kira ein ernstes Wörtchen reden. Vorsichtshalber mache ich meine Zimmertür zu, nicht das Kira noch mal reinkommen kann.

Wütend stapfe ich zu Linas Zimmer. Ihre Zimmertür steht einen Spalt weit offen, das ist sehr komisch, weil sie die Tür normalerweise immer zumacht und man immer klopfen muss, bevor mein rein darf. Ich beschließe mich mal einzuschleichen. Ich mache kleine Schritte und setze meine Füße so vorsichtig wie möglich auf.

Vor ihrer Tür stelle ich mich an die Wand und schaue vorsichtig durch den kleinen Schlitz. Und was ich da sehe, bringt mich zum Staunen.

Lina hat ein schwarzes Kleid und einen Hut an. Beides ist mit Spinnenweben überklebt und über ihren Rücken kriecht sogar eine echte Spinne. Das ist so ekelig, dass ich am liebsten losschreien will.

Scheiße, sie ist eine Hexe. Ich sollte mich vor ihr fürchten. Ihre Aufgabe ist, mich umzubringen und meine ist, sie umzubringen. Was soll ich nur tun, sie ist ja schließlich meine Schwester. Und Geschwister kann man nicht einfach töten.

Aus Angst, das sie mich sieht, drehe ich mich wieder weg von der Tür. Ich stehe jetzt mit dem Rücken an der Wand und atme hektisch. Mein Herz rast dabei und ich überlege schon meine Mutter zu rufen. Vielleicht schaffe ich es sie schnell zu holen, aber wahrscheinlich wandelt sich Lina dann wieder zurrück. Ich bleibe lieber hier stehen. Vielleicht kann ich ja weitere Sachen beobachten.

Es ist zwar gerade ein total unpassender Moment, aber ich muss an Milan denken. Ich wünsche er wäre hier. Dann könnte ich ihm erzählen, was ich gerade gesehen habe.

Plötzlich höre ich Stimmen aus Linas Zimmer. Eine der Stimmen ist ihre. Doch von wo kommt die andere? Ich atme einmal tief durch und reiße mich dazu zusammen, noch einmal in ihr Zimmer zu gucken.

Und was ich da sehe, verschlägt mir den Atem. Kira redet! Diese schwarze Katze redet! Ich wische mir über die Augen, doch es stimmt. Das kleine Katzenmaul klappt auf und zu. Insgesamt entsteht eine bösartig klingende Stimme.

Magie gibt's nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt