Kapitel 48

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Vielleicht ist das, was ich da gerade mache eine falsche Entscheidung, aber trotzdem packe ich Katharina an der Hand und renne mit ihr im Schlepptau einfach weg. Es ist ein schlechtes Gefühl meine Verbündeten, von denen manche auch keine Magie mehr übrig haben, aber im Gegensatz zu mir trotzdem mutig weiterkämpfen, zurückzulassen.

Die Anführerin sollte niemals flüchten und die anderen im Stich lassen. Das ich gerade genau das mache, bereitet mir Schmerzen in der Brust. Das ist aber auch die einzige Chance für mich und Katharina. Aber trotzdem werden jetzt andere sterben. Und das alles nur wegen mir. Schreckliche Schuldgefühle plagen mich, als ich über die Toten springe. Am meisten tun die fragenden und flehenden Blicke meiner Verbündeten weh. Habe ich gerade total versagt? Haben wir schon verloren?

Plötzlich höre ich ein Donnern. Nein, kein Donnern. Wenn ich gerade nicht in dieser Lage wäre, hätte ich gelächelt. Dieses Geräusch kenne ich nur zu gut. Es sind galoppierende Pferde.

Ich bleibe stehen und drehe mich vorsichtig und erwartungsvoll um. Als ich Katharinas Hand loslasse, fällt sie auf den Boden. Ich helfe ihr aber nicht, weil das, was ich da gerade sehe mir den Atem raubt. Es kommen so viele Pferde auf einmal auf uns zugaloppiert, wie viele ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Tausende Hufe berühren den Asphalt. Die meisten der Pferde sind gar keine Pferde mehr, sondern Einhörner, aber auch einige ohne Magie sind dabei.

Ganz vorneweg reiten Milan und die zwei weiteren Einhornanführer, die es auf der Welt gibt. Milan sitzt auf Tornado, schaut ziemlich gefährlich, aber auch ein bisschen mitgenommen aus. Die anderen Einhornanführer sind schon erwachsene Männer und somit viel älter als er, aber er hat mehr Muskeln. Ganz hinten bei den normalen Pferden kann ich Alan auf einem großen Schimmel erkennen. Er wird also auch mitkämpfen.

Die Einhörner und Pferde preschen direkt auf die Hexen und Werwölfe zu. Mit den Hufen werden einige der Gegner tot geschlagen. Aber auch einige Pferde mit ihren Reitern gehen zu Fall. Es ist furchtbar schrecklich diese wunderschönen Tiere in diesem so entsetzlichen Blutbad zu sehen. Es sterben unzählige und der Kampf zieht sich nur so dahin.

Alle Feen, die vorher gekämpft haben, flüchten. Auch einige, die bereits am Boden gelegen haben, rappeln sich auf und humpeln weg. Ich bleibe aber stehen. Ich muss mir das jetzt einfach ansehen und wenn ich wieder Magie habe, kann ich vieleicht sogar helfen.

Schon nach ungefähr einer Stunde habe ich wieder Magie und beteilige mich am Kampf. Ewigkeiten kämpfen wir. Die ganze Nacht lang dauert die Schlacht. Am nächsten Morgen stehen wir umzingelt von Toten auf dem Schlachtfeld. Vorerst haben wir gewonnen, aber natürlich herrschen noch weitere, vielleicht sogar viel schlimmere Kämpfe in dieser Stadt.

Als der letzte Werwolf tot zu Boden fällt, springt Milan sofort von Tornado, stürmt auf mich zu und umarmt mich. Es ist ein furchtbar emotionaler Moment. Ich kann es nicht einmal so richtig beschreiben, weil es einfach so unglaublich ist, ihn jetzt endlich wiederzusehen. Wir weinen beide und es ist total schön. Dann lösen wir uns wieder voneinander.

,,Wo sind die anderen.", fragt er sorgenvoll. Ich muss nur noch mehr weinen, antworte ihm aber: "Emma und Emily sind an der Naab, Clara und Shadow wollten irgendwo anders kämpfen. Katharina ist hier. Logan weiß ich nicht, er war auch hier. Und Finn.." Ich muss schluchzen. Ich bringe die Worte einfach nicht heraus. Die Sorge und Wut in Milans Augen wird stärker und er sagt mit kalter Stimme: ,,Er ist tot." Ich nicke und wir umarmen uns wieder schluchzend. Ich erzähle ihm, wie Finn gestorben ist.

,,Hey, Leute. Wir müssen hier weg.", höre ich Logans Stimme. Er lebt noch, zum Glück. Ich und Milan umarmen ihn beide kurz und dann schauen wir uns nach Katharina um.

Sie liegt immer noch an der Stelle, wo wir vorhin standen und ich ihre Hand losgelassen habe. Es ist zu sehen, wie schrecklich sie sich fühlt. Ihr Körper bebt und man hört sie weinen. Ihre pinke Kleidung ist herrissen und auf ihren einst so glänzenden Flügeln sind Blutflecken. Wir müssen ihr unbedingt helfen.

,,Katharina, steh auf.", sage ich vorsichtig, als ich mich ihr nähere. ,,Ich will nicht mehr. Lasst mich hier.", schluchzt sie. Was soll ich jetzt tun? Ich kann sie auf gar keinen Fall hier lassen, aber ich habe auch keine Ahnung wie ich sie dazu überreden kann, weiter zu machen, weiter zu kämpfen und vor allem weiter zu leben. Ich kann überhaupt nicht gut trösten und ermutigen. Die momentane Situation verstärkt das nur.

Milan, der soetwas, wie auch alles andere, besser kann, beruhigt sie: ,,Es kann nicht sein, dass Finn sich umsonst geopfert hat. Du musst aufstehen. Er ist wegen dir gestorben. Tu es für ihn" Und Katharina willigt tatsächlich ein: ,,Ich komme mit, okay." Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich hätte es nicht ertragen können, sie hier zurück zu lassen. Ich lächele sie an.

Plötzlich kommt Alan zu uns und erklärt: ,,Wir sind alle erschöpft und können so keinesfalls weiterkämpfen. Eure Magie muss sich auffüllen. Deshalb müssen wir näher an den Stadtrand, um irgendwo einen Schlafplatz zu finden." Zu fünft machen wir uns auf den Weg. Ich muss die ganze Zeit an die anderen denken. Noah, Aaron, Emma, Emily, Clara und Shadow. Leben sie noch? Milan, Logan und Katharina, die neben mir laufen, scheinen ähnliche Gedankengänge zu haben und sich auch um unsere Freunde zu sorgen.

Ungefähr nach einer halben Stunde Suche, lassen wir uns in einem verlassenen Haus am Waldrand nieder. Hier sind wir bestimmt sicher. Trotz Schrecken, Angst und Trauer schmiege ich mich an Milan und werde sehr schnell schläfrig. Endlich habe ich wieder eine Möglichkeit zu schlafen. Schon nach kurzer Zeit versinke ich in einem Traum.

Wir kämpfen. Ich kann nicht mehr. Gleich sterbe ich. Neben mir ist Clara und schlitzt einer Hexe nach der nächsten die Kehle auf. Aber es ist erkennbar, dass auch sie bald nicht mehr kann. Aaron steht neben Clara und schlägt mit einem Dolch um sich. Plötzlich schafft es eine Hexe, dass ihre Magie zu Aaron durchdringt und auf seinen Körper prallt. Er ist sofort tot und fällt leblos nach hinten. Clara schreit laut auf und wird während dieser kurzen Zeit auch getroffen. Sie stirbt ebenfalls. Milan will etwas gegen die Hexe tun und rennt mit seinem Schwert in ihre Richtung. Dabei sieht er aber einen Werwolf nicht kommen, der sich ihm angenähert hat und sofort ist auch er tot. Ich schreie und schreie und schreie. Ich habe ihn geliebt. Das durfte nicht passieren. Milan.

Magie gibt's nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt