Kapitel 20

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Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich einfach nur glücklich. Es kommt mir vor, als ob die Nacht, die ich im Badezimmer verbracht habe, vor Ewigkeiten war. Dabei war es gestern.

Aber gestern ist sowieso viel zu viel passiert. Mein Gehirn ist immernoch damit beschäftigt das alles zu verarbeiten.

Natürlich denke ich aber hauptsächlich über Milan nach. Es war einfach traumhaft schön, als er mich gestern geküsst hat. Er ist so süß, nett, hilfsbereit und einfach perfekt. Ich habe früher nie gedacht, dass es sowas wie meinen absoluten Traummann gibt, doch jetzt weiß ich es und es ist Milan.

Am unglaublichsten ist aber, dass er ein Heiler und Anführer der Einhörner ist. Komischerweise finde ich das überhaupt nicht abschreckend, sondern sogar eher anziehend.

Jetzt kann ich ihn auch irgendwie verstehen: Man braucht Zeit um über Magie zu reden, dass ist klar. Als er gesagt hat, dass er Heiler ist und als er mir über das Einhorn erzählt hat, sind nur noch mehr Fragen in meinen Kopf geschossen.

Hoffentlich werden wir bald diese Zeit haben. Ich will nichts lieber, als alles zu erfahren. Naja, vielleicht doch: Milan wiedersehen. Aber das ist ja auch irgendwie das gleiche.

Ich will in die Küche gehen, um zu frühstücken, doch auf dem Weg dorthin will mich zuerst Ronny überreden, dass ich heute Nachmittag mit ihm X-box spiele, dann beißt mir Kira ins Bein und dann falle ich noch die Treppe runter, weil ich über MiauMiau stolpere, der im Weg liegt. Tolpatschigkeit ist wiedergeboren.

Ich humple in die Küche. Die Bisswunde ist voll tief und tut voll weh und eigentlich tut mir nach dem Treppensturz auch alles andere weh.

Meine Eltern sitzen am Tisch und essen Müsli. Als ich rein komme, springen beide erschrocken auf. Meine Mutter denkt zuerst, dass die ,,Krankheit" von gestern zurückgekommen ist, doch ich kann sie beruhigen.

Weil meine Mutter Angst hat, dass ich eine Gehirnerschütterung habe, zwingt sie meinen Vater bei der Schule anzurufen, um mich abzumelden. Als meine Eltern drüber streiten, wer mit der zickigen Sekretärin des Licorne-Gymnasium telefonieren muss, muss ich lachen. Schließlich macht es doch mein Vater.

Als Ronny die Treppe runterkommt, beschwert er sich ,dass ich zu Hause bleiben darf und er zur Schule muss. Doch nach Ewigkeiten schafft er es unsere Eltern zu überreden, dass er auch zu Hause bleiben darf.

Da meine Eltern beide Urlaub haben, bleiben wir somit zu viert zu Hause. Wir beschließen aus dem heutigen Tag einen Familientag zu machen.

Wir fangen mit einem gemeinsamen Frühstück an. Wir schneiden Obst klein und schmeißen die Stückchen in unsere Schüsseln, die schon mit Müsli gefüllt sind.

Es ist einfach wunderschön etwas zusammen mit meiner Familie, ohne Lina, zu machen. Ich muss daran denken, dass ich und sie uns gegenseitig umbringen müssen. Natürlich würde ich es aber niemals schaffen, meine eigene Schwester zu töten. Das sie es schaffen würde, weiß ich schon. Schließlich hat sie es ja auch schon mal versucht. Daran erinnere ich mich aber lieber erst gar nicht.

Wir unterhalten uns während unserem gemeinsamen Frühstück über die Anschaffung von Hasen. Ich will jetzt irgendwie auch unbedingt welche haben. Ronny und ich erzählen wie toll es doch wäre und meine Eltern sprechen nur darüber, dass Hasen nur Arbeit machen. Es macht furchtbaren Spaß, mit meiner Familie zu diskutieren.

Schließlich gewinnen unsere Eltern aber doch und Ronny und ich geben vorerst trotzig auf. Die Betonung liegt auf vorerst.

Nach dem Essen macht mein Vater einen Vorschlag: ,,Da wir heute ja alle zu Hause sind, können wir doch gleich noch was zusammen machen. Wie wäre es, wenn wir nach München fahren?"

Ronny und meine Mutter sind voll begeistert von diesem Vorschlag und ich weiß gar nicht was ich fühlen soll. In den letzten Tagen ist einfach viel zu viel passiert. Aber das Leben ist ja schließlich zu kurz um sich auszuruhen und deshalb freue ich mich auf das neue kleine Abenteuer.

Eigentlich wird es ein entspannter Familienausflug, rede ich mir ein, doch ich habe irgendwie das Gefühl, dass der heutige Tag zu einem weiteren Abenteuer wird.

Überglücklich hüpfe ich in mein Zimmer, um mich dort für den Ausflug umzuziehen.

Wenn wir wieder in München sind, muss ich unbedingt bei Claras Haus vorbei schauen. Vielleicht sehe ich sie dann endlich und ihr Handy und das Festnetztelefon sind beide kaputt. Das ist zwar sehr merkwürdig und unwahrscheinlich, kann aber doch trotzdem sein.

Ich gestehe mir, dass ich eigentlich nur zurrück nach München will, um Clara zu sehen. Ich vermisse sie so sehr und ich habe in den letzten Tagen etliche Tränen vergossen, weil ich Angst habe, dass sie nicht mehr meine beste Freundin sein will. Aber lieber mache ich mir jetzt keine Sorgen mehr, ich werde später ja sehen, was passieren wird.

Als ich nach unten gehe, ist meine Familie bereits fertig. Wir gehen gleich zu unserem Auto, steigen ein und fahren los. Wärend der Autofahrt hören wir Musik und reden zuerst nicht viel miteinander. Nach einer Weile spielen Ronny und ich das Spiel, wer zuerst ein Tier sieht. Konzentriert schauen wir dabei aus dem Fenster. Die Autofahrt wird mit der Zeit insgesamt ziemlich lustig, wir erzählen uns lustige Geschichten und lachen miteinander.

Als meine Mutter ankündigt, dass wir nur noch 10 Minuten brauchen werden, werde ich aufgeregt. Ich spüre, wie mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich halte die ganze Zeit Ausschau nach Clara. Vielleicht geht sie ja zufällig hier irgendwo spazieren.

Aber ich sehe sie leider nicht. Wir parken auf einem großen Parkplatz und gehen ein bisschen durch die Stadt spazieren. Licorne ist eine viel kleinere, ruhigere und auch eine schönere Stadt als München. Hier riecht es überall nach Abgassen, es ist sehr laut und die Stadt ist einfach überfüllt. An jeder Ecke hockt ein Bettler und es liegt viel Müll rum. Einfach nur hässlich.

Aber als wir auf dem Weg sind, wo ich und Clara früher immer mit Prinzessin Lilifee spazieren gegangen sind, wird der Weg schöner. Dieser kleine Feldweg am Rand einer Großstadt, ist glaube ich mein Lieblingsort auf der ganzen Welt.

Ich kann meine Eltern überreden, dass wir noch schnell in den Stall gehen, wo Prinzessin Lilifee mit anderen Alpakas steht. Fröhlich rennen ich und Ronny schon mal vorneweg in Richtung des Stalles. Ich will einfach so schnell wie möglich Prinzessin Lilifee sehen.

Ich und Ronny stürmen in den Stall. Gerade ist jedes Alpaka in seiner eigenen Box eingesperrt, um zu essen. Ich weiß genau, welche von den Boxen Prinzessin Lilifee gehört. Schnell mache ich mich auf den Weg dorthin.

Aber in der Box steht nicht Claras flauschiges, weises Alpaka, sondern ein schwarzes Lama. Schockiert schaue ich es an. Wo ist Prinzessin Lilifee denn nur? Ich fange an zu weinen und schaue das Lama an. Ronny versucht mich zu trösten, schafft es aber nicht.

Ich setzte mich auf den Boden und lege meinen Kopf auf meine Knie. Die ganze Zeit fließen mir Tränen in Strömen über das Gesicht.

Es kommt mir irgendwie vor, als ob es Clara, Prinzessin Lilifee und alles andere, was vor Licorne passiert ist, gar nicht gibt. Es kommt mir vor, als ob ich mir alles nur vorgestellt habe, oder dass alles nur ein Traum war.

Andererseits kann das aber gar nicht sein. Dieser Ort kommt mir so bekannt vor und ich kann mich an mehrere kleine Momente genau erinnern.

Was ist nur los mit mir? Was ist mit Clara und ihrem Alpaka? Wieso ist es nicht mehr hier? Mal wieder ist mein Kopf von Fragen überströmt, die ich einfach nicht zurrück halten kann.

Magie gibt's nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt