Magie gibt's nicht

Kapitel 42

,,Piep. Piep. Piep." Was ist das? Wo bin ich? Ich will aufstehen, kann es aber nicht. Mir tut alles weh und mein Kopf dröhnt. Emma liegt auf mir und ich liege auf Milan. Wir sind alle da eingeschlafen, wo wir gestern Abend waren. Wahrscheinlich sind die anderen genauso erschöpft wie ich.

Gestern war ein anstrengender Tag. Luna ist gestorben. Ich habe gegen Werwölfe gekämpft, die mich umgebracht hätten, wenn Shadow mich nicht gerettet hätte. Die anderen haben ihn aus dem Zoo geklaut. Jetzt liegen wir hier und Wunden ziehen sich um unsere Körper.

Ich bekomme Schuldgefühle, weil ich so eine schlechte Königin bin. Wenn ich mich hätte verwandeln können, hätte ich Luna vielleicht retten können. Sie wäre noch am Leben. Wegen mir ist sie tot. Ich schluchze, wobei ich einen stechenden Schmerz in meinem Bauch spüre. Da wo gestern noch keine Haut mehr dran war.

Milan erklärt das Geräusch, welches immer noch im Raum ertönt: ,,Das ist mein Wecker. Wir müssen aufstehen. Ich muss euch heilen und wir müssen so aussehen, als ob wir die ganze Nacht in unseren Betten gelegen und friedlich geschlummert haben. Wir wissen von nichts und sind glücklich. Niemand von euch hat gemerkt, dass Luna in der Nacht verschwunden ist."

Er springt auf und mein Kopf fällt auf die Matratze. Mürrisch öffne ich die Augen und schaue zu ihm hoch. Weil niemand etwas macht, zieht Milan Noah aus dem Bett. Auch alle anderen kriegt er wach. Finn grummelt und zieht sich seine Socken an. Danach werden wir alle geheilt und ziehen uns um.

Gespielt glücklich aussehend gehen wir zum Frühstücksbuffet und laden einige Sachen auf unsere Teller. Ich habe eigentlich keinen Hunger, nehme mir unter Milans strengen Blicken dann aber eine Banane. Die ganze Zeit rede ich mir ein, dass ich glücklich und überhaupt nicht müde bin.

Auf gar keinen Fall dürfen wir die Absicht auf uns ziehen. Eigentlich sind wir jetzt kriminell. Man müsste uns in ein Gefängnis stecken, wegen Mordes und Diebstahl. Aber das alles haben wir ja für einen guten Zweck getan: für die gute Magie. Luna ist deswegen gestorben und ich werde mich rächen und mehr Menschen der bösen Magie bekämpfen.

Langsam werde ich schon genauso seltsam wie Milan. Aber naja, vielleicht habe ich einfach zu viel Zeit mit ihm verbracht.

Anfangs merken unsere Lehrkräfte gar nichts von dem Verschwinden der halben Klasse. Dann aber schauen sie immer öfter auf ihre Uhren. Ich beobachte, wie sie sich in Richtung Tür bewegen. Und dann kommen Männer. Mir bleibt das Herz stehen. Es sind Polizisten. Was ist, wenn sie unsere Fingersbdrücke gefunden haben? Dann wären wir ertappt und in den nächsten zehn Minuten auf dem direkten Weg in den Jugendknast.

,,Lili schau mich an.", zischt Milan. Ah ja stimmt, immer schön unauffällig. Ich schaue zu ihm. Aus dem Augenwinkel sehe ich aber trotzdem, wie die Polizisten mit den Lehrern reden. Herr Müller fängt an zu weinen. Ohhh, es ist soo süß, wie er sich um seine Schüler sorgt. Ok, er hatte die Verantwortung für uns und jetzt ist die Hälfte einfach ums Leben gekommen.

Nach einigen Minuten gehen die Polizisten wieder. Erleichterung breitet sich in mir aus. Ich komme nicht in das Gefängnis. Wie toll.

Herr Müller, immernoch mit nassen Augen, und Frau Bellys rufen unsere Klasse zusammen, oder halt den Rest der Klasse. Die, die noch leben. Frau Bellys berichtet: ,, Heute Nacht sind dreizehn eurer Mitschüler gestorben." Die anderen Jungs tuscheln, also tun wir es auch. ,,Waaas?", fragt Milan ganz unglaubwürdig. Emma und Katharina müssen anfangen zu weinen, aber das macht es sogar realer, weil sie jetzt über Luna trauern.

Die Polizei lässt die Leichen nach Deutschland fliegen. Anscheinend ist die Polizei hier nicht so streng wie in Deutschland, sie wird nämlich nicht weiterhin ermitteln.

Anstatt Sehenswürdigkeiten anzuschauen, machen wir heute gar nichts. Frau Bellys gibt uns einfach frei und verschwindet mit Herr Müller beim Flughafen. Sie will so schnell wie möglich wieder zurrück nach Licorne. Ich nicht, denn Clara, Aaron und die anderen Meerjungmenschen sind hier.

,,Lass uns an den Strand gehen. Ich stell euch Clara und Aaron vor.", schlage ich vor. Die anderen haben keine besseren Ideen, also machen wir uns auf den Weg zur Bucht. Eigentlich sollte sie ja Milans und mein Geheimnis sein, das können wir aber wegen den Meerjungmenschen sowieso vergessen.

Clara und Aaron sind sogar da. Gerade sitzen sie auf einem Felsen und küssen sich. Wir kommen nicht gerade im richtigen Moment, aber um umzudrehen ist es jetzt schon zu spät. Als sie uns bemerken, lösen sie sich voneinander. Wir erzählen ihnen alles und die anderen sind auch sofort mit ihnen befreundet.

,,Echt krass. Natürlich schwimmen wir alle mit euch nach Licorne. Dort wird der Krieg am wahrscheinlichsten statt finden. Clara müsst ihr irgendwie im Flugzeug mitschmuggeln, sie kann sich ja unsichtbar machen.", erklärt Aaron. Wäre ich nicht so traurig und erschöpft wegen gestern, hätten mich diese Worte sogar glücklich gemacht. Es ist einfach so cool, dass all die Meerjungmenschen mit mir kommen. Nur für mich. Unglaublich.

Abends sammeln wir uns wieder im Hotel. Herr Müller und die anderen Jungs erwarten uns. Frau Bellys ist nirgendwo zu sehen. Herr Müller sagt: ,,Frau Bellys braucht eine Pause. Ich passe auf euch auf. Heute Nacht wird niemand sterben, denn im Hotel gibt es eine Paaartyyyy. Uuund daa gehen wir hihin." Alle schauen ihn erstaunt an. Die anderen Jungs brechen in Jubel aus, während ich versuche zu lächeln. Auf eine Party habe ich gerade gar keine Lust. Ich will einfach nur schlafen.

,,Ich muss kurz aufs Klo.", teilt Milan mit und verschwindet um die Ecke.

Wir stehen hier rum. Anscheinend hat Herr Müller mehr Freude erwartet. ,,Eine Party wie cool.", versuche ich. ,,Yayy.", Finn macht mit und Herr Müller muss doch noch lächeln.

Plötzlich hören wir Schreie. Scheiße. Milan. Es ist Milan. Und die zweite Stimme kenne ich auch nur zu gut. Es macht mir furchtbare Angst sie zu hören. Es ist die von Frau Bellys.