Magie gibt's nicht

Kapitel 21

Während ich heulend an der Wand sitze, steht Ronny einfach nur hilfslos rum. Doch als meine Eltern auch den Stall betreten, schaffen sie es mich zu trösten.

Wir schauen noch einmal alle anderen Tierboxen durch. Aber Prinzessin Lilifee ist auch nirgendwo sonst zu sehen. Sofort sinkt meine Hoffnung wieder.

Aber meine Mutter meint: ,,Es kann doch gar nicht sein, dass Prinzessin Lilifee nicht mehr hier ist. Kommt, wir fragen mal bei der Leiterin dieses Stalles nach. Hoffentlich ist sie da."

Ich weiß nicht so recht, ob es etwas bringen wird, bei der Leiterin nachzufragen. Außerdem besteht ja auch die Chance, dass sie gar nicht da ist. Aber ich soll mal aufhören so negativ zu denken und einen Versuch ist es ja wert.

Wir fragen einen Mann, der in einer leeren Box steht und sie ausmistet, ob die Leiterin des Stalles da ist. Zu meiner Erleichterung bejaht er die Frage und wir machen uns auf den Weg, in die Richtung, in die er gezeigt hat. Wir haben echt total Glück, dass die Leiterin da ist. Als ich früher immer hier war, habe ich sie nicht so oft angetroffen.

Meine Familie und ich treffen sie im Ausenbereich der Alpakas und Lamas an. Gerade ist sie damit beschäftigt die Trinktroge zu waschen und neues Wasser reinzufüllen. Mein Vater fragt nach Claras Alpaka.

Weil sie die Namen der vielen Tiere nicht auswendig kennt, führt sie uns in eine kleine Kammer. In einem Regal liegen alle Unterlagen der Tiere. Gleich entdecke ich die von Prinzessin Lilifee.

Mein Herz macht einen Sprung dabei. Jetzt gleich werde ich endlich erfahren, was mit meiner besten Freundin los ist, oder zumindest was mit ihrem Alpaka los ist. Ich bin irgendwie furchtbar aufgeregt.

Die Stallleiterin blättert ein bisschen in den Papieren rum. Die ganze Zeit versuche ich einen Blick hinein zu werfen. Leider aber erkenne ich nur einzelne Wörter. Also muss ich jetzt wohl kurz warten.

Ganz hinten in den Unterlagen wird die Frau schließlich fündig: ,,Ich muss Sie leider enttäuschen. Das Tier, welches sie suchen, wurde vor einer Woche an einen Freizeitpark verkauft, weil ihre Besitzer gestorben sind. Es tut mir sehr leid."

Ich schaue sie schockiert an. Clara ist tot. Nein. Ich will es nicht. Das kann gar nicht sein.

Plötzlich spulen sich in meinem Gehirn mehrere schöne Momente mit Clara ab. Ich kann die Bilder aus meinem Gehirn ganz deutlich sehen.  Sie schauen irgendwie viel realer aus, als alles andere, was ich durch meinen Tränenschleier noch sehen kann.

Ich sehe den Ausflug aus der 5.Klasse, wie ich sie kennengelernt habe, unsere gemeinsamen Filmabende, unsere Spaziergänge, den Moment als wir auf der Toilette saßen und den Englischunterricht geschwänzt haben und vieles mehr. Es ist furchtbar schrecklich, dass es das alles nie wieder geben wird.

Es ist einfach unvorstellbar für mich, dass es das alles nie wieder geben wird. Ich werde ein Leben ohne Clara bestimmt nicht aushalten.

Es macht mich noch trauriger, dass ich das eigentlich getan habe, seitdem wir in Licorne wohnen.

Ich höre auf zu weinen, weil ich keine Tränen mehr habe, aber trotzdem muss ich immernoch so schluchzen, dass ich denke, dass ich gleich keine Luft mehr bekomme.

Mein Vater legt mir ein Arm um die Schulter und meine Mutter, die auch den Tränen nahe ist fragt: ,,Wie ist Familie Eflöwrew eigentlich gestorben?" ,,Diese Frage kann ich euch leider nicht beantworten, da müsst ihr wo anders hingehen. Jetzt raus hier.", meckert uns die Frau unhöflich an.

Wir verschwinden aus dem Stall. Während dem Laufen muss ich mich darauf konzentrieren, dass ich nicht hinfalle. Plötzlich fülle ich mich so schwach und hilfslos. Meine beste Freundin und ihre Familie ist einfach tot und ich habe es gar nicht mitbekommen, als sie gestorben sind.

Meine Eltern wollen noch irgendwo hingehen, wo man erfährt, wieso jemand gestorben ist. Wo genauhin weiß ich nicht, ich habe nur das mitbekommen. Ronny und mich lassen sie einfach warten. Angeblich sei das nichts für Kinder, na toll.

Mein Bruder und ich setzen uns auf eine Bank. Immernoch muss ich die ganze Zeit an Clara denken.

Ronny schaut plötzlich zu mir und fragt: ,,Glaubst du an Magie?" Diese Frage hätte ich jetzt mal gar nicht erwartet, wie kommt er denn darauf? Ich versuche nicht zu überrascht auszusehen.

,,Wieso fragst du denn das?", frage ich zurrück. Er erklärt: ,,Ich glaube mit Lina stimmt etwas nicht und irgendwie glaube ich auch, dass mit Licorne irgendetwas nicht stimmt. Das was du gestern hattest, ich glaube nicht, dass es eine Krankheit war, ich glaube es war Magie und zwar böse."

Er ist irgendwie genauso wie ich, er weiß gar nichts und versucht etwas herauszufinden. Ich bin mir so gut wie sicher, dass er keine Magie hat. Dafür aber ist seine Theorie schon sehr schlau und überhaupt finde ich es überraschend, dass er etwas gemerkt hat.

,,Ja ich glaube du hast recht. Und ich glaube an Magie.", verrate ich. Schließlich geht es ja nicht um meine Magie und deshalb muss ich glaube ich weniger vorsichtig sein. ,,Ich auch. Ich bin mir sicher das es sie gibt. Und zwar nur in Licorne.", fügt Ronny stolz hinzu.

Wir reden die ganze Zeit miteinander. Meine Trauer verschwindet nicht, aber zumindest werde ich während dem Gespräch mit meinem kleinen Bruder ein bisschen glücklicher. Es fühlt sich so gut an, mich mit ihm zu verbünden.

Nur eins bereitet mir Kummer: Dass ich ihm nicht sagen kann, dass ich selber Magie habe und welche.

Nach einer Ewigkeit kommen meine Eltern zurrück. Wir gehen zusammen zu unserem Auto. Als wir alle eingestiegen sind und losfahren, fangen meine Eltern an zu erzählen: ,,Wie ihr wisst war Familie Eflöwrew im Urlaub. Beim Rückflug ist ihr Flugzeug abgestürzt und im Meer gelandet. Alle Passagiere des Flugzeuges wurden ertrunken aufgefunden, außer Clara."

Ich schaue aus dem Fenster. Ohne Clara und Prinzessin Lilifee ist für mich nichts mehr in München übrig. Wieso ist Clara denn nur die einzige, die nicht gefunden wurde. Bestimmt ist es nicht so, aber mir schleicht die Vermutung durch den Kopf, dass meine beste Freundin noch lebt. Ob das wohl sein kann?