Kapitel 24

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Melina schlägt vor: ,,Jetzt sind die Jungs ja weg. Soll ich dir alles zeigen?" ,,ALLES!" Meine Augen glänzen, als ich das sage.

,,Also wir haben vier Ställe und in jedem ist Platz für zwanzig Pferde. Komm mal mit, dann zeige ich sie dir." Melina läuft vor. Ich laufe ihr nach und merke dabei, dass ich total die unpassenden Klamotten zum reiten anhabe. Hoffentlich hat sie was in Übergröße, was sie mir dann leihen kann.

Wir gehen in einen der Ställe. ,,Das hier ist Stall eins. Frag mich nicht warum das der erste ist, dass weiß niemand. Hier können andere Leute ihre Pferde unterstellen, also eigentlich gehören alle Pferde hier drin gar nicht uns und ich sollte mich hier auch gar nicht aufhalten, also schnell raus.", plappert Milans Schwester.

Dann zeigt sie mir noch den restlichen Hof. Der zweite Stall ist für die Pferde der Familie. Die Pferde im dritten Stall sind zu verkaufen und darin sind die Mutterpferde mit Fohlen. Momentan gibt es drei kleine Pferdchen, echt süß. Der letzte Stall ist für den Rest. Darin befinden sich zehn sehr alte Pferde und ein Pferd von Melinas und Milans Onkel, weil dieser auf diesen Stall bestanden hatte.

Die Führung durch die Ställe dauert eine Ewigkeit, weil Melina tausend Geschichten erzählt. Dabei habe ich die Pferde der Familie noch gar nicht gesehen, weil alle neunzehn sich gerade auf der Koppel befinden. Melina erzählt und erzählt. Es kommt mir vor, wie eine Führung durch ein Museum.

Endlich ist sie fertig und wir gehen zu den Koppeln. Dabei erzählt sie natürlich weitere Storys von ihren Pferden. Jetzt habe ich gefühlt schon miliarden Geschichten über ihre wunderbaren Pferde gehört.

,,Da sind unsere Pferde." Endlich wirds interessant. Ich will ja schließlich wissen, was Milan so den ganzen Tag macht und mit wem er ihn verbringt. Doch bevor Melina die Gattertür öffnen kann, kommt Carlitos vorbei. Er beschwert sich, dass Melina noch unbedingt einige Ställe ausmisten muss. Während er sie anmeckert, platze ich vor Ungeduld. Deshalb locke ich schon mal ein Pferd herbei. Es schmiegt seinen Kopf an mich. Sein Fell glänzt schwarz und seine Mähne schaut sehr gepflegt aus.

Ich muss daran denken, dass Milan mir geschrieben hat, dass ich bei zwei Pferden nachschauen darf, ob es Einhörner sind. Das schwarze Pferd vor mir erinnert mich irgendwie an ein Einhorn, also rufe ich meine Magie herbei. Dabei merke ich, dass ich das schon viel kontrolierter machen kann, als am Anfang. Sehr gut. Wie schon geahnt verwandelt sich das Tier. Plötzlich wächst ihm ein Horn auf seiner Stirn und das Fell, die Mähne und der Schweif beginnen noch stärker zu glänzen. Ich bin vollkommen beeindruckt. Als ich aber wieder kurz auf die Seite schaue, steht wieder ein ganz normales Pferd vor mir.

Melina und Carlitos schauen mich plötzlich ganz erstaunt an, als sie merken, dass das Pferd zu mir gekommen ist. ,,Das ist Tornado. Er ist eigentlich ziemlich wild und lässt nur Milan und mich an sich heran. Also hast du gerade ziemlich Glück." Plötzlich übernimmt Carlitos Melinas Rolle als Museumsführer. Er kommt mit auf die Koppel und Carlitos und Melina reden praktisch durcheinander, weil jeder mehr erzählen will.

,,Können wir ausreiten?", frage ich nach einer Weile, weil ich keine Lust mehr auf die Diskussion, ob Milan oder Milans Vater besser reiten kann, habe. ,,Ja klar. Ich komme mit.",beschließt Carlitos. Melina verdreht daraufhin die Augen, doch sie ist einverstanden, dass ihr Cousin mitkommt.

,,Hey Carli, komm mal zu uns.",ruft ein älteres Mädchen, dass plötzlich am Koppelrand aufgetaucht ist. Hinter ihr kommen noch andere Mädchen und schon sind wir Carlitos los und können unseren Ausritt doch zu zweit machen.

,,Das ist seine Schwester, also meine Cousine. Sie ist zwar nur ein Jahr älter, doch er lässt sich voll von ihr rumkommandieren.", erklärt mir Melina.

Ich will jetzt endlich reiten. Fast hätte ich das gesagt. Aber wirklich platze ich gerade vor Ungeduld. Und ich habe einen Wunsch: Ich will Tornado reiten.

Als ich nachfrage, platzt der Wunsch jedoch. Milan hat ausdrücklich verboten, dass jemand anderes als Carlitos auf Tornado reitet. Ich will natürlich nichts machen, wogegen Milan ist, also gebe ich nach.

,,Meine Pferde kennst du ja schon. Du nimmst Chica und ich nehme Chico.",gibt Melina glücklich bekannt. Anscheinend glaubt sie gerade wirklich, dass ich mir alle Namen gemerkt habe. Ich will sie nicht enttäuschen und nicke deshalb.

Wir gehen die Halfter holen, wobei ich Melina doch noch mal frage, welches der Pferde Chica sei. Ein bisschen beleidigt ist sie schon, doch sie verzeit mir, dass ich mir nicht gemerkt habe, welche zwei Pferde ihre seien. Es stellt sich heraus, dass Chica ein geschecktes Tinker ist. Chico ist eines der Shetlandponys, die es auf dem Hof gibt.

Schnell und wortlos putzen und satteln Melina und ich die Pferde. Sie ist ein bisschen schneller als ich, aber schließlich hat sie auch mehr Übung. Bevor es heißt: Auf aufs Pferd, beäugt sie mich. Wahrscheinlich hat sie jetzt auch festgestellt, welch ungeeignete Klamotten ich habe.

,,Kann ich was ausleihen?",frage ich. ,,Musst du.",antwortet sie. Sie führt mich daraufhin in das Haus. Während ich noch im Eingang stehe, kramt sie in einem Zimmer rum. Hoffentlich ist es ihres. Wenn nicht, wird sich der Eigentümer wegen der gerade entstehenden Unordnung ziemlich aufregen, das sehe ich voraus.

Melina kommt mit einem Hemd, das aussieht, als ob es aus dem Mittelalter kommt und einer ziemlich breiten Reithose zurrück. ,,Das gehört Milan. Anziehen! Keine Wiederrede!" Na toll. Ich lasse mir das Bad zeigen und ziehe Milans Klamotten allen Ernstes an. Ich schaue in den Spiegel. Na das kann ja noch was werden. Ohne einen Gürtel, der wiederrum Melina gehört, hätte ich nie die Hose anbehalten können und auch das Hemd ist mir leicht zu groß. Aber besser das, als nichts.

Bei den Pferden angekommen schwingt sich Melina mit einem Hub auf Chico. ,,Das kann ich nicht, das ist unfair, Chica ist viel größer.",beschwere ich mich. Da, wo ich früher geritten bin gab es einen Aufsteigebock zum aufsteigen. Ich brauche jetzt wieder einen.

,,Ne, das ist nicht unfair. Geh mal weg." Ich trete zur Seite und Melina sitzt mit einem Schwung auf Chica und grinst mich an. Wir finden schließlich einen Stuhl, den ich als Aufsteighilfe benutze.

Mit rotem Kopf sitze ich nun auf dem Pferd. Man war das peinlich! Melina bestimmt: ,,Macht nichts. Nächstes mal kannst du das. Ich reite vorne, du hinterher."

Melina reitet vorneweg. Zunächst sitze ich noch etwas unentspannt im Sattel, doch schnell merke ich wieder, dass es leichter ist, wenn ich mich locker mache. Erst jetzt merke ich, wie sehr ich das Reiten und die Pferde vermisst habe. In München sind ich und Clara jede Woche geritten. Sofort merke ich wieder, wie sehr mir meine beste Freundin fehlt und wie groß die Trauer doch ist.

,,Verkrampf nicht so! Mach dich mal locker!", ruft plötzlich Melina zu mir hinter. Ups, ich bin viel langsamer, obwohl sie ein kleineres Pferd hat. Sofort werde ich wieder rot. ,,Locker machen! Dann geht sie schneller!" Melina ruft das so, als ob ich sie vorher nicht verstanden habe.

,,Ja, besser!", lobt sie mich, als ich bei ihr bin. Wir traben mehrmals und sie zeigt mir bestimmte Übungen im Schritt. Dann ist unser Ausritt leider schon zu Ende.

Irgendwie bin ich enttäuscht darüber, dass wir gar nicht galoppiert sind und über meine nicht vorhandenen Reitkünste. Ich dachte ich könnte das besser. Plötzlich aber spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Sie gehört Melina. ,,Du bist super geritten. Das müssen wir wiedeholen." Ich dachte eigentlich, dass ich total schlecht war, aber wie sie meint. Ich lächele und bin sofort wieder glücklich.

Ich helfe der Familie Morgan noch beim Pferdefüttern und dann holt mich meine Mutter ab. Glücklich erzähle ich ihr alle Geschichten über die Pferde und prahle, wie schön unser Ausritt heute war.

Magie gibt's nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt