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Vor uns steht Roy, der sich jetzt bedrohlich vor Lion aufbaut. Seine blauen Augen sind zu kleinen Schlitzen verengt und seine maskulinen Gesichtszüge verhärtet.

Der enganliegende schwarze Rollkragenpullover, den er trägt, spannt über seinem angespannten Bizeps und seiner muskulösen Brust. Seine volltätowierten Hände sind zu Fäusten geballt.

Er würdigt mich keines Blickes, sondern hat sich stattdessen auf Lion fixiert.

Grob schubst er ihn gegen die Wand der Sporthalle, so dass die Metallverkleidung unter der Wucht einen lauten Knall erzeugt.

Ich zucke erschrocken zusammen.

Ich komme mir vor wie im falschen Film. Die Situation wirkt so unreal, als würde ich die Beiden auf einer großen Kinoleinwand betrachten.

Roy packt Lion am Kragen seines Sweatshirts und drückt ihn erneut gegen die Wand.

"Lass deine Finger von ihr", knurrt er bedrohlich und kommt Lion dabei sehr nahe.

Ich beiße so fest auf meine Unterlippe, dass ich plötzlich den metallischen Geschmack von Blut in meinem Mund schmecke.

Ich mache mir vor Angst fast in die Hose, doch Lion bleibt ruhig. Er wird nicht frech oder provokant, sondern handelt absolut deeskalierend.

"Okay", sagt er ruhig und hebt beschwichtigend die Hände.

"Sie hat mir das auch schon gesagt. Ich wollte es einfach nicht wahr haben", nimmt er mich plötzlich in Schutz.

Wieso tut er das?

Ist er lebensmüde?

"Es tut mir leid. Ich halte mich von nun an von ihr fern, okay?"

Seine Stimme ist fest und die Ruhe, die in ihr liegt, scheint sich ein Stück weit auf Roy zu übertragen.

Er lässt Lions Hoodie los und senkt seine Arme.

"Ich will dich nicht nochmal darauf hinweisen müssen. Nächstes Mal rede ich nicht mehr mit dir, das verspreche ich dir", droht Roy ihm mit erhobenem Zeigefinger und sieht ihm fest in die Augen.

"Es gibt kein nächstes Mal", versichert Lion ihm schuldbewusst und reicht ihm versöhnlich die Hand.

Roy nimmt sie widerwillig an und schüttelt sie kurz.

"Ich behalte dich im Auge; jeden noch so kleinen Schritt von dir. Egal was du tust, ich werde es wissen, also pass besser auf dich auf", setzt er nach und wendet sich zum gehen.

Es klingt nicht wie eine Drohung, sondern wie ein Versprechen.

Ich stehe immer noch wie versteinert da und traue mich nicht mal, Lion anzuschauen. Zu sehr schäme ich mich für die Szene, die Roy hier gerade veranstaltet hat, auch wenn ich froh bin, dass es noch so glimpflich für ihn ausgegangen ist.

Ich bin mir sicher, dass die Situation auch ganz anders hätte ausgehen können, wenn Lion beispielsweise patzig geantwortet und nicht eingelenkt hätte, so wie der Typ, der mich auf der Party im Crystal Club angebaggert hat.

"Komm!", reißt mich eine bellende Stimme aus meinen Gedanken. Schweigend laufe ich Roy hinterher und steige eingeschüchtert in sein Auto.

Er redet auf der gesamten Fahrt kein Wort mit mir und ich traue mich nicht, das Schweigen zu brechen.

Zu groß ist mein schlechtes Gewissen, das mich quält.

Was habe ich nur getan?

Bei Roy angekommen stürmt er aus dem Auto und ins Innere seines Hauses. Er wartet nicht mal auf mich oder schaut, ob ich ihm folge.

Zögernd laufe ich ihm nach. Den Geräuschen nach zu urteilen ist er im Obergeschoss.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt